Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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schöne Zeit, das kann niemand bestreiten. Und es täte mir leid, wenn wir im Zorn auseinandergingen. Das ist’s bestimmt net, was ich will. Es würd’ mich sehr freuen, wenn wir Freunde bleiben könnten. Echte Freunde, die für einen da sind, wenn der andere sie braucht.«

      Der Lehrer spürte, wie jedes ihrer Worte ihm einen Stich versetzte. Da war sie wieder, die ganz klare Absage.

      Er biß sich auf die Lippen.

      »Darüber reden wir, wenn wir angekommen sind«, sagte er und deutete durch die Scheibe zum Himmel. »Schau’, es wird schon wieder heller.«

      Sie hatten den Parkplatz am Fuße des Koglers erreicht. An anderen Sonntagen, wenn besseres Wetter herrschte, standen die Autos hier dicht an dicht. Der Berg, auf dessen anderer Seite schon Österreich lag, war ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für Familien. Es gab herrliche Wanderwege, die auch für Leute geeignet waren, die nicht so gut zu Fuß waren. Auf der Ostseite hingegen gab es Steilwände und schroffe Felsen, die für jeden Bergsteiger eine Herausforderung darstellten.

      Wolfgang schaltete den Motor aus. Nicole öffnete die Beifahrertür und schaute prüfend zum Himmel. Tatsächlich hatten sich die Regenwolken verzogen, und die Sonne zeigte sich.

      »Komm, wir gehn dort hinauf«, zeigte Wolfgang Arnhäuser auf einen Weg, an dem ein Schild auf die Kachlachklamm hinwies. Sechs Kilometer waren es bis dorthin.

      Sie begannen den Aufstieg, wobei Nicole sich fragte, warum Wolfgang keine festen Schuhe angezogen hatte, wenn er auf einen Berg wollte. In seinen leichten Slippern lief er Gefahr, leicht auszurutschen. Sie trug wenigstens Halbschuhe mit Schnürsenkeln, die eine Kreppsohle besaßen.

      Offenbar hatte Wolfgang gar keine anderen Schuhe dabei. Wieder ein Indiz dafür, daß er Hals über Kopf nach St. Johann gekommen war, ohne sich richtig darauf vorzubereiten.

      Indes schien ihn dieser Umstand nicht zu kümmern. Der Lehrer atmete tief ein und stieß die Luft hörbar wieder aus.

      »Ach, ist das net herrlich hier?« schwärmte er.

      Sie hatten eine kleine Anhöhe erreicht, von der aus man ins Tal sehen konnte.

      Nicole mußte zugeben, daß es wirklich ein schöner Anblick war, auch wenn sie mit ihren Gedanken bei Florian weilte und sich daran erinnerte, wie sie bei ihrer Bergtour das Tal, von den Höhen der Kandereralm aus, gesehen hatten.

      Wolfgang drängte zum Weitergehen.

      Was genau er anstellen sollte, wußte er noch nicht. Er wartete einfach auf die Gelegenheit, die Ringe hervorzuziehen und seinen Antrag zu wiederholen. So gingen sie schweigend weiter.

      Nach einiger Zeit vernahmen sie das Rauschen von Wasser.

      »Das muß die Klamm sein, in die der Gebirgsfluß stürzt«, rief Wolfgang und zog Nicole mit sich, die nur widerstrebend folgte.

      »Warte«, rief sie. »Wolfgang, laß uns hierbleiben. Du hast ja net einmal richtiges Schuhwerk an!«

      »Ach was«, meinte er unbekümmert. »Der Wanderweg ist doch kinderleicht. Komm!«

      Da er ihre Hand nicht losließ, blieb ihr nichts anderes übrig, als mitzulaufen. Das Getöse des Wassers wurde immer lauter und dröhnte schon bald in ihren Ohren. Man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen, als sie die Brücke erreichten, die über die Klamm führte.

      Sie mußten schreien, wenn sie sich verständigen wollten. Trotz der schmalen Überdachung spritzte das Wasser hoch auf, und Wolfgang, der ein teures Sakko trug, war sofort durchnäßt.

      »Macht nix«, grinste er. »Das trocknet wieder.«

      »Sag’ mal, du willst doch net wirklich da hinüber?« fragte Nicole, als er Anstalten machte, die Brücke zu überqueren.

      »Warum net?« rief er zurück. »Auf der anderen Seite ist’s bestimmt schön. Schau’, da drüben scheint die Sonne.«

      Mit ein paar Schritten war er hinübergelaufen und winkte ihr zu.

