Gott Go Home!. Klaus Ungerer

Gott Go Home! - Klaus Ungerer


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Intention seiner Gründerväter, und da kam der Film gerade recht.

      DeMille und die »Eagles« initiierten eine beispiellose Kampagne. Schon seit 1951 wurden Zigtausende Reproduktionen der Zehn Gebote als Wandschmuck verbreitet – in ebenjener kruden Optik, die sich dann auch dem unschuldigen Granit einklopfen sollte. Präsident Truman gab seinen Segen. Und als wäre das noch nicht genug der frommen Tat, begann man in der Zeit des Filmstarts, die Zehn Gebote in Stein aufzurichten, hier und dort und everywhere. Selbst als der Film alle Rekorde gesprengt hatte und allmählich ins Fernsehen übersiedelte, gab man nicht Ruh mit der Aufstellerei. Die Werbekampagne war so erfolgreich, dass sie ihr eigenes Produkt überlebte. Bis heute stehen die Gesetzestafeln vor Regierungssitzen und auf Schulgeländen und in Parks, für viele Menschen sind sie geradezu Ausdruck der amerikanischen Seele, und viele wissen wahrscheinlich gar nicht, dass der liebe Gott hier einen Film beworben hat, der sich noch nicht mal allzu eng an die biblische Überlieferung hält.

      Es ist dabei kein Zufall, dass der erfolgreichste aller Christenfilme alles mögliche Kolossale herzeigt, Landschaften und Gebäude, schöne Männer und Frauen, mächtige Farben und betäubende Musik – eins aber auf gar keinen Fall: Christus. Oder seine Botschaft. Die Patriarchen, die die USA mit Hilfe der Religion auf ihre Vorstellungen zuzuschneiden versuchen, haben noch stets mit dem Gott des Alten Testaments sympathisiert, dem Tyrannen, und mit Moses, seiner rechten Hand. Christus und seine Hippiekommune, in der sich alle lieb hatten, wird in diesen Kreisen eher selten zur Kenntnis genommen.

      Kein Wunder. Jesus ist es ja, dessen Botschaft, klug ausgedeutet, die Gottesdiktatur des Alten Testaments beendet. Vor ihm sind alle gleich, ob arm, ob reich, und wenn die moderne Welt etwas aus Jesus abgeleitet hat, dann dies, dass es ohne Toleranz nicht geht. Dass folglich keine Religion sich über die anderen oder über den Staat erheben sollte, so wie es den Gründervätern der USA noch klar war. Ein bisschen haben wir es also auch dem Erlöser zu verdanken, dass die klotzigen, anmaßenden Monumente dann und wann ins Wanken geraten. Oder ins Wandern. So wie das Monument von Oklahoma City, Michael Reeds erstes Opfer. Das ist mittlerweile von seinem Standort verschwunden. Ein Gericht urteilte 2015: Die Zehn Gebote des Alten Testaments haben auf öffentlichem Grund nichts zu suchen.

      Für die Gottisten ist das eine Niederlage, die sie oft gar nicht begreifen können. Denn mindestens ebenso sehr, wie ihr Gott in den Seelen der Menschlein herrschen soll, wollen sie selbst den öffentlichen Raum beherrschen, sei es durch das Errichten von Monumenten, sei es durch das Entfachen frommen Lärms.

      In Indonesien wurde im Jahr 2018 eine Frau zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil ihr die Gebetsruf-Lautsprecher der benachbarten Moschee zu laut waren. Das Gericht fand, das sei Blasphemie. Und einmal mehr durfte der Nichtgläubige sich darüber wundern, wie leicht so ein Gott eingeschnappt sein kann. Gäbe es ihn, wie sollte man ihn beleidigen können? Hätte nicht er das komplette Universum geschaffen, wohingegen jeder von uns nur ein dümmlicher, verderblicher Fleischplops ist, der eine kurze Zeit über einen minder bedeutenden Planeten kreucht? Müsste nicht ein solcher Gott schmunzeln über jeden Versuch des Fleischplops, sich mit ihm zu messen? Wäre nicht jede Antwort darauf eine Herabwürdigung seiner selbst, eine Entgottung, so wie jede Beleidigung nur unter Menschen möglich ist, wohingegen Hunde, Molche, Steine, der Wind und eben die Unendlichkeit gar kein wirkliches Gegenüber darstellen für den menschlichen Geist in seiner beschränkten Originalität? Kann man nicht ausschließlich beleidigen, was einem im Alltag gegenübertritt?

      Solche Fragen hatte sich die chinesischstämmige Indonesierin Meiliana, die im Mai 2019 auf Bewährung freigelassen wurde, möglicherweise gar nicht gestellt, und sie tat gut daran. Denn dass sie die Mehrheitsgottheit ihres Landes, den muslimischen Allah, beleidigt oder auch nur zu beleidigen versucht hat, kann man wirklich nicht behaupten. Ihre Freveltat war: Sie beschwerte sich beim Hausmeister der Moschee, dass deren Lautsprecher zu laut eingestellt und der Gebetsruf also lauter sei als vielleicht notwendig – ein Problem, das im Land nicht vollkommen unbekannt ist. Dort haben selbst muslimische Verbandsvertreter schon dazu aufgerufen, die Lautsprecher der Moscheen »weise« statt maximal einzusetzen. Aber das Lärmproblem ist hier ein immanentes. Wo ein als männlich gedachter Gott auf dem Wege des Gebetsrufs mehrmals täglich seine phallische Dominanz demonstriert, ist es naheliegend und schlüssig, dass die Lautsprecher mit größtmöglicher Wucht eingesetzt werden, damit alle Gläubigen und Ungläubigen hören, wo der Hammer hängt. Ganz wie der vielerorts wütende Krach der Kirchenglocken ist auch der Gebetsruf eher eine Machtdemonstration der vorherrschenden Religion ohne ernsthafte Funktion. Es ist ja nicht so, als ob die Gläubigen nicht wüssten, dass nun wieder Zeit zum Beten ist.

