Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Mooser nickte. Allerdings hatte er das Gefühl, daß noch nicht alles gesagt war. Er schaute Nicole forschend an, die unter diesem Blick unsicher wirkte.

      »Gibt es noch etwas, worüber wir reden müssen?« fragte er deshalb.

      Einen Moment schwieg die Studentin, dann nickte sie.

      »Wolfgang möchte sich heut’ vormittag mit mir treffen«, gab sie zu. »Er meint, das wär’ ich ihm schuldig, und irgendwie hab’ ich das Gefühl, daß ich ihm diese Bitte net abschlagen kann. Wärst du mir sehr bös’, wenn ich zu dieser Verabredung ginge?«

      Florian holte tief Luft und sah sie nachdenklich an. Es war schon ein großes Opfer, das sie da von ihm forderte. Aber wahrscheinlich mußte es sein, damit die Angelegenheit endlich aus der Welt geschafft wurde.

      »Ich vertrau’ dir«, erwiderte er schließlich. »Geh’ zu diesem Treffen und laß ihn wissen, was du mir eben gesagt hast.«

      Nicole lächelte erleichtert. Wenn Florian darauf bestanden hätte, dann würde sie nicht gegangen sein. Doch so war sie ihm sehr dankbar, daß er ihr Gelegenheit gab, einen letzten, wirklich endgültigen Schlußstrich zu ziehen.

      *

      Im Pfarrhaus bereitete sich Sebastian auf die Heilige Messe vor. Er saß in seinem Arbeitszimmer und überflog noch einmal die Predigt, die er gestern abend geschrieben hatte.

      Allerdings schweiften seine Gedanken immer wieder zu dem jungen Studenten ab, den er so spät noch in der Kirche angetroffen hatte. Das Problem, welches Florian ihm geschildert hatte, war ein uraltes. Es gab es schon, solange Menschen auf Erden waren, und würde wohl ewig bestehen bleiben. Nur mußte man immer wieder neue Lösungen dafür finden.

      Eifersucht war ein schlimmer Stachel, der immer tiefer ins Fleisch glitt, je mehr man an ihm zog.

      Indes war der Geistliche sicher, Nicole Dressler richtig eingeschätzt zu haben. Sie machte auf ihn nicht den Eindruck, oberflächlich zu sein und nur ein Abenteuer gesucht zu haben.

      Sebastian war gespannt, ob sie und Florian heute morgen gemeinsam in die Kirche kamen, so wie sie es ursprünglich vorgehabt hatten.

      Die Glocken riefen die Gläubigen, und Sebastian machte sich auf den Weg. In der Sakristei begrüßte er Alois Kammeier, den Mesner von St. Johann, und die beiden Buben, die während der feierlichen Handlung als Meßdiener fungierten. Loisl Kammeier half ihm, das Gewand anzulegen, dann eilte Sebastian zur Kirchentür, um die Besucher zu begrüßen und willkommen zu heißen.

      Wie er es erwartet hatte, kamen auch die Teilnehmer der Wochen­end­reise zur Sonntagsmesse.

      »Habt ihr die gestrige Tour und den Tanzabend gut überstanden?« erkundigte er sich, mit einem Schmunzeln. »Den Abend wohl noch net so ganz, wie ich einigen Gesichtern ansehn kann.«

      »Dafür war’s aber auch ein einmaliges Erlebnis«, meinte einer grinsend und verbesserte sich gleich. »Nee, einmalig war’s nicht, denn ganz bestimmt waren wir nicht das letzte Mal da.«

      »Na, das freut mich«, lachte Sebastian und ließ seine Augen suchend über die Leute gleiten.

      Florian stand weiter hinten. Der gute Hirte von St. Johann sah, daß er nicht in Nicoles Begleitung war.

      »Alles in Ordnung?« erkundigte er sich.

      Der Student nickte nur kurz, weil hinter ihm die Leute drängten, und ging hinein.

      Während der Messe saß Florian still auf seinem Platz. Zwar hörte er die Worte des Geistlichen und sang die Lieder mit, aber seine Gedanken waren die ganze Zeit über bei Nicole.

      Nach dem Frühstück – Florian hatte es doch noch geschafft, eine Semmel zu essen –, waren sie kurz in den Kaffeegarten gegangen. Der Regen hatte etwas nachgelassen. Sie stellten sich unter das Vordach des rückwärtigen Einganges und hielten sich an den Händen.

