Heißes Blut. Un-su Kim
ja nicht so, dass ich ihm nichts geben will. Aber Ami ist sehr sensibel, und es würde ihm viel bedeuten, dass sich Vater Son persönlich um ihn kümmerte.«
»Mann, du kannst vielleicht ein Phrasendrescher sein. Also gut, dann übernehme ich das. Du kannst dir das Geld bei mir im Büro abholen.«
»Sagt mal, stimmt es eigentlich, dass Ami ein echtes Riesenmonster ist, ein Meter neunzig groß und hundertzwanzig Kilo schwer, und dass er im Kampf trotzdem wie ein Schmetterling um seine Gegner herumflattert?«, schaltete sich Dodari plötzlich wieder ein.
»Er flattert nicht nur. Er ist auch so flink wie ein Eichhörnchen.«
»Also ein leichtfüßiges Riesenmonster?«
»Und ob! In den fünfzig Jahren seit der japanischen Herrschaft habe ich die irrsten Typen gesehen, aber keinen, der so gefährlich war wie Ami. Wer war das neulich noch, dieser Typ aus Wollong? Dieser Mistkerl von Zuhälter mit seinem Armeespaten mit diesem roten Band am Griff? Ich weiß nicht mehr, wie er heißt.«
»Hojung?«
»Ja, genau, Hojung. Also, dieser Hojung ist mit seiner Bande in der Bar von Amis Mutter aufgetaucht, und sie haben angefangen, den Laden auseinanderzunehmen. Na, die haben sich vielleicht massakrieren lassen, dreizehn von denen mussten ins Merinol-Krankenhaus in die Notaufnahme gebracht werden. Falls du irgendwann mal in der Nähe bist, wenn Ami wütend wird, hau sofort ab. Wenn er wütend wird, macht er alles, was ihm in die Quere kommt, zu Kleinholz – ganz egal, ob es ein Mensch oder ein Möbelstück ist.«
»Wenn du mit dem in Berührung kommst, bist du sofort tot. Und wenn du glaubst, es wäre noch mal gut gegangen, bist du sechs Wochen später tot«, fügte Huisu lächelnd hinzu.
Dodari drehte sich zu Gangcheol um. »Und wenn er sich mit dem da prügelt, was gibt das? Unser Gangcheol hat immerhin bis zur 10. Klasse geboxt. Bei den Nationalwettkämpfen hat er Bronze gewonnen.«
Vater Son und Huisu musterten Gangcheol und lachten.
»Hast du mir nicht gesagt, er wäre ein bisschen einfältig, weil er als Kind Typhus hatte?«, fragte Huisu und fügte nach einem weiteren Blick auf Gangcheol hinzu: »Nicht mal eine Truppe von hundert Kerlen wie er könnte Ami etwas anhaben.«
»Natürlich nicht! Wie soll ein Mensch einem Riesenmonster auch etwas anhaben? So ein Kampf verstößt gegen die Menschenrechte«, sagte Vater Son.
»He, Gangcheol, beweg dich mal her«, sagte Dodari.
In unterwürfiger Haltung kam Gangcheol an den Tisch.
»Wie groß bist du?«, fragte Dodari.
»Ein Meter siebenundachtzig.«
»Und wie viel wiegst du?«
»Neunundsechzig Kilo.«
»Okay, das Gewicht kannst du vergessen, aber die Größe ist ungefähr gleich. Hast du Ami schon mal gesehen?«
»Noch nie persönlich, aber ich habe von ihm gehört.«
»Der ist ’ne echte Legende, der ist für uns ins Gefängnis gegangen, da warst du noch gar nicht hier. Er wird ein oder zwei Jahre jünger sein als du, wiegt aber doppelt so viel, hundertzwanzig Kilo oder so. Was glaubst du? Meinst du, du könntest gewinnen, wenn ihr gegeneinander kämpft? Wenn du’s irgendwann schaffst, Ami mit bloßen Händen zu besiegen, bist du an der Reihe und wirst in Guam zur Legende. Reizt dich das nicht?«
Gangcheol lächelte artig. »Meine Mutter hat mir immer gesagt, ich soll die Fäuste stillhalten und nicht mit so was angeben, und bis jetzt habe ich mich auch wirklich zurückgehalten, aber …«
»Dann halt dich weiter zurück«, schnitt Huisu ihm das Wort ab.
»… bei Schlägereien war ich immer der Beste«, brachte Gangcheol seinen Satz beleidigt zu Ende.
»Sogar gegen den Hundertzwanzig-Kilo-Brocken Ami, meinst du?«, fragte Dodari mit aufgerissenen Augen.
