Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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       Assyrisches Reich: Königliche Löwenjagd, Nordpalast in Ninive ; 645–635 v. Chr. (Britisches Museum, London)

       Exkurs: Jagd und Krieg bei den altorientalischen Völkern

      Jagd und Krieg bildeten eine Einheit im Denken und Fühlen der altorientalischen Völker. Aber nicht nur im fernen China, auch in Europa waren Jagd und Krieg engstens verbunden; bis in die jüngste Vergangenheit. Staatslenkung, Krieg und Jagd zählten zu den am häufigsten ausgeübten Tätigkeiten des Adels. Diese Konstellation schon am Beginn geordneter Geschichtsschreibung samt ihren bildlichen Darstellungen erinnert an die Diagnose des griechischen Historikers und Staatslenkers Polybios, der als Verfasser einer Weltgeschichte hervortrat. Er vertrat die Auffassung, dass das monarchische Prinzip so tief in der menschlichen Psyche verankert sei, dass es auf Dauer nicht ausgeschaltet werden könne; Demokratie und Republik hingegen seien nur kürzere, manchmal längere Zwischenspiele. Tatsächlich blieb die Jagd über weite Strecken in der Hand der Aristokratie; erst mit der Französischen Revolution wurde dieses Adelsprivileg aufgehoben.

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      Der altägyptische Beamte Nacht beim Jagen und Fischen; in der unteren Bildhälfte sind Szenen der Wein- und Geflügelverarbeitung zu sehen. Das Felsgrab, das 1889 in der Nekropole von Theben-West in Ägypten wiederentdeckt wurde, stammt wohl aus der Zeit der 18. Dynastie (um 1400 v. Chr.). Archäologisch ist es vor allem aufgrund seiner hochwertigen Wandmalereien von Bedeutung.

      Der „Wesenszug der Anstrengung und Leistung, welcher der Jagd in ihrer höchsten Form eignet“, bewirkte, dass man sie immer als ein großartiges Mittel der Erziehung angesehen hat, als eine der vorzüglichsten Methoden, den Charakter zu bilden.

      Die Aussage der zahlreichen bildlichen Darstellungen, die den König als den Überwinder der Feinde zeigen, sind nicht nur im mesopotamischen Raum uralte Tradition; man findet sie in ähnlicher Form bei den alten Ägyptern, worauf noch zurückzukommen sein wird.

      In praxi kam bei der Jagd auf Großwild im Allgemeinen, besonders aber bei der Löwenjagd die wohl effizienteste Waffe der assyrischen Armee, nämlich der Kampfwagen, zum Einsatz, durch den die rasche Überwindung der Fluchtdistanz der Tiere möglich wurde. Vom Jagdwagen aus wurden mit Metallspitzen versehene Pfeile verschossen, was die Wirksamkeit dieser Jagdart (Fernwaffen) noch erheblich erhöhte. Auch hierin zeigt sich die – für das altorienalische Denken prototypische – Einheit von Jagd und Krieg. Die Effizienz dieser Jagd können wir unter anderem einem Bericht des assyrischen Königs Tiglat-pileser I. entnehmen, in welchem sich der König auf das ihm durch die Gunst der Götter geschenkte Jagdglück beruft und die Erlegung von 800 Löwen vermeldet, alle aus dem Jagdwagen geschossen.

      Aufgrund der Ausrüstung aller Jagdteilnehmer mit Panzerhemden und der mit Panzerdecken geschützten Pferde ist davon auszugehen, dass es sich bei den königlichen Helfern um assyrische Krieger handelte, nicht um herkömmliches Jagdpersonal. Während die in Kelach aufgefundenen Reliefs den König als Bogenschützen, im Wagen stehend inmitten waidwund getroffener, von Pfeilen durchbohrter Löwen zeigt, werden in einer anderen Darstellung die angreifenden Löwen von Soldaten unter Einsatz von Lanzen abgefangen, während der König den Schuss mit dem Pfeil nur symbolisch andeutet, da er den in Bewegung befindlichen Löwen offenbar zu treffen nicht in der Lage gewesen wäre.

      Auf einem assyrischen Wandfries in London ist zu sehen, wie die Hundeführer mit ihren mächtigen Molosser Doggen das Wild zusammentreiben. An anderer Stelle wird der König einmal mit Pfeil und Bogen, ein anderes Mal mit Jagdspieß und Schwert gegen den Dämon Löwen, dem Feind aller Herden, kämpfend dargestellt.

      Von Assurnasipal II. wird berichtet, dass dieser nebst diversen anderen Wildtieren 30 Elefanten mit dem Bogen getötet und weitere 275 Wildstiere erlegt habe.17 Nach heutigen Maßstäben ein unglaubliches Ergebnis, bedenkt man die Gefährlichkeit eines waidwunden Elefanten einerseits und die Verwendung von Pfeil und Bogen andererseits.