      »Es tut mir leid, daß ich vorhin so häßlich zu dir war«, sagte Florian, mit ehrlichem Bedauern. »Aber gestern abend, da hab’ ich überhaupt net mehr gewußt, was ich noch denken soll. Es schien so eindeutig, wie er dich geküßt hat, daß ich nur noch den Gedanken hatte, ich müßte fort.«

      Nicole legte einen Finger auf seine Lippen.

      »Pst«, sagte sie. »Wir wolln net mehr davon reden. Es ist alles gesagt, und wir wissen, daß wir zusammengehören.«

      Sie küßte ihn unendlich zärtlich, und die Zeit bis zur Verabredung mit Wolfgang Arnhäuser verbrachten sie damit, Pläne für ihre gemeinsame Zukunft zu schmieden.

      Zusammen eine Wohnung beziehen? Nach dem Studium ein paar Jahre arbeiten, sich etwas aufbauen und dann an Nachwuchs denken?

      All dies schien keine Utopie, sondern in greifbare Nähe gerückt. Die Welt war in rosa Farbe getaucht, und nichts und niemand konnte ihnen ihre Liebe noch nehmen.

      Als Florian jetzt an diese Momente dachte, da glitt ein glückliches Lächeln über seine Lippen.

      Heute nachmittag fuhren sie zusammen zurück, und diese Fahrt würde eine Fahrt ins Glück werden.

      *

      Auch nach der Messe stand Sebastian Trenker an der Tür und verabschiedete die Gemeinde. Mit jedem sprach er ein paar Worte, erkundigte sich nach Familienangehörigen, falls diese mal nicht in die Messe gekommen waren, und versprach diesem oder jenem seinen baldigen Besuch.

      Als Florian vor ihm stand, bat er den Studenten, noch einen Moment zu bleiben.

      »Haben S’ sich mit der Nicole ausgesprochen?« erkundigte sich der Seelsorger, als er und Florian schließlich alleine an der Kirchentür standen.

      »Ja, Hochwürden, heut’ morgen«, nickte er. »Ich geb’ zu, erst war ich recht schroff ihr gegenüber. Aber ich hab’ erkannt, daß Nicole mich wirklich liebt.«

      Sebastian machte ein nachdenkliches Gesicht.

      »Hm, hatten S’ mir net gestern abend erzählt, daß Sie und Nicole zusammen in die Kirche kommen wollten?«

      »Das ist richtig. Aber dieser Wolfgang Arnhäuser hat sie um ein Gespräch gebeten. Ausgerechnet heut’ morgen. Nicole war der Meinung, sie müsse ihm diese Bitte gewähren. Er will sich mit ihr aussprechen, und sie ihm endgültig sagen, daß er sich umsonst herbemüht hat.«

      Sebastian nickte verstehend.

      Natürlich, eine Aussprache war nie verkehrt. Mißverständnisse konnten dabei aus dem Weg geräumt werden, Streitereien beigelegt.

      Wenn es sich denn tatsächlich um eine Aussprache handelte, an der beide Parteien gleichberechtigt beteiligt waren. Allerdings hatte der Bergpfarrer ein ungutes Gefühl, wenn er an dieses Zusammentreffen dachte. Nach Florians Schilderung, der auch nur wiedergeben konnte, was die Studentin ihm gesagt hatte, war dieser Wolfgang Arnhäuser ein egoistischer Mensch, der stets und überall seine Vorteile suchte und dabei wenig Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen nahm. Sebastian konnte sich vorstellen, daß er auf Nicole einreden und sie in ihrer Entscheidung wankend machen könnte.

      »Wo soll diese Aussprache denn stattfinden?« erkundigte er sich.

      »Ich weiß net genau«, antwortete Florian. »Die beiden haben sich vor dem Hotel getroffen. Nicole ist zu ihm ins Auto gestiegen.«

      Der Geistliche strich sich nachdenklich über das Kinn.

      Wenn sie mit dem Auto gefahren war, dann würde es wohl länger dauern, bis die junge Studentin wieder im Ort war.

      Aber warum waren sie nicht gleich hiergeblieben? Steckte eine besondere Absicht dahinter, daß Wolfgang Arnhäuser mit dem Auto zu der Verabredung gekommen war?

      Möglicherweise wollte er Nicole aus St. Johann forthaben. Immerhin hatte sie hier eine neue Liebe gefunden und war in Gedanken an sie, in einer stärkeren Position als Wolfgang, der um sie werben würde…

      Natürlich sagte Sebastian nichts von seinen Überlegungen zu Florian Moosner. Er drückte dem jungen Studenten nur die Hand.


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