Gott Go Home!. Klaus Ungerer

Gott Go Home! - Klaus Ungerer


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selbst segnen. Wie praktisch! Wenn der Trend zur Selbstsegnung geht, ist die Kirche bald alle Personalsorgen los.

      Am tollsten aber ist der selbstgebastelte große Hahn, der neben dem Altar steht. Hahn, denkt man, wieso nochmal, was hat der mit dem hiesigen Gott zu tun? Das zu ergründen ist gar nicht so leicht, da das Hirn sich noch mit einer anderen praktisch unlösbaren Frage beschäftigt. Wenn der Name dieses Events wirklich »Kikeriki« lautet und wenn das tatsächlich bedeuten soll: »Kinder kennen richtig Kirche« – ist das dann noch Deutsch? Oder braucht man eine Einbildungskraft religiösen Ausmaßes, um den Slogan für schlüssig zu halten? Ohne Einbildungskraft wird man ja eh nichts in der Welt des entschlossenen Glaubenwollens. Na gut. Bleibt also aber der Hahn. Der steht da. Und erinnert uns, nach einigem Wühlen im Gedächtnis:

      Stimmt. Der Hahn ist der eigentliche Gründervater der Kirche. Er ist das Fundament des ja doch recht bizarren christlichen Glaubens. Das Universum inklusive aller, die dies lesen, sei von einer Art unsichtbarem, allmächtigem Mann erschaffen worden, und demgegenüber müssten wir Menschen, aus Gründen, die auszuführen sich kaum lohnt, ein massiv schlechtes Gewissen haben. Die Kirche, die diesen Glauben in die Welt hinauspustet, wurde nun gegründet von Gottes Follower Petrus. Und wenn wir uns recht entsinnen, ist es ein Hahn, der ihn an seine Fehlerhaftigkeit erinnert, an seine unanständige Leugnung des Gottes.

      Aus dieser tief empfundenen Scham heraus, möglicherweise, wurde Petrus dann Gründervater, und offensichtlich war er emotional zu verwickelt oder hat rein intelligenzmäßig nicht verarbeiten können, dass das ein Fluch ist, den die Gottheit ihm da angetan hat. Wenn ein allmächtiger Weltenschöpfer mir sagt, dass ich ihn verleugnen werde, dann tue ich nicht nur gut daran, ich komme nicht umhin, diesen Auftrag zu erfüllen. Verleugne ihn also. Und weine dann bitterlich, vielleicht ja auch ob der Ungerechtigkeit und der selbstherrlichen Art, in der der Gott immer schon mit den Seinen verfuhr.

      Der Hahn jedenfalls wird seitdem von Religionskennern als Symbol der Reue gesetzt. Reue desjenigen, der von der Gottheit verflucht wurde, darüber, was er der Gottheit angetan hat. Hier also beginnt Kirche. Im Zeichen des Hahns dürfen die Kleinsten jetzt wieder gutmachen, was der arme Gott zu leiden hatte. Indem sie hüpfen, malen und leicht verständliche Lieder singen. Ein vom Bösen verführter Schelm, wer da im Hintergrund die aktuelle Studie desselben Bistums Essen annimmt, die dem Mitgliederschwund entgegenwirken soll und letztlich empfiehlt, an junge, solvente Seelen durch »niedrigschwellige spirituelle Angebote« heranzutreten und während der »Betreuung des Kindes«. Die Kinderkirche Kikeriki könnte eine wunderbare Möglichkeit sein, an religiös ausgebohrte Geister heranzukommen und sie in der Kirche zu halten, je niedrigschwelliger desto besser, das hat schon Jesus gesagt, oder hätte es doch, wenn ihm das eingefallen wäre. Kommt alle zu mir, hätte er gesagt, die ihr geldbeladen seid, Kinder und wirklich erstaunliche Pullis und Blusen im Schrank habt.

      Schalarassabahalabankaboboh!

      Prediger in den USA sieht Hexerei-Attacke auf Trump und redet in Zungen

      Gott der Herr hat ein seltsames Vergnügen am Katz-und-Maus-Spiel mit den Menschen. Da er allmächtig ist, sollte es ihm ein Leichtes sein, endlich mal alle Leute auf Linie zu bringen. Er müsste ja nur ein eindeutiges Wunder zum Besten geben, einen Nachweis seiner Existenz. Einmal bloß die Pyramiden in die Luft heben und in Wuppertal wieder absetzen. Einmal, für alle Handys auf der Welt abfilmbar, per Wolkenformation in den Himmel schreiben: »Hej, es gibt mich, und jetzt vertragt euch endlich, sonst wird Papa sauer!« Es gäbe so viele Möglichkeiten, und wenn einer sie alle nutzen können sollte, dann doch wohl er. Dann müsste jeder Mensch an ihn glauben, und nicht an ihn zu glauben wäre nah am Irrsinn, so wie es heute das Glauben ist, das ohne jeden Realitätsbezug auskommt, weil es muss.

      Dass Gott all diese Wunder nicht tut, legt den Verdacht nahe, dass er gerne Spielchen mit uns spielt. Bei denen unser Seelenheil der Einsatz ist. Er selbst hat nichts zu verlieren, sein Zugewinn liegt wohl in unserer Unsicherheit, im schlimmsten Fall: Zerrissenheit, die ihn anscheinend ergötzt, sonst hätte er sie ja längst beendet. Er, dessen Botschaft lautet, er liebe uns so sehr, zieht dennoch vor, möglichst wolkig zu bleiben, möglichst wenig Präsenz zu zeigen. Man muss schon feste glauben wollen, um auch glauben zu können. Man muss über sehr viel Leid und Sorgen auf Gottes Erde hinwegsehen, um in ihm einen liebenden Vater zu erkennen. Vielleicht ist es eine Art Stockholmsyndrom missbrauchter Seelen, wenn man diejenige Instanz verehrt, die allen Kummer mit einem Fingerschnippen beenden könnte und darauf verzichtet.

