Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Student erwiderte den Händedruck nicht.

      »Florian Mooser«, sagte er nur kurz.

      Der andere lächelte.

      »Nett von Ihnen, daß Sie sich ihrer angenommen haben«, meinte er jovial. »Ich konnt’ leider net eher hier sein.«

      Zu ihrem Erstaunen drehte Wolfgang sich zu Nicole um und nahm sie in die Arme.

      »Jetzt laß mich aber richtig gratulieren«, rief er betont gut gelaunt.

      Ehe sie sich wehren konnte, hatte er sie an sich gezogen und seinen Mund auf ihre Lippen gepreßt. Florian, der die Szene hilflos ansah, schnappte nach Luft. Solch eine Wendung des Abends hatte er nicht erwartet.

      Wie kam der Kerl dazu, einfach herzukommen und Nicole zu küssen?

      Fast schien es, als wollte sich Florian auf den anderen stürzen, als es ihn, wie ein Blitz durchfuhr.

      Und wenn sie doch immer noch zusammen waren? Wie hatte Wolfgang Arnhäuser gesagt?

      »Ich konnt’ net eher hier sein…«

      Später wußte der Student nicht mehr, welche Gedanken ihm in diesem Augenblick noch durch den Kopf schossen. Er wußte nur, daß er fort mußte, daß er diesen Anblick nicht länger ertragen konnte. Ohne sich umzusehen, drängte er sich durch die Menge und verschwand aus Nicoles Blickfeld.

      Die hatte sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt und befreite sich aus Wolfgangs Armen.

      »Sag’ mal, spinnst du?« fuhr sie ihn an. »Was soll das alles? Kommst einfach hierher und tust, als wär’ nix geschehn.«

      »Beruhig dich doch«, bat er und sah sich um. »Wollen wir net woanders hingehn, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.«

      Unwillig schüttelte sie den Kopf.

      »Ich will mich net mit dir unterhalten«, gab sie zurück. »Außerdem muß ich Florian hinterher. Was soll der denn denken?«

      Wolfgang fühlte wieder Eifersucht aufflammen. Bisher, so fand er, hatte er sich doch ganz prima verhalten, auch wenn er dem anderen am liebsten an die Gurgel gegangen wäre. Daß der so schnell Leine zog, war ihm nur recht.

      Er tastete nach dem Schmuck­käst­chen mit den Verlobungsringen, das in seiner Jackentasche steckte. Nicole durfte jetzt nicht gehen. Noch hatte er den Überraschungseffekt auf seiner Seite. Wenn er jetzt die Ringe hervorholte, und sie ihr präsentierte, dann konnte sie doch gar nicht anders, als seinen Antrag anzunehmen.

      »Laß ihn«, sagte er hart. »Ich hab’ was mit dir zu bereden. Wir sollten ein wenig hinausgehen. Hier drinnen versteht man ja sein eigenes Wort net.«

      Ihre Augen blitzten ihn zornig an.

      »Verstehst du mich net?« rief sie wütend. »Hab’ ich mich zu Haus’ net deutlich genug ausgedrückt? Dann will ich’s dir jetzt und hier noch einmal sagen.

      Es ist aus. Aus und vorbei! Ich weiß net, warum du hergekommen bist. Aber aus welchem Grund auch immer, den Weg hättest’ dir sparen können.«

      Mit diesen Worten reichte sie ihm den Blumenstrauß zurück und ließ ihn wie einen begossenen Pudel stehen.

      Wolfgang Arnhäuser stand da wie gelähmt und starrte ihr hinterher. Offenbar hatte er sich überschätzt. Nicole mußte sich schnell getröstet haben.

      Dennoch, so schnell würde er nicht aufgeben.

      Er schaute auf die Rosen in seiner Hand. Eben kam ein Paar von der Tanzfläche an den Tisch, an dem er stand. Wolfgang setzte ein charmantes Lächeln auf und drückte der Frau die Blumen in die Hand.

      »Für Sie«, sagte er. »Einen schönen Abend noch.«

      Dann lief er Nicole hinterher.

      *

      Nur raus hier! Das war das einzige, was Florian Mooser denken konnte. Rücksichtslos drängte er sich durch die Menge und bahnte sich einen Weg zum Saalausgang.

      Draußen schnappte er erst einmal nach frischer Luft. Er sah sich um, sah die verliebten Paare Arm in Arm spazieren, und fühlte sich hundeelend.

