Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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wo nicht gesät wurde

       Die Straftatbestände und ihre Entwicklung

       Das ausgerottete Tier

       Die Kommerzialisierung der Jagd

       Ausblick: Die Zukunftsperspektiven der Jagd

       Anhang

       Literatur in Auswahl

       Kataloge

       Nachschlagewerke

       Zeitschriften/Zeitungen

       Anmerkungen

      Vorwort

      Die Geschichte der Jagd ist sowohl eine Geschichte des Menschen und seines Geistes als auch politische Geschichte; vor allem aber ist sie eine Folge seiner Kreativität. Alles andere ist „Naturgeschichte“ im weitesten Sinne des Wortes. Der Mensch ist nicht nur die einzige in seiner radikalen Form unverwechselbare Symbiose eines Wesens, das sich durch pflanzliche und gleichzeitig fleischliche Nahrungsaufnahme am Leben erhält; er ist – und das vor allem – jene exklusive Gattung, die sowohl über Intellekt, darüber hinaus aber auch über das einmalige Geschenk des Geistes und infolgedessen über Kreativität verfügt. Dies mag auch als Erklärung für die Vielfalt jener Handlungsweisen dienen, die gemeinhin als Jagd verstanden werden. In der stereotypen Befindlichkeit tierischen Lebens ist kein Raum für Jagdgeschichte. Die Jagd der Wölfe verläuft stets so gleichförmig wie die Jagd des Leoparden auch; und dies seit unvordenklicher Zeit. Den Menschen begleitet sie seit der Altsteinzeit, der Zeit ohne geschriebener Geschichte, die wir nur aus Funden unterschiedlichster Art, darunter anspruchsvollstem Kulturgut, wie den prachtvollen Höhlenbildern, zu deuten vermögen. Aber gleichgültig, ob graue Vorzeit oder genaue schriftliche Aufzeichnungen über jagdliches Geschehen: Die Jagd war immer da, sie begleitete den Menschen durch alle Unglücksfälle, Querelen und Katastrophen seiner politischen und seiner Geistesgeschichte. So wird es auch in Zukunft sein. Sie fand ihren Niederschlag in allen Ausdrucksformen der Kunst und Kultur, gleichgültig, ob Literatur, Bildende Kunst, Architektur oder Musik. Sie war in heroischen Zeiten heroisch und kampfesfroh, in „besinnlichen“ Zeiten besinnlich; sie war das Pläsier der Oberen, aber auch das Vergnügen des gemeinen Mannes; sie wurde vergöttert, aber auch angefeindet, und die Form ihrer Ausübung war stets – wie alles menschliche Tun – das Spiegelbild ihrer Zeit. Die Jagd als solche aber war nach Ortega y Gasset

      die erste Lebensform, die der Mensch gewählt hat, und das bedeutet, man verstehe dies ganz radikal, dass das Sein des Menschen zuerst darin bestand, dass er Jäger war.

      Dort, wo sie dem Einzelnen oder auch ganzen Menschengruppen in ihrer ursprünglichen Form, aus Gründen welcher Art auch immer, abhandenkam, wurde sie durch andere Formen ersetzt. Es gibt die Jagd nach Ruhm, nach Macht, nach Geld, nach Anerkennung, nach Glück; es gibt die Jagd des Sammlers und – die Jagd nach Wahrheit. „Wie der Jäger in dem absoluten Draußen des Feldes“, konstatiert Ortega y Gasset,

      so ist der Philosoph, der wache Mensch, in dem absoluten Drinnen der Ideen, die auch ein unbezwungener und gefährlicher Urwald sind. Als eine ebenso problematische Tätigkeit wie die Jagd, läuft auch die Meditation immer Gefahr, leer auszugehen.1