      Nun denn. Gottes Menschen sind suggestibel, they want to believe. Sie freuen sich über das kleinste biss­chen, das sich mit ein wenig Fantasie und viel Glaubenswillen zu einem Zeichen göttlicher Zuwendung zurechtdeuten lässt. Besonders gern genommen wird dabei alles, was angesichts eines seit Jahrtausenden schweigenden Gottes (doch noch beleidigt wegen des Apfels?) irgendwie nach Kommunikation aussieht. Menschen gehen auf die Knie, schließen die Augen, falten die Hände. Menschen drücken die Stirn auf Teppiche. Menschen drehen sich im Kreis, tanzen, singen, nehmen Drogen. Und in diesen Momenten meinen sie, jener Gott spreche zu ihnen. Endlich mal. Unhörbar natürlich, unsichtbar natürlich und nicht nachweisbar. Ließe er sich nachweisen, wäre das Glauben ja kein Glauben mehr. Es wäre Wissen, und alle Religion müsste verpuffen. Ließe er sich nachweisen, so wäre es eine vernunftgemäße Selbstverständlichkeit, sich ihm zu beugen, ihm zu folgen.

      Gott aber scheut die Beweisbarkeit wie sein Ex-Mitarbeiter das Weihwasser. Offensichtlich liebt er es, uns im Unklaren zu lassen. Außerhalb seiner Gemeinden zeigt er sich nirgends. In seinen Gemeinden zeigt er sich so, dass nur ein äußerst fester Glaubens­entschluss darin eine Göttlichkeit erkennen kann. Für den Rest der Welt sieht es nämlich oft einfach nur kindisch aus. Der unbedingte Wille zu glauben ist es, der die Menschen in den Gemeinden einander näherbringt, der ihnen, wie auch Verschwörungstheoretikern, den festen Boden eines Kinderglaubens verschafft. Er ist es aber auch, der sie ein Stückchen aus der neutral erlebbaren Welt aller anderen Menschen herausrückt. Gott trennt, er unterteilt die Menschen in Gruppen, und man muss es ja leider sagen: Sein ist das Reich der Leichtgläubigkeit. In etwa so wie E-Mail-Scammer ihre Anschreiben bewusst krude gestalten, um unter den Empfängern wirklich die Dümmsten herauszufiltern, weil sich mit den Dümmsten später besser arbeiten lässt, in etwa so gehen auch Gottes Staubsaugervertreter auf Erden vor: Wer mir diesen gequirlten Quatsch abnimmt, der gibt mir sicher auch noch sein Geld.

      Dass das Einsammeln und Dirigieren von Leicht­gläubigen nicht nur eine Frage von Massen­psychologie und Strafgesetz ist, sondern auch ein Politikum, wurde kürzlich wieder einmal in den Vereinigten Staaten deut­lich. Dort hat der Prediger John Kilpatrick vor versammelter Mannschaft, sich dabei den Schweiß aus dem Gesicht tupfend, kundgetan, Donald Trump werde von Hexerei bedroht, die das Land übernehmen wolle, genauer, Trump stehe kurz vor einem Angriff durch den »Deep State«. Man müsse diesem Mann nun sofort, durch gemeinsames Beten – ob Gott wohl sonst keine Lust hat zu helfen? – Unterstützung zukommen lassen. Kilpatrick, ein Mann, der aus Jim Jones und Sigmar Gabriel zusammengemorpht erscheint, verkündet also Informationen, die nicht nur bizarr anmuten, sondern die er offensichtlich auch exklusiv vom Herrgott oder einem seiner Leute erfahren hat. Warum aber sollte man ihm glauben?

      Die Antwort ist: Er kann in Zungen reden. Das In-Zungen-Reden ist biblisches Kulturgut, die Jünger des verstorbenen, dann wieder zombieartig im ganzen Land herumgeeierten, dann in den Himmel geflogenen Jesus fingen auf dem Markplatz an, in fremden Sprachen zu reden. Das war das Pfingstwunder und des Christengottes erster größerer Rekrutierungserfolg unter den Millionen Menschlein, die er geschaffen hat und von denen er sich wünscht, dass sie an ihn glauben, ohne dass er sich ihnen aber zeigen möchte. Die Jünger sprachen also anders daher als sonst, die Bibel meint, dass sie von allen Anwesenden auf einmal verstanden worden seien, vermerkt allerdings, dass es durchaus andere Deutungsansätze ihres Verhaltens gab: »Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.« (Apostel­geschichte, 2 : 13)

      Davon lässt sich der Prediger Kilpatrick natürlich nicht abhalten, und während er also zum Gebet für Donald Trump aufruft, obwohl das Gesetz ihn zu politischer Neutralität verpflichtet, überkommt ihn immer mal wieder, wie ein Störsender, der Heilige Geist, und der Heilige Geist teilt also mit: »Schadabataradassaja!«, »Schadabararatodossajanda!«, »Goramamanu!«. Man sehe uns nach, wenn wir nicht jede Silbe korrekt wiedergegeben


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