      Er wußte nicht, was das plötzliche Auftauchen Wolfgang Arnhäusers zu bedeuten hatte. Er ahnte nur, daß es nichts Gutes bedeuten konnte. Daß der Mann Nicole immer noch liebte, lag auf der Hand.

      Warum sonst war er, noch dazu so spät in der Nacht, hergekommen?

      Er verstand das alles nicht. Nicole hatte ihm erzählt, dieser Mann wäre mit einer anderen Frau ins Wochenende gefahren, und daß diese Tatsache ausschlaggebend für die endgültige Trennung gewesen sei.

      Was also sollte er davon halten?

      Florian wußte es nicht. Ihm war nur klar, daß er jetzt nicht auf sein Zimmer gehen und schlafen konnte. Dazu war er viel zu aufgewühlt. Er brauchte einen Ort, wo er alleine war und in Ruhe über alles nachdenken konnte. Im Hotelzimmer lief er Gefahr, daß Nicole früher oder später zu ihm kam und fadenscheinige Erklärungen abgeben wollte. Und das war das Letzte, was er von ihr hören wollte!

      Suchend schaute er sich um. Die Leute auf der Straße kümmerten sich nicht um ihn. Sie unterhielten sich und ahnten nicht, daß er voller Kummer war.

      Die Kirche. Wenn es einen Ort gab, an dem man Trost fand, dann war es ein Gotteshaus. Die Kirche von St. Johann war Tag und Nacht geöffnet, wie er einem Schild entnommen hatte, das an der Tür hing.

      Warum nicht?

      Dort würde ihn um diese Zeit gewiß niemand stören.

      Florian lief über die Straße, ging dann den Kiesweg hinauf. In der Nacht wurde die Kirche von zwei hellen Strahlern beleuchtet, die sie in ein sanftes gelbes Licht tauchten. Florian drückte die Türklinke herunter und trat ein.

      Vollkommene Stille umfing ihn. Nur wenige Lampen brannten, am Altar leuchtete das Ewige Licht. Der junge Student ging bis nach vorne und setzte sich in die erste Reihe. Er war dankbar jetzt alleine zu sein. Während er den Kopf gesenkt hielt, ging er in Gedanken das Geschehen des Abends noch einmal durch. Angefangen mit der Rückkehr ins Hotel, bis zu jenen Augenblick, in dem seine Träume platzten wie Seifenblasen, sein Glück zerbrach wie Glas.

      Hatte er sich wirklich so in Nicole getäuscht? War ihr Kummer über die zerbrochene Beziehung nur gespielt? Ahnte sie vielleicht sogar, daß der andere hier auftauchen würde?«

      Was sie jetzt wohl machten? Feierten sie ihren Geburtstag zu Ende? Spielten sie den anderen das glückliche verliebte Paar vor?

      Und was, wenn sie, Florian und Nicole, sich wiederbegegneten? Würde sie ihm dann in die Augen sehen können?

      Langsam richtete er sich auf und schaute auf den Altar. Dort zu stehen, Nicole an seiner Seite, diese Vision hatte er gehabt, als sie beide das erste Mal diese Kirche besichtigten. Natürlich hatte er davon nichts gesagt, aber die Vorstellung war so schön gewesen, daß sie ihm seither nicht mehr aus dem Kopf gegangen war. Jetzt machte sich unendliche Trauer in ihm breit.

      Aber was sollte er tun?

      Er konnte nicht einfach ins Hotel zurückgehen und sich geben, als wäre nichts geschehen. Spätestens morgen früh, beim Frühstück, würden sie sich wieder über den Weg laufen. Und damit nicht genug – sie saßen auch noch am selben Tisch!

      Florian seufzte. Irgendwie schien er mit den Frauen, die ihm etwas bedeuteten, kein Glück zu haben.

      Ein Geräusch ließ ihn sich umdrehen. An der Tür stand Pfarrer Trenker und schaute zu dem nächtlichen Besucher hinunter.

      »Nanu«, sagte der Geistliche verwundert, »so spät noch. Ist was geschehn, Florian?«

      Es gehörte zum abendlichen Ritual, daß Sebastian noch einmal seine Kirche aufsuchte. Daß er diesmal noch einen Besucher antreffen würde, hatte er allerdings nicht geahnt. Er ging zu der Bank und setzte sich neben den Studenten. Seine reiche Menschenkenntnis sagte ihm, daß Florian Mooser nicht ohne Grund hier war.


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