Freifahrtschein. Mila Roth

Freifahrtschein - Mila Roth


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erzählte, was sie nach dem Treffen mit Senta beim Autoscooter erlebt hatte.

      Konzentriert hörte Markus ihr zu, stellte hier und da eine Zwischenfrage und schwieg nachdenklich, nachdem sie ihren Bericht beendet hatte. Er schaute sich aufmerksam um, bevor er den Blick wieder auf sie richtete. »Sie haben nicht gesehen, wohin die beiden verschwunden sind?«

      »Nein, leider nicht. Sie waren von einem Moment zum nächsten weg. Genauso wie der Mann, mit dem sie gesprochen haben. Aber ich glaube, ich weiß, wo er arbeitet.«

      »Ach ja?«

      »Ich habe ihn schon öfters bei Sentas Autoscooter gesehen und … Hey, was soll das?«, unterbrach sie sich, als Markus sie unvermittelt an den Oberarmen fasste und mit einem Ruck herumdrehte, sodass sie fast gegen die Glasabtrennung des Imbisswagens geprallt wäre. Der Koch zwinkerte ihr fröhlich zu.

      Markus legte ihr seinen Arm um die Schultern und raunte: »Nicht bewegen, mit etwas Glück sehen sie uns nicht.«

      »Wer?« Janna erstarrte vor Schreck. »Alim und Abida?«

      Markus antwortete erst, nachdem er unauffällig auf die vorbeiflanierende Menge geschaut hatte. »Nein.« Er ließ sie so rasch wieder los, dass sie erneut beinahe gestrauchelt wäre. »Ihre Eltern und die Kinder.«

      »Oh.« Nun schaute auch Janna sich um und sah gerade noch das rote Haar ihrer Mutter im Trubel verschwinden. Gleichzeitig umwehte sie der Duft von Markus’ Rasierwasser, und das irritierte sie mehr, als ihr lieb war. Entschlossen ignorierte sie diese merkwürdige Anwandlung und räusperte sich. »Also, was machen wir denn jetzt?«

      »Sie zeigen mir jetzt den Mann, mit dem unsere beiden Terroristen sich getroffen haben.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Gehen wir.«

      Er ließ ihr den Vortritt, war aber gleich wieder an ihrer Seite. Sie spürte, dass er ihr seine rechte Hand leicht auf den Rücken legte, wie um sie zu führen. Eine umsichtige Geste, die sie für einen Moment erneut verwirrte. Mit der linken Hand hatte er sein Handy aus der Jacke gefischt und wählte eine Nummer im Kurzwahlspeicher. »Alexa? Ich bin’s. Hör mal, das wird heute nichts mit unserem Abendessen. Ich habe noch was zu erledigen. Wie? Nein, ein Einsatz.« Janna sah ihn von der Seite an und bemerkte, dass er die Augen verdrehte. »Auf Pützchens Markt«, redete er weiter und beantwortete damit offenbar die Frage der Frau am anderen Ende der Leitung. »Nein, ich will dich nicht verscheißern. Frau Berg hat mich angerufen, weil sie – Was? Hast du einen Vogel?« Er verzog verärgert die Lippen. »Hör zu, Alexa, ich habe jetzt keine Zeit für so was. Wir holen das Essen ein andermal nach, okay? Ich melde mich.« Er unterbrach die Verbindung und schob das Handy wieder in die Innentasche seiner Jacke.

      Janna knabberte an ihrer Unterlippe. »Ihre Freundin? Es tut mir leid, wenn ich Ihre Pläne für heute Abend durchkreuzt ...«

      »Vergessen Sie es.« Er winkte ab. »Alexa wird es verkraften.«

      »Sie hätten aber ruhig etwas netter zu ihr sein können«, befand Janna. »Ihre Freundin kann schließlich nichts dafür, dass ...«

      »Frau Berg.« Markus blieb stehen und zwang damit auch sie zum Anhalten. »Alexa ist nicht meine Freundin, sondern eine Kollegin, und sie wird darüber wegkommen. Können wir uns jetzt bitte auf das Hier und Jetzt konzentrieren?«

      »Okay, schon gut. Ich dachte ja nur ...« Janna zuckte die Achseln. Sie ging noch ein paar Schritte weiter in Richtung des Autoscooters und blieb dann erneut stehen. »Da, sehen Sie den grauhaarigen Mann, der die Fahrzeuge an den Rand der Fahrfläche schiebt? Das ist er.«

      Markus folgte mit Blicken ihrem ausgestreckten Arm und zog ihn gleichzeitig mit einem Ruck nach unten. »Nicht so auffällig«, zischte er. Rasch holte er sein Smartphone hervor und machte ein Foto von dem Arbeiter. »Also gut, ich werde checken, ob er aktenkundig ist. Jetzt zeigen Sie mir noch, wo Sie ihn mit Abida und Alim gesehen haben.«

      »Hier.« Sie führte ihn um den Autoscooter herum zu der Absperrung, hinter der sich die Wohnwagen der Schausteller befanden. Als sie hinter sich eine ihr nur zu bekannte Stimme vernahm, erschrak sie.