      Und auch jene, die sich aus vermeintlich moralischen Erwägungen gegen die Jagd in Gottes freier Natur, der ursprünglichen Form zu jagen, stellen, tun dies in einer, nämlich ihrer Variante innerhalb der unzähligen Möglichkeiten des Jagens; sie sind hinter einer Utopie her, die Wirklichkeit werden soll. Gelänge es, das Jagen an sich abzuschaffen, dann hätte man den Menschen abgeschafft, den Menschen, wie er ist; denn die Eliminierung des Jagens aus dem menschlichen Dasein – wir wollen dieses Szenario einmal theoretisch durchspielen – könnte nur als Ganzes, nicht eingeschränkt auf eine einzige ihrer vielen Spielarten, d. h. als Revision ihres allerersten Daseins, erfolgen. Der Historiker stößt ja mehr und mehr auf elementare Daseinsformen der Spezies Mensch, je weiter er dessen Geschichte zurückverfolgt; proportional dazu nimmt auch die Spezialisierung ab „und wir finden allgemeine Arten Mensch zu sein, mit so wenig Voraussetzungen, dass sie im Prinzip zu jeder Zeit möglich oder fast möglich wären“, d. h., dass sie „als dauernde Möglichkeiten im Menschen fortbestehen. Und das ist es nun, warum wir jagen, wenn wir die ärgerliche Gegenwart satt haben“2, wie es Ortega y Gasset formulierte. Denn als Antriebssysteme der Zivilisation – wohl zu unterscheiden von Kultur (!) –, gelten nicht Not und Mangel, sondern vielmehr Irrationales und Überfluss.

      Wir wollen im Folgenden versuchen, so vorurteilslos wie nur irgend möglich das darzustellen, was dem Menschen von Anbeginn bis zum heutigen Tage begleitet hat, nämlich die Jagd in Gottes freier Natur.

      Was bedeutet Jagd?

       Versuch einer Definition

      Wer sich auf den Weg macht, um den Mutationen der Jagd im Wandel der Zeiten zu folgen, steht alsbald vor der Frage, was denn Jagd eigentlich sei. Die bislang kürzeste Definition dürfte jene von Lindner sein; sie lautet: „Jagd ist zweckbewusste Verfolgung von Tieren.“3

      Gegen diese Definition Lindners, die der Jagd einen rein teleologischen Charakter zuschreibt, haben sich sowohl Ortega y Gasset4 als auch Müller-Using5 gewendet. In seinem Aufsatz „Ethik des Waidwerks“6 betont Müller-Using – wie auch Ortega – den „Beutetrieb als Motor unseres jagdlichen Tuns“. Während Lindner, aber auch Wolfgang von Beck7 in der Jagd ein menschliches Phänomen sehen, ist Jagd Ortega y Gasset und Müller-Using zufolge das, was ein Tier ausübt, um sich eines seiner eigenen Gattung vital unterlegenen anderen Tieres lebendig oder tot zu bemächtigen.

      In der Jagd als Sport – in dem der Mensch gleichsam die Natur nachahmt – erblickt Ortega einen freien Verzicht des Menschen auf die Überlegenheit seines Menschentums; dadurch begründet, dass der Mensch dem Tier einen „Spielraum“ überlässt und sich „Schranken“ auferlegt (beispielsweise im Hinblick auf die Schonzeit).

      Der so gut wie allen Definitionsversuchen gemeinsame Ansatz ist ein visuell wahrnehmbarer Sachverhalt, nämlich das Verfolgen und Bemächtigen; der Denkanstoß für alle Definitionsversuche und letztlich die Definition der Jagd selbst gründen nicht im Abstrakten, intellektuell Spekulativen, sondern in einem faktischen, geradezu greifbaren Ereignis.

      Dieses Ereignis bleibt gattungsgemäß nahezu immer stereotyp; der Wolf jagt seit eh und je im Rudel, der Leopard für sich allein, immer unter Einsatz der gleichen „Waffen“. Anders das vom Menschen praktizierte Verfolgen und Erbeuten. Dieses weist ein hohes Maß an Variabilität auf. Dass der Sachverhalt – Verfolgen und Erbeuten – nicht dem Tatbestand „Jagd“ subsumierbar sein soll, sondern nur als sportliche Nachahmung zu verstehen sei, kann nicht überzeugen. Die Art der Jagdausübung und die dahinterstehende Absicht des Menschen ändern nichts am Grundtatbestand des Verfolgens und Erbeutens.

      Zweifelsohne erfordert die Jagdausübung eine Reihe sportlicher Eigenschaften und Fähigkeiten. Die gänzliche Zuordnung zum Sport ist einerseits keine Definition, sondern eine Qualifikation, das heißtWertung der Jagd. Andererseits sagt Ortega: „der Jäger jagt nicht, um zu töten, er tötet, um gejagt zu haben.“ Er sagt aber auch: „der Jäger bringt den Tod.“8


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