Der Virus-Code. J. Zgb.
sie sich mit ihren schneeweißen Händen geradezu an Muttererde Terra.
„Hast du auch immer Zoff mit deiner Schwester?“, fragt er Theia und schaut sie verständnisvoll an.
„Ach, weißt du“, antwortet Theia und beugt sich – auf einmal ganz schlank – nach vorn zu Benni, „wir sind nur Halbschwestern und ich war früher ein eigener, sehr temperamentvoller Planet. Ich konnte viel schneller tanzen als Muttererde Terra und habe mich so schnell gedreht wie ein Wirbelwind.“
Sie will Benni eine Drehung vormachen, aber es gelingt ihr nicht, sie hängt mit ihren endlos langen silbernen Haarstrahlen an Muttererde Terra fest.
„Damals sind wir einmal ganz feste zusammengestoßen“, sagt sie und zieht und zerrt dabei an den silbernen Fäden „und bei diesem Unfall wäre ich fast draufgegangen. Damals hat mir Muttererde Terra einiges an Gestein gespendet, sozusagen ein paar Organe transplantiert, wie die Menschenmenschen das heute nennen würden. Das hat mir das Leben gerettet, aber seitdem bin ich für immer mit ihrer Energiebahn verbunden.“
Benni nickt. „Verstehe ich gut“, sagt er, „Muttererde ist die Große und du fühlst dich manchmal ganz schön klein und mies. Habe ich recht?“
Theia nickt leicht, doch im nächsten Augenblick wirft sie ihre silberne Lockenpracht über die Schulter, ergreift den Saum ihres bodenlangen silbernen Kleides, breitet die Arme aus und zeigt ihre volle, hell strahlende Schönheit, sodass Benni vor Entzücken ausruft: „Oh, so schön wie der leuchtende Vollmond am schwarzen Himmelszelt! So schön“, singt er eine kleine Melodie, „so schön!“
Jetzt lächeln beide, Theia und Muttererde Terra.
„Siehst du“, sagt Muttererde Terra zu Theia, „die Menschenkinder lieben dich, du musst also gar nicht eifersüchtig auf mich sein.“
Theia lässt ihre Arme wieder sinken und sieht ihre Halbschwester lange und ernst an. Dann schüttelt sie den Kopf. „Aber die Menschenmenschen verehren mich gar nicht mehr“, sagt sie seufzend. „Für die bin ich nur noch ein Trabant der Muttererde Terra, auf den man alle möglichen Gerätschaften hinaufschießt, in dessen Staub man herumwühlt und auf dem man vielleicht sogar eine Müllkippe einrichten möchte.“ Sie stampft mit ihren Silberschühchen auf. “So geht das nicht! Die Universianer haben recht! Lasst uns die Menschheit auslöschen, wir sind doch Millionen von Jahren auch ohne sie klargekommen!“
„Ja, löschen wir sie aus!“, schreit Stellarus, und seine Universianer grölen einstimmig: „Auslöschen, auslöschen!“
„Wir löschen sie aus und entwickeln eine neue Menschheit!“, schlägt Stellarus vor und lässt seine Zacken glitzern und funkeln. Die ganze Sternenmeute ist aus dem Häuschen und begeistert sich mit tosendem Kriegsgeheul.
Benni dreht sich zu den kreischenden und tobenden Universianern um, er muss schlucken, aber er ist sehr wütend und hat jetzt keine Lust, als Heulsuse dazustehen. Er stampft mit dem Fuß auf den Boden, und Mo springt auf und bellt Stellarus wütend an.
Da klatscht der oberste der Devas in seine Hände, sodass es wie ein Donner über die ganze Wiese dröhnt. Mit einem Mal sind alle still.
Benni nimmt seinen ganzen Mut zusammen. „Habt ihr vielleicht auch einmal an mich gedacht? An mich, meine Mutter, meinen Vater, meine Oma und meine Schwester? Wenn ihr alle auslöschen wollt, dann müsst ihr aber gleich mal mit mir anfangen!“, ruft er wütend in die Runde und seine Augen sprühen Funken vor hilflosem Zorn. Er dreht sich um und stapft ein Stück den Wiesenhang hinauf, dann wendet er sich um und schaut zurück. „Und denkt ja nicht“, faucht er, „dass ich auch nur noch ein einziges Mal ein Lied über die Sterne und den Mond singe! Das könnt ihr euch abschminken!“
„Benni, so bleib doch“, ruft ihn der oberste der Devas zurück, „nichts geschieht ohne die Zustimmung der höchsten Mächte.“
Benni sieht ihn an und die warme, wunderbar wohltuende Kraft, die von dem Deva ausgeht, umgibt ihn wie die Wolldecke, die seine Oma immer um seine Schultern legt, wenn sie ihm ein Märchen vorliest. Langsam geht er wieder den Hang hinunter und setzt sich in seinen verflochtenen Baumkorbsessel. „Wir haben dich gerufen“, setzt der Deva seine Rede fort, „weil wir mit dir zusammen die Probleme lösen wollen.“
Der Beschluss
„Und wie wollt ihr die Probleme nun lösen?“, fragt Benni und schaut von einer Gruppe zur anderen.
