Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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nachdem sie von abgerichteten kleinen Raubtieren, wie Ginsterkatzen oder Ichneumonen (Schleichkatzen), aufgescheucht worden waren, mit dem Wurfholz erbeutet, was eine beachtliche Fertigkeit in der Handhabe dieses Gerätes erforderte.

      Beim Fang mit dem Netz kamen sowohl Wurfnetze als auch Stellnetze zum Einsatz. Die ebenso naturgetreuen wie eindrucksvollen Darstellungen von aus dem Papyrusdickicht abstreichenden Wildgänsen und Enten gehören zu den schönsten Tierdarstellungen in der altägyptischen Kunst. Es waren überwiegend Nilgänse, Grau- und Blässgänse, verschiedene Reiherarten, Löffler, Blässhühner, Spießenten und Rotkopfenten, die im üppigen Nildelta bejagt wurden. Die Wildente wurde anfänglich kaum bejagt; erst relativ spät, d. h. seit der 12. Dynastie (200 v. Chr.), wird häufig von der Jagd auf Enten berichtet.

      Auch die Domestikation von Wildtieren, wie sie ab der 5. Dynastie überliefert ist, ebenso wie die Anlage von Tiergärten etwa ab der Zeit um 1500 v. Chr., waren in Ägypten üblich. Von einem Geflügelhof vor ca. 4.500 Jahren berichtet uns ein Kalksteinrelief (5. Dynastie). Das Relief zeigt, dass dort Kraniche und Wildgänse gehalten und gefüttert wurden. Aus den in der Nähe des Tempels Deir el-Bahari ausgegrabenen, umfassenden bildlichen Darstellungen und Berichten wissen wir, dass die Königin Hadschepsut um 1500 v. Chr. einen Tiergarten anlegen ließ, in welchem nicht nur heimische Tierarten, sondern auch Großwild aus Nordafrika und indische Elefanten gehalten wurden. Damit war die verlässliche Versorgung des Königshauses nicht nur mit Wildgeflügel, sondern auch mit Wildbret gewährleistet.

      Erwiesen ist damit aber auch eine erstaunliche infrastrukturelle Transportkapazität, handelt es sich doch bei diesen Tieren um Großwild, welches aus weitentlegenen Weltgegenden (Indien) importiert wurde.

      Die Jagd auf Großwild war bis zu Beginn der 18. Dynastie (1555–1330 v. Chr.) infolge der gänzlichen Ausrottung der Wildbestände im nordafrikanischen Steppengebiet – die beliebten Nilpferdjagden ausgenommen – so gut wie unbekannt. Erst auf ihren ausgedehnten vorderasiatischen Kriegs- und Jagdzügen wurden die Ägypter mit den Jagdmethoden der assyrischen Könige auf Großwild vertraut.

      Ein für die Jagdgeschichte einmaliger archäologischer Fund waren in diesem Zusammenhang 350 Tontafeln in babylonischer Keilschrift in der Ruinenlandschaft von Tell el-Amarna aus der Zeit um ca. 1350 v. Chr. Auf diesen Tontafeln in der vormaligen Residenz des Pharao Amenophis IV. finden sich umfangreiche Berichte über die Jagderfolge des Pharao. Aus einem dieser Berichte geht hervor, dass Thutmosis III. in der Steppe von Niya bei einer seiner Jagden die unvorstellbare Menge von 120 Elefanten erlegt habe, wenn der Bericht zutreffend ist. Ein solcher Jagderfolg war wohl nur aufgrund der Teilnahme von Adeligen und/oder Kriegern an dieser Jagd möglich geworden.

      Auch die Löwenjagd findet in dieser Zeit häufig Erwähnung, so in Form einer Abbildung auf einer Truhe aus der Grabausstattung des Königs Tutanchamun (1347–1338 v. Chr.). Von den hier dargestellten acht Löwen hat der junge Pharao bereits sieben tödlich verwundet, während er auf den achten, einen flüchtigen Löwen, mit dem Bogen zielt.

      Auf einem Skarabäus aus dieser Periode wird berichtet, dass König Amenophis III. innerhalb eines Dezenniums 102 Löwen gestreckt habe. Aus einem weiteren Bericht erfahren wir, dass es dem König gelungen sei, in nur vier Tagen aus einer Herde von 170 Wildstieren insgesamt 96 zu erlegen. Nach dem Vorbild der Perser gingen die Ägypter infolge der gewaltigen Ausdehnung ihres Herrschaftsbereiches – wie die Assyrer und Griechen auch – dazu über, Elefanten in großer Zahl einzufangen, zu zähmen und die Tiere sodann als Jagd- und Kriegselefanten, aber auch als Last- und Zugtiere einzusetzen.

      Vom persischen Großkönig wird unter anderem berichtet, dass er über eine Herde von 9.000 Elefanten verfügte; die Elefanten wurden von den indischen Hilfstruppen gestellt und waren zur Zeit Alexander des Großen eine „Revolution“ in der Geschichte des Jagd- und Kriegswesens.

      Unter dem ägyptischen König Ptolemaios II. (283–247 v. Chr.) wurde der Lebendfang von Elefanten im Großen betrieben. Die gefangenen Tiere wurden vorwiegend aus Äthiopien auf speziell hierfür konstruierten Elefantenbooten über das Rote Meer nach Ägypten gebracht.