      »Na los, trau’ dich. Es ist doch nur Wasser.«

      Nicole zog die Augenbrauen hoch und lief ihm nach. Auf der anderen Seite nahm er sie in Empfang. Stürmisch riß er sie in seine Arme und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen.

      »Nicole, ich liebe dich«, sagte er und suchte ihren Mund.

      Die Studentin preßte ihre Lippen zusammen.

      So hatte er sich das also vorgestellt. Sie aus dem Dorf herauslocken, an einen einsamen Ort und dann über sie herfallen.

      Sein Drängen wurde immer heftiger, und seine Hände fuhren fordernd über ihren Körper.

      »Komm«, rief er. »Wehr’ dich net. Wir gehören doch zusammen, du und ich. Nicole, ich geb’ dich net her. Nie und nimmer!«

      Er hielt sie so fest umklammert, daß es ihr nur mit Mühe gelang, sich gegen ihn zu wehren. Als sie endlich eine Hand frei hatte, hob sie sie und ließ sie in Wolfgangs Gesicht klatschen.

      Er zuckte zurück und ließ sie unwillkürlich los. Dann sah er sie mit einer Mischung aus Wut und Verlegenheit an und fuhr sich mit der Hand über die brennende Wange.

      Nicole biß sich auf die Lippen.

      »Entschuldige«, sagte sie, als sie den rotgefärbten Abdruck ihrer Hand in seinem Gesicht sah. »Aber ich wußt’ mir net anders zu helfen.«

      »Schon gut«, erwiderte er und sah sie nachdenklich an.

      Dann griff er in seine Jackentasche und grinste dabei.

      *

      Die Zeit zwischen Kirchgang und Mittagessen überbrückte Florian Mooser mit Spaziergängen durch St. Johann und Kaffeetrinken, im Garten des Hotels. Zum Glück hatte sich das Wetter etwas gebessert, wenngleich für den Nachmittag wieder Regenfälle angekündigt waren.

      In einem Andenkengeschäft hatte der Student ein paar Ansichtskarten für seine Sammlung gekauft. Das tat er immer, wenn er irgendwo war, um später eine Erinnerung an den Ort zu haben. Allerdings war er sicher, daß St. Johann ihm bestimmt nicht mehr aus dem Sinn gehen würde, schließlich hatte er hier die Liebe seines Lebens kennengelernt.

      Mit einer Zeitung, die er ebenfalls gekauft hatte, saß er nun im Kaffeegarten und blätterte darin. Doch so ganz konnte er sich auf das Geschriebene nicht konzentrieren, immer wieder schweiften seine Gedanken zu Nicole ab, und dem, was sie jetzt wohl gerade machte.

      War es vielleicht doch ein Fehler gewesen, sie gehen zu lassen?

      Florian merkte, wie ihm Zweifel kamen. Wer konnte schon sagen, was der Kerl mit ihr anstellte, wenn er merkte, daß es ihr wirklich ernst war?

      Ach was, versuchte er sich zu beruhigen, Nicole wird schon wissen, wie sie ihn zu nehmen hat. Schließlich ist dieser Wolfgang Arnhäuser ja kein Unbekannter für sie.

      Florian blätterte weiter in der Zeitung und las den Sportteil. Für Fußball interessierte er sich nur mäßig, aber der Bericht über die Leichtatletikmeisterschaft war da etwas ganz anderes. Er selbst trainierte mit der Universitätsmannschaft und hielt einen Rekord im Hürdenlaufen. Da er Sportpädagogik studierte, war es nur logisch, daß er auch in seiner Freizeit sportlich aktiv war.

      Nach und nach gesellten sich andere Teilnehmer der Reisegruppe zu ihm. Sie sprachen über das gelungene Wochenende, Adressen und Telefonnummern wurden ausgetauscht, und Versprechen gegeben, sich bei diesem oder jenen zu melden und den Kontakt nicht einfach so abbrechen zu lassen. Vielleicht würde man sich sogar wieder zu so einer Fahrt verabreden.

      Die Unterhaltung lenkte Florian ein wenig von den Gedanken an Nicole ab. Dennoch schaute er hin und wieder auf die Uhr.

      Seit gut zwei Stunden war sie jetzt fort. Eigentlich konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie zurückkam. Wahrscheinlich würde sie ihn hier suchen, wenn sie ihn im Hotel nicht antraf.

      Der Student war dann doch erstaunt, als die Gruppe zum Mittag­essen gerufen wurde. Er ging zur Straße und schaute suchend auf und ab.


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