Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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der „Artemis von Versailles“ überliefert. Es handelt sich dabei um eine Replik des griechischen Originals aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert. Die Kopie zählt zu den Beständen des Louvres und war anlässlich der Weltjagdausstellung 1971 in Budapest zu sehen. Der sechste König der Römer, Servius Tullius (578–534 v. Chr.), bekannt wegen seiner rigorosen politischen Reformen, ließ auf dem Aventinischen Hügel in Rom für ganz Latium einen Tempel zu Ehren der Artemis – bei den Römern Diana genannt – nach dem Vorbild des Artemision erbauen. Der Tempel war der Beschützerin der Frauen, der Jagd, der Vegetation und der Göttin des Mondes geweiht. Der Diana-Kult fand seinen Weg bis in die entferntesten Provinzen des Imperium Romanum. In den Ardennen wurden zahlreiche Altäre zu Ehren der Diana gefunden. Auch der keltische Kult zu Ehren der Göttin Arduina wurde letztlich als Diana-Kult weitergeführt.

      Zu erinnern wäre hier auch an den neuen Kult der französischen Könige zu Ehren der Diana. In der Mitte des 16. Jahrhunderts ließ der französische König Heinrich II. (1547–1559) im Schloss Anet eine Weihestätte für die Jagdgöttin errichten. Neben dieser von Benvenuto Cellini geschaffenen Diana sind auch von anderen, weniger berühmten Bildhauern stammende Darstellungen der Göttin erhalten; so die berühmte „Nymphe von Fontainebleau“, gleichfalls im Besitze des Louvre.

      Brot und Spiele: Mensch und Tier im antiken Rom

      Zweifelsohne war die Jagd den Griechen ein Anliegen, denn die Legenden über das Wesen und den Sinn der Jagd wurden im Volk von Mund zu Mund tradiert. Andererseits aber fehlen Aufzeichnungen über die Art und Weise ihres Jagens und auch über die Menge des erbeuteten Wildes (Streckenergebnisse), wie sie aus dem alten Orient, besonders aus Mesopotamien, teilweise auch aus China, erhalten sind.

      Im antiken Rom hatte die Jagd in freier Natur eine nur geringe Bedeutung.21 Mehr wissen wir von den im Zuge der Gladiatorenspiele veranstalteten Kampfjagden der Römer. Die Jagd außerhalb der Arena war im Gegensatz zu den altorientalischen und fernöstlichen Jagdgepflogenheiten jedenfalls einer strafferen rechtlichen Regelung und Positionierung im römischen Rechtssystem unterworfen; die Ausübung der Jagd selbst war im alten Rom frei; es bestanden keine Staatsaufsicht und keine zeitlichen Beschränkungen; auch keine Schonzeiten, keine besonders geschützten Wildarten und keine Reglementierung hinsichtlich der bei der Jagd eingesetzten Hilfsmittel. Die einzige aus der Antike überlieferte Einschränkung finden wir nicht bei den Römern, sondern bei den alten Griechen; im Umkreis der Stadt Athen nämlich war die Nachtjagd verboten, womit eine Ausrottung des Wildes durch gewerbsmäßige Wildbretlieferanten (Fleischmacher) verhindert werden sollte. Die Jagd der Römer galt als ein Aneignungsrecht, das jedem römischen Bürger zustand. Mit vollendeter Okkupation erwarb er das Eigentum am erlegten Wild, welches als herrenlose Sache (res nullius) galt.

      Der Sklave, dem keine Rechtssubjektivität zukam, konnte demgemäß die Okkupation nur für seinen Herrn vornehmen. Dem Schutz des Grundeigentümers wurde durch das ihm zustehende ius prohibendi, ne quis ingrederetur Rechnung getragen, d. h., dass er kraft seines Einspruchsrechtes jeder fremden Person das Betreten seines Grundstückes und damit jede jagdliche Betätigung auf diesem verwehren konnte. Nach herrschender Ansicht beinhaltete dieses Prohibitionsrecht aber kein subjektives Jagdrecht des Grundeigentümers; soll heißen, dass der Jäger wohl auf das Prohibitionsrecht des Grundeigentümers stieß (also zurückgewiesen werden konnte); der Eigentumserwerb an der Beute aber in keiner Weise bedenklich war. Der Begriff des Wilddiebes war dem Römischen Recht unbekannt.

      Nach anderer Meinung wird das Prohibitionsrecht als ausschließliches Jagdrecht des Grundbesitzers gesehen und das Wild als zu den Früchten dieses Grundstückes gehörend. Klar war die Rechtslage bei Jagdgehegen (roboraria, vivaria und leporaria), die ausschließlich von deren (Großgrund-)Besitzern benutzt werden durften. Die Jagd als Betätigung der Oberschichten in diesen Gehegen war juristisch von der Jagd in freier Landschaft abgekoppelt. Die im Gehege lebenden Tiere waren keine Jagdobjekte; sie hatten – in einem umzäunten Raum lebend – ihre Freiheit verloren und waren in den Besitz eines Einzelnen, d. h. des Halters des Geheges, übergegangen: Die Okkupation galt damit als beendet.22

      Römisches Mosaik, die jagende Diana darstellend, ausgegraben in Utica, Hauptstadt der römischen Provinz Africa, 2. Jh. n. Chr.

