Offenbacher Einladung. Группа авторов

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dem Sandstrand, einen kleinen Sprung, und dann ein staunendes Gesicht: Das ist mein Sesam–öffne–dich. Nun bin ich da und darf bestaunen, was ich sehe.

      Jemand anderes muss über Nacht getanzt haben. Der Sandstrand zeigt vielhundert Abdrücke von Vogelfüßen, in erstaunlichen Mustern geordnet, als habe dort eine ganze Ballettkompanie geprobt. Und wie kann es sein, dass die Wasserlinie in der Nacht offenbar höher war als jetzt? Wer hat hier so heftige Wellen geschlagen?

      Der Weiher zeigt sich dem, der ihn sehen möchte, als eine kleine Wildnis, so würde es der englische Autor Robert Macfarlane in seinen Landschaftsbeschreibungen wohl bezeichnen. Fast bei jedem Besuch entdecke ich etwas, das sich planlos und ohne menschlichen Eingriff entwickelt. Etwas, das mich zu einem Zuschauer und Entdecker macht. Ich kann mich annähern, kann mich einfangen lassen von dem, was ich wahrnehme, und bleibe doch ein staunender Eindringling. Es ist kein Traumort. Ich verfolge kein Ziel; komme nicht, um mich zu verlieren, nicht, um mich zu finden, sondern weil mir hier so ganz Anderes begegnet, das mir fremd, und neu und einzigartig ist.

      Die Beleuchtung ist jeden Morgen von neuem spannend. Die Büsche am östlichen Ufer verbergen den Horizont, selten gibt es hinter und über dem Buschwerk einen prachtvollen, orangeroten Sonnenaufgang wie für eine Ansichtskarte vom »schönen Offenbach«. Die frühe Sonne verbreitet oft nur ein indirektes Licht. Wenn ich früh bin, und bei dichten Wolken, ist noch kein bisschen Sonnenaufgang zu sehen.

      Ich komme durch mein Tor und höre einige Enten miteinander sprechen, leise, eindringlich. Später werden sie in einer Reihe zur Wasserkante schreiten und sich vorwärts in den Spiegel fallen lassen, eine direkt nach der anderen. Wenn da eine an der Kante zögerte – die nächste würde sie unweigerlich hineinstoßen, so dicht folgen sie einander. Aber erst, wenn es hell genug ist.

      Ihren lyrischen Auftritt haben die Enten bei Frühnebel. Wasser, Ufer, Himmel, alles verblasst in heller Unschärfe, ein unwirkliches Bild, aus dem sich nur die schwimmenden Vögel gestochen scharf abheben. Weshalb sind sie auf dem Wasser stets nach Nordosten gerichtet, also mir abgewandt? Weiß leuchtet ihr Bürzel. Es tut mir leid, dass ich immer noch nicht nachgeschaut habe, wie sie heißen. Aber ich bin kein Zoologe, ich kenne mich nicht aus, und genau das ist meine Beziehung zu diesem Ort. Ich kenne mich nicht aus, sondern ich staune.

      Mitunter sendet die frühe Sonne unsichtbare Strahlen über die östlichen Uferbüsche hinweg, ganz verborgen oberhalb der Wolken, die darauf auf den Büschen lagern, bis hinüber zum westlichen Himmel. Dort aber bringt sie die Wolken zum Leuchten! Ein westlicher Vorschein des Sonnenaufgangs, ganz zart rosa mit einem kleinen Anteil Fliederfarbe, mehr zu ahnen als zu sehen. Vor dem noch halbdunklen Himmel erscheinen diese Wolken heller. Ich kneife die Augen zusammen, um den Kontrast genauer einzuschätzen: Diese beleuchteten Wolken stehen tatsächlich doch dunkel unter dem schon halb hellen Himmel. Ein zartes Spiel der Schattierungen, des Farbwechsels, der feinen Kontraste. Ein Spiel auch mit mir und meiner Wahrnehmung.