Der Globant macht einen Schritt auf Benni und Muttererde Terra zu und streckt ihnen seinen Eisenstab entgegen. Jetzt sieht Benni, dass der Stab oben mit einer Kappe verschlossen ist und wohl kein Stab, sondern eher ein langes Rohr mit einem Inhalt ist.
„Da, hier drin steckt die Lösung!“, erklärt der Globant mit dröhnender Stimme. Er fuchtelt mit dem Rohr vor Bennis Nase herum und hält es ihm schließlich hin. „Dreh du mal bitte den Deckel ab“, kommandiert er, „dann wirst du sehen, was in meinem Zauberstab steckt“, und ein breites, nicht besonders schönes Grinsen huscht über sein kantiges Gesicht.
Benni greift nach dem Eisen und will den Deckel abschrauben.
„Halt! Halt, Benni!“, gebietet plötzlich Muttererde Terra. „Warte!“ Sie erhebt sich von ihrem Baumgeflechtthron, kommt zu Benni und schaut ihm tief in die Augen. Benni wird plötzlich ganz müde, ihm fallen die Augen zu, aber er reißt sich zusammen und wehrt sich dagegen. Schlaftrunken hört er Muttererde Terra sagen: „Mein Menschenkind, höre und sprich mir nach:
„Sanctus sanus est!“
Benni flüstert: „Sanctus sanus est.“
Muttererde Terra nimmt Bennis rechte Hand und fährt mit ihrer Hand über Bennis Handteller. „Gut so, mein Menschenkind, nun sprich: Sanitas sancta est!“
Benni wiederholt: „Sanitas sancta est!“
Muttererde Terra hält nun seine linke Hand und streicht mit den Fingern ihrer rechten Hand über seinen Handteller. „Der Heilige ist gesund, die Gesundheit ist heilig“, spricht sie und legt dabei beschwörend zwei Hände auf Bennis Kopf.
„Nun bist du geschützt und kannst das Eisenrohr des Globanten öffnen“, sagt sie lächelnd und geht wieder zurück zu ihrem Thron.
Die Müdigkeit ist wie fortgeblasen und Benni greift entschlossen nach dem Eisenrohr, dreht den Deckel mit zwei Umdrehungen nach rechts und sofort fliegt die Kappe in hohem Bogen ins Gras. Ein Gequietsche, Geschmatze, Geröchel und Gekreische ertönt, und Abermillionen kleiner, bunter, kugelförmiger, schleimiger und blubbernder Gestalten quellen aus dem Rohr, eine hässlicher als die andere!
„Iiiiiih!“, schreit Benni. „Wer seid ihr denn?“
„Wir sind die Ersten, wir sind die Urgestalten, wir sind die wahren Herrscher über die Planeten“, singen die grauslichen Wesen und umkreisen Benni.
„Lasst uns nach ihm greifen! Lasst ihn uns besetzen! Lasst ihn uns auffressen!“, johlen sie und umschwirren ihn wie ein Schwarm angriffslustiger Wespen. Aber etwas hält sie zurück, sie kommen nicht an ihn heran und schließlich setzen sie sich auf das Eisenrohr, auf die Grasbüschel und auf die kantigen Füße von dem Globanten.
„Das ist“, sagt Muttererde Terra langsam und ihre Stimme klingt müde, „die einzige Hoffnung, wie wir die Menschenmenschen zur Vernunft bringen und ihr Verhalten korrigieren können.“
Sie schaut Benni an und er erschnaufelt ihre tiefe Trauer und Verzweiflung, doch bevor er etwas sagen kann, fährt der Globant dazwischen und ruft: „Wir haben doch alles versucht, und das schon seit so langer Zeit! Wir haben ihnen die Vermittler gesendet, die allerhöchsten Boten des Schöpfers, wir haben Unwetter und Erdbeben geschickt, wir haben sie vom Meer verschlingen lassen, wir haben ihnen die Musik gegeben und in der letzten Zeit ein Mädchen sprechen lassen! Und? Haben sie gehört?“
Er schlägt wütend mit seinem Eisenrohr gegen einen Stein und es dröhnt, als würden Felsen zerbersten. „Nichts wollen sie verstehen, die Gaben ihrer Heimat missachten sie, sie fressen