Verlierer auf Erden, Gewinner im Himmel. Gabriel Magma

Verlierer auf Erden, Gewinner im Himmel - Gabriel Magma


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      Trotz der hartnäckigen Bemühungen meiner Eltern versagte ich in fast allen Fächern. Mit vierzehn Jahren wechselte ich zu einer Schule, die auf musische Fächer spezialisiert war. Dort fiel mir das Lernen leichter. Ich hatte Unterricht bei einem fantastischen Musiklehrer, der mir das Gitarrenspiel beibrachte.

      Meine Eltern waren überglücklich darüber, dass ich endlich in eine Schule ging, von der ich nicht mehr weglaufen wollte. Dort lernte ich nicht nur, ein Instrument zu spielen, sondern auch eigene Stücke zu komponieren. Und da meine Lieder offenbar gut ankamen, beschäftigte ich mich während meiner Jugendjahre vor allem mit dem Komponieren. (An dieser Stelle setzte ich auf meiner Liste ein Plus-Zeichen, da ich gelernt hatte, ein Instrument zu beherrschen und Lieder zu komponieren.)

      Ich wohnte in Liverpool, der Stadt der Beatles, und glaubte, es könne mit ein wenig Talent nicht so schwierig sein, Erfolg zu haben. Und wirklich brachte ich mit zwanzig Jahren mein erstes Solo-Album heraus. Doch zugleich zerstörte ich dadurch das Leben von zwei Menschen.

      Kerry lernte ich in einer der örtlichen Szenekneipen kennen, in denen ich erstmals öffentlich mit meiner Gitarre auftrat. Als ich erfuhr, dass ihr Vater Duncan Fierce war, der Musikproduzent, der die Band Oasis entdeckt hatte, setzte ich alles daran, Kerry für mich zu gewinnen. (Ein Minus-Zeichen, da ich mit Kerry nur das Ziel verband, sie für meine Zwecke einzuspannen.)

      Kerry verliebte sich sofort in mich. Drei Tage nach unserer ersten Begegnung ließen wir uns die gleichen Piercings machen – als Zeichen dafür, dass wir immer zusammenbleiben würden. Ich hätte ehrlich sein und ihr sagen sollen, dass ich mich mehr für ihren Vater als für sie interessierte, das ist mir bewusst. Aber einen solchen Musikproduzenten wie Duncan Fierce an meiner Seite zu haben, betrachtete ich als einmalige Chance. (Ein Minus, da ich Kerry etwas vortäuschte, das ich nicht empfand.)

      Ich würde mir ja gern vormachen, dass Duncan mir nicht vorgeschlagen hätte, ein Album aufzunehmen, wäre ihm an mir nicht irgendein Potenzial aufgefallen. Doch in Wahrheit schlug er mir das erst vor, als Kerry ein Kind von mir erwartete. (Ein Minus, weil ich nicht für Verhütung gesorgt hatte.) Er verpasste mir sogar den Künstlernamen »Matt Kerr«, um mich daran zu erinnern, dass ich die Plattenproduktion allein Kerry verdankte.

      Meinen Eltern gefiel die Aussicht, so bald Großeltern zu werden, zwar ganz und gar nicht, trotzdem boten sie mir jede nur erdenkliche Hilfe an. Mir war die Vaterschaft eigentlich auch zuwider, doch ich willigte in die Heirat mit Kerry ein, da sie mir nachdrücklich klargemacht hatte, dass ihr Vater mir nur dann unter die Arme greifen würde. (Ein weiteres Minus dafür, dass ich Kerry aus reinem Egoismus geheiratet habe.)

      Und so nahm ich mein erstes Album mit gerade mal zwanzig Jahren und bereits verheirateter Mann auf. Duncan und sein Team brachten mir alles bei, was ich für eine solche Produktion wissen musste. Bei den Aufnahmen mussten wir vieles neu arrangieren und ändern, damit die Instrumentalisierung und meine Stimme gut klangen, aber letztlich rechtfertigte das Ergebnis die ganze Mühe. Den Rest erledigte das Heer von Duncans Marketing-Leuten, und wir verkauften dann tatsächlich 180.000 Exemplare des Albums. Die Marketing-Leute schafften es auch, mich in drei verschiedenen Fernseh-Shows unterzubringen. Und die Konzerttour durchs ganze Land erwies sich sogar als recht profitabel. (Ein Plus dafür, dass ich mit dem, was ich liebend gern tat, Erfolg hatte.)

      Da für mich jetzt alles so gut lief, begann ich auch, anderen Menschen Gutes zu tun. Beispielsweise trat ich bei Wohltätigkeitskonzerten auf und sogar in einer Fernseh-Show, die mit einem Spenden-Marathon für soziale Zwecke verbunden war. Ich half auch meinem Nachbarn Rob. Er arbeitete in einer Autowerkstatt und kam nicht gut mit seinem Chef aus. Deshalb lieh ich ihm so viel Geld, dass er eine eigene Werkstatt aufmachen konnte. (Ein Plus dafür, dass ich andere Menschen – einschließlich meines Nachbarn – unterstützte, denen es nicht so gut ging wie mir.)