      Nun hat allerdings, was uns in den Nachrichten als Religion begegnet, mit echtem, ernstzunehmendem Glauben an eine Gottheit meist wenig zu tun. Wo sie in den Schlagzeilen auftaucht, hat jemand sie gern als Machtinstrument zur Anwendung gebracht – ob nun ein paar gewaltbereite Irre einen Islamischen Staat gründen, ob etablierte orthodoxe Regimes Frauen und Andersgläubige unterdrücken, ob der Präsident der Vereinigten Staaten von evangelikalen Christen gepusht wird oder ob ein einflussreicher Arbeitgeber wie die Kirche sich vom deutschen Staat mit Sonderrechten und Geld ausstaffieren lässt.

      Letztlich geht es dabei nicht wirklich um den jeweiligen lieben Gott, welcher ja inmitten menschlichen Machtgeschachers, wäre er real, zwingend zu einer skurrilen Figur verkäme: Wenn er allmächtig ist und außerhalb unserer Vorstellungskraft, warum müssen wir dann Blasphemie bestrafen? Ein Gott, den man beleidigen kann, muss ein kleinlicher, narzisstischer, alberner Gott sein. Hätte er Größe, würde er doch lachen über die Männlein, die seine Existenz oder Autorität in Frage stellen. Er würde sich in seinem Sonntagssessel zurücklehnen, grinsen und murmeln: Na warte, Freundchen, see you in Fegefeuer. Überhaupt, da Gott bekanntlich seine eigene Gerichtsbarkeit unterhält in Form von Himmel und Hölle, von Strafen und Belohnungen. Ist es da nicht viel lästerlicher, an seiner Stelle Richter zu spielen und jemanden zu einer gänzlich weltlichen Strafe verurteilen zu wollen, so wie eben jene Meiliana, die sich beim Hausmeister beschwerte?

      Gott wirkt durchaus auf die Welt ein. Zwar sorgt er nirgends für Wunder und nimmt auch sonst keinen willentlichen Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte, etwa zum Besseren hin. Dennoch ist »Gott« dort, wo sein Einsatz sich anbietet, ein effektiver machtpolitischer Faktor. Die Vorstellung eines Gottes und heiliger Regeln, die man zu befolgen habe, enthemmt Menschen, sie trägt dazu bei, ihnen eingeborene Moral zu nehmen. Man hat das zuletzt am Beispiel des grauenvollen IS-Regimes studieren dürfen, auch die blutrünstige Geschichte der christlichen Kirche konnte immer wieder anschaulich machen, wie Religion dazu eingesetzt wird, Menschen zu entmenschen und zu unerhörten Grausamkeiten zu treiben.

      Immer steht ein Machtinteresse dahinter, das sich ihre Gutgläubigkeit und Verführbarkeit zunutze macht. Religion hilft, ethnische Gruppen zu definieren und gegeneinander aufzubringen, und besondere Gefahr droht, wenn zur ethnischen Spaltung auch noch eine vermeintliche wirtschaftliche tritt, so wie es in Indonesien der Fall war. Meiliana nämlich gehört zur Minderheit der chinesischen Indonesier, die ein fester Bestandteil der Bevölkerung sind. Von der niederländischen Kolonialmacht wurden sie lange protegiert, ihnen eilt ein Klischee von Reichtum, Tüchtigkeit und Gier voraus, womit der Neid vieler Menschen ihnen sicher ist. Vor zwanzig Jahren kam es in Indonesien zu Massakern von Mehrheitsmuslimen an chinesischen Indonesiern, viele Menschen starben, viele verließen das Land. Das ist unvergessen. Der Vorgang um Meiliana löste die schlimmsten Ausschreitungen seit jenen Ereignissen von 1998 aus.

      Zunächst machte man auf sozialen Kanälen Stimmung gegen die Frau, Gerüchte wurden multipliziert, sie habe die Moschee mit Steinen beworfen. Als Nächstes rottete sich ein Mob vor ihrem Haus zusammen, um es in Brand zu setzen, was Nachbarn noch verhindern konnten. Dann brach die Aggression sich Bahn. Die Meute, hauptsächlich aus jungen Männern bestehend, tobte durch die Stadt Tanjung Balai, verwüstete und verbrannte ungefähr zwei Dutzend buddhistische Gebetsstätten.

      Hat Gott das gewollt? Sieht er sich angemessen repräsentiert von einem Mob brüllender, wütender Jungmänner? Wieso hat er zugelassen, dass viele Menschen an ganz andere Götter glauben, warum ließ er die Chinesen und die Holländer ins Land? Dieser Gott, wenn es ihn gäbe und man versuchte, seine Handlungen und seine Unterlassungen zu verstehen, handelte wirr, lieblos und gefährlich. Vor diesem Hintergrund wäre doch wesentlich beruhigender zu glauben, dass


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