      Vom eingehegten Wild zu unterscheiden waren die Tiere in eingefriedeten Wäldern (insilvis circum saeptis) die als im Zustand der Freiheit lebend angesehen wurden.

      Um sich die Gunst der Masse zu erhalten, gingen die Mächtigen Roms in zunehmendem Maße dazu über, diese durch Brot und Spiele zu erwerben oder zu erhalten; eine bis heute gebräuchliche Vorgangsweise. Das Mittel dazu waren die Zirkusspiele, unter denen sich – nebst unzähligen anderen Darbietungen – besonders die Tierhetzen und Kampfjagden großer Beliebtheit erfreuten. Sie fanden in dem zwischen den Hügeln des Aventin und Palatin gelegenen, 600 m langen und 200 m breiten Circus Maximus statt. Diese Arena bot in der endgültigen Ausgestaltung 255.000 marmorne Sitzplätze. Die Dauer der Spiele wurde von ursprünglich einem Tag nach und nach auf 14 Tage ausgedehnt. Die Römer jagten (Lebendfang) Raubtiere und Elefanten überwiegend für den Zirkus, um im Kampf mit ihnen ihre Männlichkeit zu beweisen. Am Stiftungstag des Diana-Tempels, dem 13. August, war es auch Sklaven gestattet, als Zuseher an den Ereignissen im Circus Maximus teilzunehmen; ein Feiertag für Sklaven. Man unterschied Kampfjagden der Gladiatoren mit wilden Tieren und Tierkämpfe, etwa zwischen einem Nashorn und einem Elefanten, einem wilden Stier und einem Tiger oder einem Bären und einem Büffel. War dieser Teil der Spiele vorbei, so verwandelte man den Schauplatz in einen künstlichen Wald, in dem man bemüht war, tunlichst aufregende Jagden zu inszenieren, wobei die „jagenden Gladiatoren“, mit Spieß und Bogen bewaffnet, von einer Hundemeute begleitet wurden. Anstelle dieses verwegenen Spiels mit Leoparden, Tigern, Bären und Stieren hat man gelegentlich auch Herden von Antilopen und Giraffen in die Arena getrieben und dort mit Pfeilen und Lanzen erlegt. Unter den Flaviern wurde das heutzutage weltweit bekannte Kolosseum, ein vier Stockwerke hoher Ovalbau, für 50.000 Menschen erbaut. Das mit allen technischen Raffinessen ausgestattete Bauwerk bot auch die Möglichkeit zur Aufführung der beim Publikum äußerst beliebten Naumachien, d. h. von Seeschlachten, zumal die Arena wasserdicht gemacht und mithilfe eines raffinierten Kanalisationssystems innerhalb kurzer Zeit mit Wasser gefüllt werden konnte. In den Kellern des Kolosseums wiederum befanden sich die Gehege und Stallungen für die Tierhaltung.

      Die Ausbildung der Kämpfer für die Kampfjagden erfolgte in zwei Gladiatorenschulen, die sich in Capua und Ravenna befanden. In diesen Schulen wurden auch Gladiatoren für den Einzelkampf gegen gefährliche Tiergattungen, die bestiarii, ausgebildet. Einem Bericht des römischen Historikers Titus Livius (59 v. Chr. bis 17 n. Chr.) zufolge wurden bei Kampfspielen in der Zeit des ersten römischen Kaisers Augustus insgesamt 10.000 Gladiatoren eingesetzt und 3.500 afrikanische Wildtiere getötet.

      Interessant ist ein Bericht von Plinius (Offizier, Flottenkommandant, Staatsbeamter, Historiker und Schriftsteller), der in seiner „Naturalis historia“ (Naturkunde), einer Enzyklopädie in 37 Büchern, darüber berichtet, dass bei diesen Kampfspielen auch Elche aus den Waldgebirgen der „Barbaren“ nach Italien geholt wurden.

      Auch Julius Caesar berichtet in seinem allen ehemaligen Lateinschülern bekannten Buch „De bello gallico“ (V. Buch) Einzelheiten über die Begegnungen mit Elchen und die Fangmethoden, wie sie ihm von den Einwohnern geschildert wurden.

      Die Armee war unter anderem damit beauftragt, während ihrer Feldzüge auch wilde Tiere für die Schaukämpfe in Rom zu „requirieren“. Der griechische Geograph und Historiker Strabon (etwa 64/63 v. Chr. bis um 20 n. Chr.) berichtet in seinen Reiseaufzeichnungen von römischen Expeditionen nach Zentralafrika und in die arabische Wüste, von Entdeckungsreisen auf dem Atlantik bis hin zu den Kanarischen Inseln und in den Nordatlantik hinein.

      Daneben gab es den lanista, einen Manager, Unternehmer und Fechtmeister zur Ausbildung der Gladiatoren, der auch mit der Beschaffung wilder Tiere befasst war. Der rege Handel mit Großtieren aus aller Herren Länder


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