      Nach erfolgreicher Jagd, überwiegend einer Löwenjagd, erfolgte stets eine Danksagung des Königs an die Göttin Ischtar, der zu Ehren das bereits erwähnte Ischtar-Tor errichtet worden war.

      Der Stellenwert der Jagd in den gewaltigen Militärstaaten der Assyrer und Babylonier zeigt sich nicht nur in den zahlreich erhaltenen bildlichen Darstellungen, sondern auch in den Monumentalbauten von unvergleichlicher künstlerischer Ausgestaltung, die zu Ehren der Jagd errichtet wurden.

       Die Jagd im Alten Ägypten

      Mit Ägypten betreten wir den Boden, auf dem eine der bedeutendsten Kulturen des Altertums, ja unseres Globus’ herangewachsen ist. Die Geschichte dieser Kultur am Nil reicht bis in das 4. Jahrtausend v. Chr. zurück. Aufgrund diverser Funde ist aber anzunehmen, dass die Entwicklung dieser Kultur schon Ende des 5. Jahrtausends v. Chr. einsetzte. Ausgehend von den Anfängen der auf Schriftquellen beruhenden geschichtlichen Überlieferung im Alten Orient, zählt das 4. Jahrtausend nicht zum Altertum, wird aber als Zeit des Übergangs zur Vorgeschichte von der Lehre akzeptiert. Über diese Zeit berichten uns Felszeichnungen, die Tausende Kilometer westlich vom klassischen Siedlungsraum der Altägypter am Nil, nämlich in der westlichen Sahara, entdeckt wurden. Nicht zuletzt aufgrund dieser Felszeichnungen weiß man, dass die Sahara ursprünglich über weite Flächen von Strömen durchzogen und mit Grünland bedeckt gewesen war, dessen fortschreitende Austrocknung ca. Ende des 5. Jahrtausends v. Chr. das Einsetzen der Wüstenbildung zur Folge hatte.

      Damit begann die allmähliche Entvölkerung dieses Siedlungsraumes auf der Suche nach Wasser und ertragreichen Böden. In dem noch dicht bewachsenen „Tal des großen Stromes“ (Nil) mit seinen unzähligen Verästelungen fanden die Ägypter der Frühzeit den Ersatz für ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet. Das Tal des Stromes versprach reichen Ertrag, weil die jährlichen Überschwemmungen die vermissten Niederschläge ersetzten und die vom Nil mitgeführten Senkstoffe das Land stets neu düngten.

      Auf einer in der Westsahara gefundenen Felszeichnung lassen sich mehrere Epochen unterscheiden; die ältesten, die Mammuts darstellen, stammen noch aus der Steinzeit. Das Mammut und die anderen dargestellten Wildtiere untermauern die These von der grünen Sahara. Ob die mit Speer und Schild abgebildete Figur einen Jäger zeigt, ist wohl nicht einwandfrei zu klären, kann aber aufgrund der dargestellten Wildtiere angenommen werden.

      Infolge der erhaltenen schriftlichen und bildlichen Dokumente aus der Geschichte Ägyptens lässt sich die Tradition der Jagd bis in die Zeit des Alten Reiches (2600–2190 v. Chr.) zurückverfolgen. Neben dem Vorrecht der Pharaonen, Nilpferde und Wildstiere zu jagen, zeigen uns bildliche Darstellungen in den Kult- und Opferkammern der Aristokraten und hohen Beamten dieser Zeit, dass sie vor allem der Jagd auf Flugwild und dem Fischfang, besonders in dem an Üppigkeit in Flora und Fauna kaum zu überbietenden Nildelta, ergeben waren.

      Die Treibjagd auf Großwild ist ebenso wie die Verwendung von Fallen ebenfalls bereits für das Alte Reich nachgewiesen. Auf den schon erwähnten Felszeichnungen aus der Sahara und denen, die am Nil gefunden wurden, sind Szenen der Fallenjagd dargestellt. Besonders häufig wurden Trittfallen zum Einsatz gebracht. Eine aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. stammende, in Oberägypten (Nechen) gefundene Wandmalerei zeigt eine kranzförmig angelegte Falle, in der sich Antilopen gefangen haben.

      Bei der Jagd auf Flugwild in der weiten Sumpflandschaft des Nildeltas bediente man sich verschiedener Lockvögel. Hier lagen, wie erwähnt, die bevorzugten Jagdreviere der Ägypter. Fische und Nilpferde wurden aus dem Boot harpuniert. Die Boote waren aus Papyruspflanzen gefertigt, einem damals wichtigen Faserrohrstoff, der auch als unentbehrliches Schreibmaterial Verwendung fand. Die Jagd auf Vogel und Fisch war im Alten, teilweise auch im Mittleren Reich, ein Privileg des Herrschers, welcher der Marschengöttin Sechmet als der Herrin der Jagd und somit der Herrin des Vogel- und Fischfanges diente.

      Die aufwendigen Jagden der Höflinge und hohen


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