Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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un­ver­än­der­li­chen, zärt­li­chen Lä­cheln, das gleich­zei­tig an­zog und ab­stieß, das zu sa­gen schi­en »Du ge­fällst mir« und auch »Nimm dich in acht«, und des­sen wirk­li­chen Sinn er nie er­ra­ten konn­te, emp­fand er in ers­ter Li­nie das Be­dürf­nis, sich ihr zu Fü­ßen zu le­gen oder die zier­li­chen Spit­zen zu küs­sen, die ihre zar­te Haut be­deck­ten, und lang­sam den war­men, par­fü­mier­ten Duft ein­zuat­men, der von ih­rer Brust ström­te. Bei Ma­da­me de Ma­rel­le emp­fand er ein et­was bru­ta­le­res und be­stimm­te­res Ver­lan­gen, eine Be­gier­de, die sei­ne Fin­ger zu­cken ließ, wenn er die run­den For­men ih­res Kör­pers un­ter der leich­ten Sei­de sah.

      Sie sprach im­mer wei­ter, und fast aus je­dem Satz sprüh­te die­ser leich­te, geist­rei­che Witz, den sie so rou­ti­niert be­herrsch­te, wie ein Meis­ter sein Hand­werk be­herrscht und mit ei­nem rech­ten Griff eine schwie­ri­ge Ar­beit mit er­staun­li­cher Ge­wandt­heit aus­führt. Er hör­te zu und dach­te: »Das müss­te man sich mer­ken. Man könn­te die hüb­sche­s­ten Feuil­le­tons schrei­ben, wenn man sie über die Pa­ri­ser Ta­ge­s­er­eig­nis­se plau­dern hört.«

      Jetzt klopf­te es ganz lei­se an der Tür. Ma­da­me de Ma­rel­le rief:

      »Du kannst her­ein­kom­men, Klei­ne!«

      Das klei­ne Mäd­chen er­schi­en, ging di­rekt auf Du­roy zu und reich­te ihm die Hand.

      Die Mut­ter mur­mel­te er­staunt:

      »Das ist ja eine Erobe­rung. Ich er­ken­ne sie nicht wie­der.«

      Der jun­ge Mann küss­te das Kind, setz­te es ne­ben sich und er­kun­dig­te sich ernst und lie­bens­wür­dig nach al­lem, was es in der letz­ten Zeit ge­tan hat­te. Sie ant­wor­te­te mit ih­rer dün­nen Flö­ten­stim­me und mit der erns­ten Mie­ne ei­ner er­wach­se­nen Dame.

      Die Uhr schlug drei. Der Jour­na­list er­hob sich.

      »Kom­men Sie recht oft,« bat Ma­da­me de Ma­rel­le, »wir plau­dern dann wie heu­te. Sie wer­den mir stets will­kom­men sein. Aber warum sieht man Sie nie mehr bei Fo­res­tiers?«

      »Ein Zu­fall,« er­wi­der­te er, »ich hat­te so viel zu tun. Ich hof­fe aber, dass wir uns dem­nächst dort ein­mal wie­der tref­fen wer­den …«

      Und er ging, in­ner­lich vol­ler Hoff­nung, ohne recht zu wis­sen, warum.

      Fo­res­tier sag­te er nichts über die­sen Be­such, aber die Erin­ne­rung dar­an wich wäh­rend des gan­zen fol­gen­den Ta­ges nicht von ihm; es war mehr als bloß Erin­ne­rung, ein Ge­fühl der un­wirk­li­chen, an­dau­ern­den Ge­gen­wart die­ser Frau. Ihm war es, als hät­te er einen Teil von ihr fort­ge­tra­gen, als wäre das Bild ih­res Kör­pers in sei­nen Au­gen und der Reiz ih­res We­sens in sei­nem Her­zen ge­blie­ben. Und er blieb im Ban­ne die­ser Vor­stel­lung, wie es manch­mal ge­schieht, wenn man schö­ne Stun­den mit ei­nem Men­schen ver­bracht hat. Man meint dann, man wäre von et­was Fremd­ar­ti­gem, Hol­dem, Köst­li­chem voll­stän­dig ein­ge­nom­men, das umso ver­wir­ren­der und rei­zen­der er­scheint, je we­ni­ger wir es deu­ten kön­nen.

      Nach ein paar Ta­gen wie­der­hol­te er sei­nen Be­such.

      Die Zofe führ­te ihn in den Sa­lon und gleich dar­auf er­schi­en Lau­ri­ne. Sie hielt ihm nicht ihre Hand, son­dern ihre Stirn hin und sag­te:

      »Mama lässt Sie bit­ten, et­was zu war­ten. Es wird eine Vier­tel­stun­de dau­ern, denn sie ist noch nicht an­ge­zo­gen. Ich leis­te Ih­nen so­lan­ge Ge­sell­schaft.«

      Du­roy, dem das wür­di­ge Be­neh­men der Klei­nen Spaß mach­te, sag­te:

      »Vor­treff­lich, mein klei­nes Fräu­lein, ich bin ent­zückt, mit Ih­nen eine Vier­tel­stun­de zu ver­brin­gen. Aber ich muss Sie dar­auf auf­merk­sam ma­chen, dass ich gar nicht so ernst bin; ich spie­le den gan­zen Tag und schla­ge Ih­nen da­her vor, wir spie­len ein biss­chen Ha­schen.«

      Die Klei­ne schi­en zu­erst er­staunt, dann lä­chel­te sie wie eine Dame über die­sen Ein­fall, der sie ein biss­chen är­ger­te und ein biss­chen über­rasch­te und mur­mel­te:

      »Das Zim­mer ist nicht zum Spie­len ein­ge­rich­tet.«

      »Das ist mir ganz egal«, er­wi­der­te er. »Ich spie­le über­all. Also los! Ha­schen Sie mich!«

      Und er be­gann um den Tisch her­um­zu­lau­fen; sie folg­te ihm und lä­chel­te, als täte sie das nur aus Höf­lich­keit. Hin und wie­der streck­te sie die Hand aus, um ihn zu ha­schen, ohne sich je­doch zum Lau­fen hin­rei­ßen zu las­sen. Er blieb ste­hen, duck­te sich, und wenn sie mit ih­rem klei­nen, zö­gern­den Schritt an­kam, sprang er in die Höhe, wie ein Teu­fel aus dem Kas­ten, und lief dann bis ans an­de­re Ende des Zim­mers. Sie fand Ge­fal­len dar­an und fing an zu la­chen; sie lief nun eif­rig hin­ter ihm her und kreisch­te halb fröh­lich, halb ängst­lich auf, wenn sie ihn ge­fasst zu ha­ben glaub­te. Er schob die Stüh­le hin und her, um ihr Hin­der­nis­se in den Weg zu le­gen. Bald ließ er sie eine Mi­nu­te lang um einen und den­sel­ben Stuhl her­um­lau­fen, bald sprang er von ei­nem zum an­de­ren. Lau­ri­ne lief jetzt rich­tig und gab sich ganz dem Ver­gnü­gen die­ses Spie­les hin. Mit ro­si­gem Ge­sicht­chen und echt kind­li­cher Be­geis­te­rung stürz­te sie bei je­der Flucht, bei je­der List und je­dem Schein­ma­nö­ver ih­res Spiel­ge­fähr­ten mit Schwung hin­ter ihm her.

      Jetzt glaub­te sie ihn end­lich fas­sen zu kön­nen, da er­griff er sie mit bei­den Ar­men, hob sie bis zur De­cke em­por und rief:

      »Ge­fan­gen, ge­fan­gen!«

      Die Klei­ne stram­pel­te ent­zückt mit den Bein­chen, um sich zu be­frei­en, und lach­te da­bei aus vol­lem Her­zen.

      Als Ma­da­me de Ma­rel­le ein­trat, war sie ver­blüfft:

      »Aber Lau­ri­ne! … du spielst? Sie sind ja ein Zau­be­rer, mein Herr!«

      Er setz­te die Klei­ne wie­der zu Bo­den und küss­te der Mut­ter die Hand. Sie setz­ten sich, die Klei­ne saß da­zwi­schen. Sie woll­ten plau­dern, aber Lau­ri­ne, die sonst im­mer schwieg, war wie be­rauscht und schwatz­te un­auf­hör­lich, so­dass die Mut­ter sie auf ihr Zim­mer schi­cken muss­te. Sie ge­horch­te, ohne zu ant­wor­ten, aber mit Trä­nen in den Au­gen.

      So­bald sie al­lein wa­ren, sag­te Ma­da­me de Ma­rel­le mit ge­dämpf­ter Stim­me:

      »Sie wis­sen noch nicht, ich habe eine große Sa­che vor und ich habe an Sie ge­dacht. Sie wis­sen, ich spei­se jede Wo­che ein­mal bei Fo­res­tiers und ich re­van­chie­re mich von Zeit zu Zeit, in­dem ich sie in ein Re­stau­rant ein­la­de. Ich sehe nicht gern Ge­sell­schaft bei mir, ich bin da­für nicht ge­schaf­fen, au­ßer­dem kann ich kei­nen Haus­halt füh­ren und von der Kü­che ver­ste­he ich ab­so­lut gar nichts. Ich lebe gern ins Blaue hin­ein. Des­halb lade ich sie hin und wie­der in ein Re­stau­rant ein, aber wenn wir nur zu dritt sind, ist die Sa­che nie recht lus­tig. Und mei­ne Be­kann­ten pas­sen gar nicht zu ih­nen. Ich sage Ih­nen das, um Ih­nen mei­ne et­was au­ßer­ge­wöhn­li­che Ein­la­dung zu er­klä­ren. Sie fas­sen es also nicht falsch auf, wenn ich Sie bit­te, am Sonn­abend um acht im Café Ri­che zu spei­sen. Sie ken­nen doch das Re­stau­rant?«

      Er nahm die Ein­la­dung er­freut an und sie fuhr fort:

      »Wir wer­den nur zu viert sein, eine rich­ti­ge Par­tie carré. Sol­che klei­ne Fes­te sind sehr amüsant für uns Frau­en, die wir sel­ten in die Re­stau­rants kom­men.«


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