Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Kerl wird sie doch nicht etwa entführt haben?

      Er schüttelte den Kopf und betrat das Hotel.

      Im Clubraum waren die Tische gedeckt. Das Mittagessen, das ihnen serviert wurde, war extra leicht gehalten, um den Gästen die Busfahrt nicht unnötig schwerzumachen.

      Es gab eine klare Brühe, danach Hühnerfrikassee und Reis, und zum Abschluß einen Eisbecher. Wie an den anderen Tagen war es reichhaltig und schmackhaft, doch Florian aß nur mit wenig Appetit. Je länger er auf Nicoles Rückkehr warten mußte, um so schwerer wurde der Stein, der plötzlich in seinem Magen zu liegen schien. Gleich, nachdem er seinen Teller beiseite geschoben hatte, stand er auf und verließ das Clubzimmer. Auf den Nachtisch verzichtete er. Er wollte zum Pfarrhaus hinüber. Er mußte mit jemandem über seine Ängste sprechen, und Hochwürden schien ihm der geeignetste Partner dafür. Immerhin hatte er ihm auch angeboten, jederzeit zu ihm zu kommen, wenn Florian einen Rat bräuchte.

      Als er die Straße betrat, hielt ein dunkler Wagen vor dem Hotel. Sein Herz tat einen Hüpfer, doch dann sah er, daß es nicht Nicole war, die auf dem Beifahrersitz saß, sondern eine ältere Frau. Es handelte sich nur um den gleichen Autotyp, wie ihn auch Wolfgang Arnhäuser fuhr.

      Florian lief den Weg zum Pfarrhaus hinauf und klingelte. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet, und eine Frau, vemutlich die Haushälterin, sah ihn fragend an.

      »Grüß Gott, mein Name ist Florian Mooser«, stellte er sich vor. »Ist der Herr Pfarrer zu sprechen?«

      Sophie Tappert nickte.

      »Hochwürden ist in seinem Arbeitszimmer«, antwortete sie. »Hier entlang.«

      Sie klopfte an die Tür und öffnete, nachdem Sebastian Trenker geantwortet hatte.

      »Besuch, Hochwürden.«

      Der Seelsorger erhob sich höflich.

      »Kommen S’ herein, Florian«, sagte er, als er den Sudenten sah. »Ist was passiert?«

      Er deutete auf einen bequemen Sessel und setzte sich Florian gegenüber.

      »Ich weiß net«, antwortete dieser. »Es ist nur so eine komische Ahnung. Nicole ist jetzt über drei Stunden fort. Eigentlich hab’ ich sie viel früher zurückerwartet…«

      »Wissen S’ denn, wohin die beiden sind?« fragte der Bergpfarrer.

      Der Student schüttelte den Kopf.

      »Das ist es ja«, erwiderte er. »Wenn ich’s wüßt’, wär’ ich den beiden längst hinterhergefahren.«

      Sebastian schaute auf die Uhr, es war inzwischen bereits kurz nach eins.

      Hoffentlich war dieser Wolfgang Arnhäuser nicht auf die Idee gekommen, auf einen Berg zu steigen, überlegte er. Das konnte fatale Folgen haben. Zwar schien im Moment die Sonne, aber drüben, über dem Zwillingsgipfel ›Himmelsspitz‹ und ›Wintermaid‹, braute sich schon wieder ein Wetter zusammen.

      »Haben S’ noch ein bissel Geduld«, versuchte er Florian die Angst zu nehmen und ihn zu beruhigen. »Vielleicht gibt’s ja eine Erklärung dafür, daß es so lang’ dauert. Wenn ich recht unterrichtet bin, fährt der Bus gegen drei Uhr nach Regensburg zurück. Es besteht also noch kein Grund zur Besorgnis.«

      Der junge Mann seufzte tief auf.

      »Ich wollt’ auch keine Panik machen«, sagte er. »Es ist nur, weil ich dachte, ich müßt’ mit jemanden sprechen, der mich versteht. Meine Mitreisenden scheinen mir dazu net so geeignet.«

      Er lächelte verlegen.

      »Es war gut und richtig, daß Sie hergekommen sind«, bestärkte Sebastian den Studenten in seiner Entscheidung.

      »Wissen S’ was? Meine Frau Tappert kocht uns jetzt einen schönen Kaffee, und dann erzählen S’ mir ein bissel was von sich. Wenn ich mich recht erinner’, dann sagten S’ gestern, daß Sie Sportlehrer werden wollen.«

      Natürlich wollte er damit Florian von seinen Grübeleien ablenken. doch im Innern war Sebastian selbst voller Zweifel, ob da nicht doch etwas faul war. Er hatte in seinem Leben schon vieles gesehen und war immer wieder erstaunt gewesen, auf welche, manchmal absurde Ideen jemand kommen konnte, wenn er sah, daß seine Felle wegschwammen.