      Davon abgesehen war Elfenbein nach und nach zur Handelsware geworden, was schließlich dazu führte, dass der Elefant in Äthiopien, Libyen, Mauretanien, besonders aber in Nordafrika und Vorderasien, ausgerottet wurde. Das gleiche Schicksal erlitten – wenn auch nicht aus kommerziellen Gründen – der europäische Löwe in Griechenland und der Berberlöwe in Nordafrika. Das Ausmaß der erhaltenen schriftlichen Aufzeichnungen und bildlichen Darstellungen der Ägypter zeigt, dass die Jagd in diesem alten Kulturraum jedenfalls eine überragende, wenn auch andere Bedeutung als bei den Sumerern, Assyrern und Babyloniern hatte.

      Bei vordergründiger Betrachtung der schriftlichen, bildlichen und steinernen Zeugen ist ein Unterschied zwischen dem Jagdverständnis der verschiedenen Völker des Alten Orients nicht auszumachen. Bei näherer Untersuchung gibt es Indizien, die auf eine unterschiedliche, ja grundsätzlich andere Sichtweise der alten Ägypter hinweisen. Zum einen war das Jagen auf Großwild – von den Nilpferdjagden abgesehen – über weite Strecken der ägyptischen Geschichte unbekannt; und auch diese Jagd wurde letztlich aus Sicherheitsgründen dem Personal überlassen; die Nobilität nahm daran nur mehr als Zuseher teil und die Löwenjagd hatte in Ägypten bei Weitem nicht die Bedeutung wie in Assur und Babylon. Außerdem wurde der Löwe offensichtlich nicht als ein mit allen Mitteln zu bekämpfender Feind gesehen. Zu den Beständen des Museo Egizio in Turin gehört eine Statuette aus Sandstein (ca. 1140 v. Chr.) aus dem Neuen Reich (20. Dynastie), eine Königsplastik, die den König in schreitender Pose zeigt, während er mit der linken Hand einen gefangenen Libyer am Haarschopf gepackt hält. Zwischen den Beinen des gefangenen Libyers ist ein Löwe als begleitendes Jagdtier des Königs dargestellt. Die Aussage dieses Sujets, den König als Überwinder der Feinde zu präsentieren, hatte, wie erinnerlich, bei den altorientalischen Völkern seit dem Beginn ihrer Geschichte Tradition.

      Die Besonderheit dieser Rundplastik besteht aber darin, dass der Löwe den vom König am Schopf gehaltenen Libyer frontal angreift und in den linken Oberschenkel beißt; er kämpft also auf der Seite seines Herrn, des Königs, gegen den Feind. Die Aussage dieser Rundplastik steht im krassen Widerspruch zu dem Feindbild „Löwe“ bei den Babyloniern und Assyrern, der als Feind der Herden mit allen Mitteln zu bekämpfen und zu vernichten war.

      Die ägyptischen Herrscher kamen, wie erwähnt, erst wieder in der 18. Dynastie im Zuge ihrer ausgedehnten Kriegs- und Jagdzüge nach Vorderasien mit den Jagdmethoden der assyrischen Könige und damit besonders mit der Löwenjagd in Berührung. Eine Ausnahme in der Jagd der Ägypter, die für ihre Leidenschaft für die Jagd auf Flugwild bekannt waren, war die absolute Schonung des Ibis, des Mondvogels der Ägypter, der als heilig galt. „Ägypten wäre verloren, wenn es nicht von den Ibissen beschützt würde“, schreibt Claudius Aelian18 (um 200 v. Chr.). Bei den beliebten Vogeljagden in den Papyrussümpfen durfte dieser schöne, schneeweiße Vogel nicht bejagt, geschweige denn getötet werden. Er genoss im ganzen Land Verehrung. Seine vorsätzliche Tötung wurde mit Todesstrafe geahndet. Dem Mondgott Thot geweiht, wurde er besonders in Hermopolis, der Stadt, in welcher der Mondgott die Ortsgottheit verkörperte, zum Symbol der heiligen Tiere des ganzen Landes.

      Bemerkenswert ist der Umstand, dass der ibisköpfige Gott Thot im Alten Reich als das Sinnbild der Schrift, des Kalenders, der Zeitrechnung, besonders aber der Weisheit und des Herzens galt. Der Ibis wurde in vielen Tempeln gehalten und letztlich auch nach allen Regeln der Kunst mumifiziert, wobei man ihm durch Einziehen des Kopfes und des Halses eine herzförmige Gestalt verlieh. In vielen Quellen der antiken Literatur ist davon die Rede, dass er jede Menge von Insekten, von der Heuschrecke bis zum Skorpion, aber auch Schlangen vertilgte.

      Im Grab des Pharaos Imhotep (3. Dynastie) in der Stadt Sakkara wurden Tausende Ibis-Mumien gefunden. In Hermopolis wurden Gräbergänge freigelegt, in denen Ibis-Mumien in rund vier Millionen Tonkrügen beigesetzt waren. Auch in anderen Tempeln entdeckte man umfangreiche Ibis-Friedhöfe. Es wird vermutet, dass die zahlreichen Ibisse in den diversen Tempeln der Städte die vielen Abfälle der Fisch- und Fleischläden beseitigt und damit der Sauberkeit und Hygiene einen veritablen Dienst erwiesen haben; nicht zuletzt darauf und wegen der Vertilgung von Heuschrecken und Skorpionen dürfte die große Verehrung dieses


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