Das Zillebuch. Hans Ostwald
Mit herzlichem Weihnachtsgruß und allen guten Wünschen unserm lieben und verehrten Herrn Heinrich Zille
W... C... und B... W... Weihnachten 1924
*
Ein sehr hübsches Gedicht bekam Zille von einem Mann, den er bei seinen Fahrten durchs »Milljöh« kennengelernt hatte. Auch hier seien Anfang und Ende wiedergegeben. Hier haben wir gleich den heiteren Widerhall von Dingen, die in einigen folgenden Abschnitten – »Zille und seine Modelle«, »Wenn man berühmt ist« usw. – berührt werden.
Lieber Onkel Heinrich höre
Und verzeihe, wenn ich störe,
Aber ich und meine Olle,
Wir bekamen eine Stolle.
Chemnitz/Sachsen, Anton Müller,
Sandte als Befehls-Erfüller,
Wunschgemäß, in Deinem Namen,
Was wir gestern nun bekamen.
Dieserhalb und derowegen
Wünschen wir Dir Glück und Segen,
Wollen wir uns auch bedanken,
Doch die Sendung traf 'nen Kranken!
Denke Dir, ich armer Schlucker
Laboriere jetzt an Zucker,
War ja stets ein süßer Junge,
Pflegte Gaumen stets und Zunge.
Wenn ich mir das recht bedenke,
Krieg' ich allemal die Kränke,
Möcht' mit »Dichten« mich beeilen
Und sche die n.
verman denn Zeile
*
Käte, wegen ihrer Gicht,
Darf sie gleichfalls essen nicht.
Doch ich bin der Lösung Finder,
Gibt es denn nicht arme Kinder?
Ja wir werden sie verteilen
Und in Freude bei verweilen,
Wenn die kleinen Krabben schlingen,
Werden wir ein Liedchen singen.
Auf das Lied, das altbekannte,
Singen wir 'ne Variante:
18. »Mutta, wächst so ne Wurscht immer wieder?«
Nach dem Original.
Zille Nacht, heitere Nacht,
Die uns den Humor gebracht,
Die uns lachend ertragen lässt,
Lachend das Elend am Weihnachtsfest.
Lachen, das bringt uns Ruh,
Zille, ein Zaub'rer bist Du!
So, mein lieber Onkel Zille,
Klingt der Gruß aus uns'rer Stille,
Nimm' ihn frohen Herzens an,
Denke uns'rer dann und wann!
Karl Maria Völkel.
*
Eine große Zahl von kennenswerten Gedichten brachte dem Meister sein siebzigster Geburtstag. Eine sehr bekannte Vortragskünstlerin schrieb ihm:
An den großen Meister!
Wenn ich nicht war an Grippe erkrankt,
So kam ich zu Dir raufgewankt
Und hätt' Dich als 70er bewundert.
Und so ruf ich nur: Zille bis 100!
Ich wollt' mein Haupt in Deinen Sauerkohl drücken,
Aber du bist ja nicht sehr für ältere Zicken.
Darum schick' ich lieber 'n paar Pullen Mosel hin,
Das ist doch sicher mehr nach Deinem Sinn.
Also bis 100! vielleicht wer'n wir dann
Beide ein Paar – –
Zilleken, das wäre doch wunderbar.
Bis dahin drückt Dir in Verehrung die Hand
Deine Dich liebende
Söneland.
*
Ein Arzt schrieb:
Altmeister Zille zum 70. Geburtstag.
Heinrich heeßt er,
Der große Meester.
Dient als Lito-Graf
Treu und brav
Nur des Volkes Kunst
Und steht hoch in dessen Gunst.
Ihm gehört sein warmes Herz.
Mit ihm teilt er Freud und Schmerz.
Dufte Jungen, leichte Maid
Zeichnet er stets stiftbereit,
Frauen, dick mit ohne Linie,
Andre schlank wie eine Pinie.
Kesse Kinder, kugelrund,
19. »Was Junge – du rauchst?! Ich sollte dein Vater sein!« – »Det kenn' Se hab'n – Mutta is Witwe.«
Nach dem Original.
Nicht gefallen auf den Mund,
Kommen fix,
Machen einen Knix:
Mutta, die is sehr dafür,
Dass man Dir gratulier'.
Hab' für Deine Güte Dank,
Bleibe lang noch mang uns mang.
Und Gott Vater in der Höh'
Erhalt' gesund Dich unserm »Milljöh«.
Ja, beim Meister Zille kann man's sehn:
Es muss der Zeichner mit dem Volke gehn.
Dr. Sch.
*
Und ein anderer Arzt wusste das Fest des 70. Geburtstages recht humorvoll zu schildern:
An Vater Zillen .
Heit liejen de Briefe hochaufjeschichtet.
Se ham Dir stillen, bescheidenen Mann
Von oben bis unten angedichtet,
Und Du heerst allens jeduldig an.
Se ham Dir jemalt, radiert und jekurbelt,
Dir ooch noch interwivt hinterher;
Und Du – Du denkst Dir, festlich umwirbelt:
Wenn bloß der Klamauk schon vorieber wär'! –
Sonst lebste so ruhig, sonst lebste so heißlich –
Heit holen se Dir schon frieh aus dem Bett.
Zu nischt haste Zeit mehr! 's is jradezu scheißlich.
Se warten uff Dir schon vor dem Klosett.
Et kommt von de Acker- und Linienstraße
Der Orje, der Ede, der Fritz, die Marie; –
Die scheenen Blumen! Keener verjaß se!
Et kommt sogar »Max« von de Akademie.
Und dann de Vereine, jroße und kleene –
Wie sich det Volk uff de Treppe steeßt! –
Und Brennert und Ilyan und Heilborn und Behne,