      Unterdessen starten die Enten vom Wasser aus, in V–Formation, sportlich. Der See, bis dahin ein schwarzer, glatter Spiegel, spritzt und schäumt. Kaum in der Luft, veranstalten die Vögel ein lautes Schnattern, mit Druck und einander übertönend, eine Horde jugendlicher Kraftprotze.

      Der Weiher hat auch ruhigere Bewohner. Ein Reiher war den ganzen Sommer dort. Seine Kollegen sitzen am Fluss auf Bäumen, von denen sie sich bei meinem Herannahen heruntergleiten lassen, zur einen oder zur anderen Seite: ein Orakel, das mein weiteres Schicksal entscheidet. Währenddessen steht der Einsame im Ufersand des Weihers. Wie will er denn von dort aus fischen? Vielleicht wirke ich hier genauso deplatziert.

      Beeindruckt hat mich auch der Otter, der ein paar Monate lang den Weiher bewohnt hat. Eine Art Dackel mit Schwimmflossen und Rattenschwanz, und eigentlich unglaublich behände. Unser Exemplar schien mir eher etwas behäbig und phlegmatisch. Die Naturschutzbehörde hatte ihn an den Weiher geholt, damit er den Fischbestand hinreichend schmal hält und so dazu beiträgt, das ständig gefährdete ökologische Gleichgewicht auszutarieren. Das Arbeitsverhältnis hat sich nicht lange bewährt – Spaziergänger haben den flotten Burschen immer wieder und so lange mit Mitgebrachtem gefüttert, bis er keinen Antrieb mehr hatte, fischen zu gehen.

      Und eines Hochsommermorgens war da die Schildkröte. Ihr Panzer gut zwanzig Zentimeter lang, der jahrhundertrunzlige Hals bunt gebändert, neonfarben violett und hellgrün, schick und ein wenig gewagt. Drei solcher Schildkröten sehe ich immer wieder, wenn ich mit meinem Faltboot die untere Kinzig hinauffahre, dieses Stückchen Amazonas zwischen der Philippsruher Allee und dem Bahnhof Hanau Nord. Ist eine von ihnen den Main heruntergeschwommen und dann über das Deichvorland marschiert bis zum Weiher? Hier gibt es, anders als an der schattig überwachsenen Kinzig, heißen Sand – doch wie sollte sie diese Information bekommen haben? Die Schildkröte hat meines Erachtens eine lange, gefährliche Expedition hinter sich gebracht.

      Nun liegt sie hier und gräbt engagiert mit den Krallen der Hinterbeine, gräbt rückwärts eine Kuhle in den warmen, mit kurzem Gras überwachsenen Sandboden, gräbt eine Ei–Ablage. Dieser Sommer ist extrem lang, aber sicher doch nicht lang und heiß genug, dass die Eier reifen könnten und neue Schildkröten schlüpfen. Aber sie macht den Versuch, und allein damit entrückt sie den Weiher in eine andere Sphäre, stärkt die Eigenart des Ortes. Mit ihrem beharrlichen und letztlich wahrscheinlich erfolglosen Wühlen auf einer tellerkleinen Fläche fügt sie dem Weiher etwas hinzu, das nicht mehr verlöschen kann.

      Ich renne weiter, zwischen den Eichen über den häufig gemähten Rasen, zum nördlichen Ausgang des umgrenzten Terrains. Es beschert mir realistische Erfahrungen, die knapp neben dem Gewohnten liegen, weil Wildnis per se uns nicht vertraut sein kann. Auch wenn sie an jedem Tag nur aus ein bis zwei Details besteht, klein wie mein Handteller oder groß wie der Himmel, das macht keinen prinzipiellen Unterschied. Kaninchen hoppeln vor mir weg. Sie sind das niedere Personal des Weihers, und bergen doch ihre eigenen Geheimnisse. Geheimnisse werden es freilich nur durch meine Neugier.

      Den Uferweg zurück nach Bürgel teile ich mir mit Radfahrern auf dem Weg zur Arbeit, mit angeleinten Hunden, mit anderen Morgenläufern. Ich bin einer von ihnen, und dann ist da noch das neu Bestaunte von diesem Tag.

      

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