»Wenn man schwer ist, wird man langsam und schlaff, dann ist man kein guter Kämpfer. Nur Idioten lassen sich mästen. Echte Kämpfer haben einen leichten, beweglichen Körper, so wie ich.«
»Willst du damit sagen, dass du Ami besiegen kannst?«
»Wenn ich an meine eigenen Erfahrungen denke und die wissenschaftlichen Statistiken berücksichtige, dann würde ich sagen, ja, theoretisch, wenn nichts Überraschendes passiert, müsste eher ich gewinnen. Glauben Sie nicht?«
»Ah, so ein Früchtchen, er ist wirklich sehr lustig!«
Vor lauter Gelächter über Gangcheols Selbstbewusstsein wäre Vater Son fast das halb zerkaute Fleisch aus dem Mund gefallen. Auch Huisu und Dodari lachten. Gangcheol, der mit rotem Gesicht vor ihnen stand, konnte den Grund für ihre Heiterkeit nicht verstehen.
Endlich wandte sich Vater Son wieder zu ihm und fragte: »Gangcheol, wie geht es deiner Mama?«
»Gut, ihr geht es gut.«
»Du willst doch viel Geld verdienen und dich gut um sie kümmern, oder?«
»Ja, ich will ein guter Sohn sein.«
»Ich gebe dir jetzt einen Rat. Dieser Rat ist zu deinem Besten, behalt ihn immer im Hinterkopf. Wenn du weiterhin ein guter Sohn sein willst, der seiner Mama treu ergeben ist, dann lass dich auf keinen Fall bei Ami blicken. Denn um dich weiter um deine Mama zu kümmern, ist es ja vor allem wichtig, dass du am Leben bleibst, habe ich nicht recht?«
Gangcheol nickte schweigend.
»Lass dich also niemals, hörst du, niemals bei Ami blicken. Hast du verstanden? Ja?«, insistierte Vater Son, als brauchte er unbedingt Gangcheols Bestätigung.
»Verstanden«, murmelte Gangcheol.
»Willst du ein bisschen Fleisch?«, fragte Vater Son.
»Nein, nein.«
»Gut, kannst du dich dann ein bisschen entfernen? Wir haben was unter Erwachsenen zu besprechen.«
Während Gangcheol sich in eine Ecke zurückzog, sagte Vater Son zu Dodari: »He, was sollte das gerade, was stachelst du den Jungen so an?«
»Ach, nur so … War doch lustig, oder?«
Eigentlich hatte Huisu nicht schon mitten am Nachmittag mit dem Trinken anfangen wollen, aber das viele Fleisch weckte seine Lust auf Alkohol. Er leerte ein paar Gläser Wodka und bestellte, da die Lust immer größer wurde, noch eine Flasche. Vater Son, der eigentlich schon seit Langem keinen Alkohol mehr anrührte, schloss sich ihm an. Nach ein paar Gläsern fing er an, sich über die goldenen Zeiten von Guam auszulassen, damals, als das Geld nur so sprudelte, ihm aus allen Taschen quoll und die Frauen so verrückt nach ihm waren, dass er keine Nacht ausließ und sein Schwanz irgendwann vor Erschöpfung nicht mal mehr pissen konnte – Geschichten über Geschichten, alle frei erfunden. Wenn man ihn so munter trinken sah, hätte man ihm problemlos weitere fünfzig Lebensjahre zugetraut und nicht geglaubt, was Yangdong behauptete, dass er nämlich wegen eines schweren Leberschadens mit einem Fuß im Grab stand. Ausgelassen bestellte Vater Son die dritte Flasche Wodka. Die Sonne stand noch hoch über ihren Köpfen. Als die vierte Flasche kam, waren Vater Son und Huisu betrunken und Dodari kurz vorm Alkoholkoma.
»Ist es nicht herrlich, bei einem guten Glas zusammenzusitzen und dieses köstliche Fleisch zu essen«, sagte Vater Son.
»Ja, es ist wirklich köstlich«, antwortete Huisu.
»Wir sollten das häufiger machen. Immerhin seid ihr beide, du und der Schwachkopf Dodari, die einzige Familie, die ich noch habe«, fügte Vater Son hinzu.
Huisu sah ihn an. Was wollte er damit sagen? Das vom Alkohol gerötete Gesicht des Alten strahlte heute eine seltsame Ruhe aus. Schon seit Langem hätte Huisu gern gewusst, was Vater Son in Bezug auf das Hotel Mallijang vorhatte. Die Vorstellung, dem Idioten Dodari das Hotel zu vererben, machte Vater Son zu schaffen, denn er fürchtete – zu Recht, wie Huisu fand –, dass sein Neffe sich austricksen lassen würde. Man brauchte Grips, um