      Meine Eltern waren stolz auf das, was ich erreicht hatte, aber nun begann sich mein Erfolg auch auf meine Schwester Claire auszuwirken. Sie begann meinen Kleidungsstil nachzuahmen, bat mich, ihr das Komponieren beizubringen, und traf sich sogar regelmäßig mit dem Schlagzeuger meiner Band.

      Ich fühlte mich wie ein König und war davon überzeugt, dass meine Karriere gerade erst richtig angefangen hatte – doch in Wahrheit stand sie bereits kurz vor dem Ende. Ich war einfach zu jung, und die vielen verrückten Fans gaben mir das Gefühl, tatsächlich Talent zu besitzen. Ich wurde arrogant, begann, mit weiblichen Fans zu schlafen und mir Kokain reinzuziehen. Das Schlimmste daran war, dass Kelly, als sie es herausfand, völlig außer sich geriet und fast das Baby verloren hätte. (Ein Minus für meinen Drogenkonsum, meine Untreue und die Tatsache, dass ich damit das Leben unseres Kindes aufs Spiel setzte.)

      Ich flehte um Vergebung, schwor Kelly, dass ich zur Ruhe kommen würde. Sie verzieh mir in der Annahme, dass sich alles ändern würde, sobald ich unser Baby zum ersten Mal sah. Doch mit Spencers Geburt änderte sich nichts. Ich war einundzwanzig und wollte keine Verantwortung übernehmen, sondern nur in meinem Ruhm schwelgen und Spaß haben.

      Als Spencer sechs Wochen alt war, entdeckte Kerry ein Foto in einer Musikzeitschrift, auf dem ich ein Mädchen im Arm hielt. Noch am selben Tag wechselte sie unsere Türschlösser aus und schickte mir einen Koffer mit all meinen Klamotten. (Ein Minus dafür, dass ich Kerry weiterhin betrogen hatte und damit unsere Ehe zerstörte.)

      Ich versuchte Kerry zu erklären, dass ich bei diesem Foto auf Drogen gewesen sei und gar nicht mehr gewusst hätte, was ich tat. Aber das gebrannte Kind scheut bekanntlich das Feuer, sodass Kerry mir meine Beteuerungen nicht mehr abnahm. Und natürlich wollte mich ihr Vater Duncan nun nicht mehr als Produzent vertreten und kassierte alle Einnahmen aus der Konzerttour und dem Verkauf meines Albums ein, um die Kosten für alles, was er in mich investiert hatte, abdecken zu können. Vergeblich hielt ich nach einem Produzenten für mein nächstes Album Ausschau, also beschloss ich, es allein auf den Markt zu bringen. (Ein Plus dafür, dass ich die Sache nun selbst in die Hand nahm.)

      Kerrys Rechtsanwalt forderte mich auf, mit einem Teil meines Einkommens für meinen Sohn Spencer aufzukommen. Aber da Kerry mir jede Besuchserlaubnis verweigerte, sah ich nicht ein, für Spencers Erziehung zu zahlen. (Ein Minus, weil ich mich von jeder Verantwortung für mein Kind freisprach.)

      Um mein neues Album aufnehmen und dafür Werbung machen zu können, musste ich meine Eltern um Geld bitten. Anfangs weigerten sie sich, da sie ein solches Darlehen für riskant hielten, aber ich setzte sie unter Druck und versprach, ihnen jeden einzelnen Penny zurückzuzahlen. Schließlich nahmen sie eine Hypothek auf ihr Haus auf, um mir 80.000 englische Pfund zu leihen. (Ein Minus, da ich meinen Eltern eine riskante Investition aufdrängte.)

      Schließlich konnte ich mein zweites Album aufnehmen und schloss einen Vertrag mit demselben Team ab, das auch bei meinem ersten Album alle musikalischen Arrangements beigesteuert hatte. Alles Geld, das noch übrig war, investierte ich ins Marketing. Es gelang mir – selbstverständlich mit einer Bestechungssumme –, einen meiner Songs bei einem Radiosender als Nummer drei in den Pop-Charts zu platzieren, der meinen Song dann zwei Wochen lang häufig spielte. Aber das brachte mir nichts. Das ganze Album fiel trotzdem durch und die Konzerttour war schlicht eine Katastrophe.

      Als die Musiker und Tontechniker meines Teams merkten, dass kaum jemand meine Konzerte besuchte, verlangten sie von mir, sie unverzüglich zu bezahlen.

      Also bat ich meine Eltern um einen weiteren Kredit und beglich mit dem Geld meine Schulden.

      Ich spielte alle meine Verbindungen aus, um meine Konzerte öffentlich bekanntzumachen. Trotzdem tauchte kaum jemand bei diesen Gigs auf, was mir völlig unbegreiflich war. Immerhin hatten die Musiker mir gesagt, mein zweites Album sei viel besser als das erste. Aber niemand wollte es kaufen. Ebenso wenig verstand ich, wieso die Leute, denen meine Musik während der ersten Tournee offenbar sehr gefallen hatte, sie zwei Jahre danach nicht mehr hören wollten.

      Die Mühe, die ich in das zweite Album gesteckt hatte, erwies sich als völlig nutzlos. Das raubte mir schließlich jegliche Energie und Selbstachtung. In mir setzte sich der Gedanke fest, dass meine Musik nichts taugte und mein erstes Album nur deshalb Erfolg gehabt hatte, weil mein Schwiegervater damals so viel Geld in die Werbemaßnahmen


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