      »Janna? Bist du das? Ich dachte, du wärst längst weg.« Senta Rath kam, ein etwa sechs Monate altes Baby auf dem Arm, auf sie zu und beäugte Markus dabei neugierig. »Wen hast du denn da mitgebracht? Bist du nicht mehr mit Sander zusammen?«

      »Senta ...« Janna räusperte sich entsetzt und suchte verzweifelt nach einer Ausrede.

      Doch Markus hatte schon ein breites Lächeln aufgesetzt und streckte Senta seine rechte Hand hin, die diese sogleich ergriff. »Guten Tag. Ich bin Markus Neumann, ein Kollege von Janna. Wir sind uns eben zufällig hier begegnet und ein paar Schritte zusammen über den Markt gegangen.«

      »Ach so, Entschuldigung.« Senta schüttelte seine Hand; gleichzeitig runzelte sie die Stirn. »Kollege? Ich dachte, du wärest selbstständig?« Fragend blickte sie Janna an und wieder antwortete Markus, bevor sie reagieren konnte.

      »Sie hilft uns ab und zu im Institut aus.« Er warf ihr einen kurzen, aber durchdringenden Blick zu und sprach weiter. »Das Institut für Europäische Meinungsforschung, wissen Sie? Wir führen Umfragen und statistische Erhebungen zu allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens durch.«

      »Na, so was.« Senta war sichtlich überrascht. »Davon hast du ja noch nie was erzählt, Janna. Das ist doch bestimmt spannend.«

      »Na ja, es ist nur ... ein kleiner Nebenjob«, antwortete Janna etwas unbehaglich.

      »Und ihr geht zusammen ein bisschen über den Markt? Wo sind denn deine Eltern und die Kinder? Oder hast du die einfach nach Hause geschickt?« Sie lachte erheitert und zwinkerte ihr zu.

      Janna lächelte. »Nein, meine Eltern sind mit den Zwillingen Pizza essen gefahren.«

      Da in diesem Augenblick das Baby zu greinen begann, hob Senta die Hand zum Gruß. »Tut mir leid, aber wir waren gerade auf dem Weg in den Wohnwagen. David braucht eine neue Windel. Ich wünsche euch noch viel Spaß. Und vielleicht macht ihr ja mal eine Umfrage zum Thema Schaustellerleben. Da wäre ich sofort dabei.«

      Markus lächelte ihr zu. »Vielleicht machen wir das wirklich. Dann komme ich auf Ihr Angebot gerne zurück. Auf Wiedersehen!«

      »Tschüss!« Senta winkte noch einmal und verschwand eilig mit dem weinenden David im Wohnwagen.

      »Gut.« Markus grinste zufrieden.

      »Was meinen Sie?« Überrascht sah Janna ihn an. »Ich dachte schon, mich trifft der Schlag, als Senta plötzlich aufgetaucht ist.«

      »Warum? Das ist doch ausgezeichnet gelaufen. Wir haben die perfekte Cover-Story.«

      »Die perfekte was?«

      »Tarnung«, erklärte er, noch immer mit einem äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck. »Morgen kommen wir wieder her und führen eine Umfrage durch. Eine bessere Gelegenheit, mit den Angestellten der Firma Rath zu sprechen, werden wir so leicht nicht mehr bekommen. Auch bei den anderen Schaustellern werden wir auf diese Weise mehr Glück haben. Und das Beste daran ist, dass es nicht mal unsere Idee war, sondern dass Ihre Freundin uns auf den Gedanken gebracht hat. Einfach ideal.«

      Janna starrte ihn verblüfft an. »Sie meinen, wir sollen so tun, als wären wir ...«

      »… tatsächlich an der Umfrage unter Schaustellern interessiert«, vervollständigte er den Satz. »Jawohl. Die Details lasse ich von unseren Leuten ausarbeiten. Morgen Vormittag kommen wir wieder her und können Fragen stellen, ohne Verdacht zu erregen.«

      »Aber ...« Janna schüttelte den Kopf. »Morgen ist Sonntag.«

      »Und?«

      »Ich habe eine Familie, die erwartet, dass ich sonntags für sie da bin.«

      »Diesen Sonntag eben mal nicht.« Markus zuckte die Schultern. Als er ihr empörtes Gesicht sah, seufzte er. »Hören Sie, Frau Berg, es ist wichtig, dass Sie mit dabei sind. Frau Rath kennt Sie und vertraut Ihnen. Sind Sie anwesend, wird sie sich kooperativer zeigen – und ihre Mitarbeiter wahrscheinlich ebenfalls. Außerdem waren Sie es,


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