      Er lauschte den Worten seines Besuchers und überlegte dabei, wie man herausfinden konnte, wo Nicole Dressler und Wolfgang Arnhäuser hingefahren waren.

      Während der Unterhaltung krachte es plötzlich draußen, und ein heftiger Regenguß setzte ein. Florian unterbrach seine Erzählung und schaute den Geistlichen erschrocken an.

      Der erwiderte den Blick und schüttelte beruhigend den Kopf. Aber ruhig war Sebastian Trenker in diesem Augenblick ganz und gar nicht…

      *

      »Bitte, Wolfgang, ich möcht’ zurück«, sagte Nicole, mit fester Stimme.

      Als sie auf die Uhr gesehen hatte, stellte sie mit Schrecken fest, daß sie schon über drei Stunden unterwegs waren.

      Das Frühstück, das sie zu sich genommen hatte, war nicht so üppig gewesen. Durch Florians zunächst abweisendes Verhalten, hatte sie keinen großen Appetit gehabt. Jetzt merkte sie, wie ihr der Magen knurrte. Wolfgang hatte nicht daran gedacht, etwas zu essen mitzunehmen, als er auf die Idee gekommen war, eine Bergtour zu unternehmen. Sie konnte über soviel Leichtsinn nur den Kopf schütteln. Allerdings sah sie ein, daß sie selbst einen großen Fehler gemacht hatte, indem sie mit ihm gegangen war.

      Nachdem sie die Brücke über die Klamm überquert hatten, und Wolfgang beinahe über sie hergefallen war, wurde ihr bewußt, daß sie sich nie auf diese Verabredung hätte einlassen dürfen.

      Die Watschen, die sie ihm daraufhin gegeben hatte, schien ihn jedoch wieder zur Besinnung gebracht zu haben.

      »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich hab’ mich wohl für einen Moment vergessen. Laß uns wenigstens noch ein kleines Stück gehen. Dort drüben ist eine Wiese. Wir können ein bissel ausruhen, ehe wir uns auf den Rückweg machen.«

      Das war vor einer guten Stunde gewesen.

      Mehr oder weniger verärgert war sie ihm gefolgt. Wolfgang hatte die nasse Jacke ausgezogen und zum Trocknen über einen Baumstumpf gelegt. Jetzt hockte er im Gras.

      »Nicole, ich hab’ mir in den letzten Tagen viele Gedanken um uns gemacht«, sagte er und schaute ihr dabei in die Augen. »Ich weiß, ich hab’ dich net immer so behandelt, wie ein Mann die Frau, die er liebt, behandeln sollte. Das tut mir leid. Ich bereu’ meine Fehler aufrichtig, und bitte dich hier und jetzt noch einmal um Verzeihung.«

      Als sie nichts darauf sagte, griff er zu seiner Jacke und holte das Käst­chen mit den Ringen heraus. Er öffnete es.

      »Diese Ringe hab’ ich im vollen Bewußtsein gekauft, daß ich dich liebe und zu meiner Frau machen will«, fuhr er fort. »Wir beide gehören zusammen, Nicole. Das mit dem anderen, das kann doch net ernst sein. Wie lang’ kennen wir uns schon? Wie lang’ hat’s gebraucht, bis zu unserem ersten Kuß?

      Du willst mir doch net ernsthaft weismachen, daß du ihn mehr liebst, als mich. Du bist alles, was ich will, und mit dir möcht’ ich mein Leben teilen.«

      Die Studentin war, im Gegensatz zu ihm, stehengeblieben und schaute auf ihn hinab. In ihrem Gesicht war nicht zu lesen, was sie dachte, nur in ihren Augen stand ein unendliches Bedauern.

      »Warum, Wolfgang?« fragte sie mit leiser Stimme, »warum so spät? Was glaubst du wohl, wie oft ich mich danach gesehnt hab’, wieder solche Worte von dir zu hören!

      Und dann die Ringe. Tausendmal hab’ ich mir vorgestellt, wie es sein würde, wenn du mir einen Antrag machst, und tausendmal hätte ich ja gesagt.

      Doch es ist zu spät. Viel zu spät. Durch dein Verhalten hast du alles kaputtgemacht. Meine Liebe zu dir ist gestorben und sie kann net zu neuem Leben erwachen.

      Doch, Wolfgang, es ist so, daß ich Florian von Herzen


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