Buchführung und Jahresabschluss nach Handels- und Steuerrecht. Jörg Graetz
rel="nofollow" href="#u3ea3f2a0-a61c-467c-a1da-cc61bde0f2fd">Kap. 3.2.1).
Von der Buchführungspflicht werden Einzelkaufleute nach § 241a HGB befreit, wenn sie die Schwellenwerte für Umsatzerlöse (EUR 600.000) und Jahresüberschuss (EUR 60.000) nicht überschreiten. Notwendig ist allerdings die Einhaltung der Schwellenwerte an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen. Andernfalls entfällt die Befreiung. Nur bei Neugründungen reicht die Einhaltung am ersten Abschlussstichtag aus. Es handelt sich um ein Wahlrecht des Einzelkaufmanns.
Die Buchführungspflicht für steuerliche Zwecke ist in § 141 f. AO geregelt. Nach der sogenannten derivativen Buchführungspflicht nach § 140 AO führt die Buchführungspflicht nach anderen Gesetzen (z. B. für Kaufleute nach HGB) auch zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht. Handelsrechtliche Kaufleute unterliegen also stets auch der steuerrechtlichen Buchführungspflicht.
Ergänzend regelt § 141 AO eine originäre Buchführungspflicht für Nichtkaufleute. Sie tritt ein, wenn gewerbliche Unternehmen sowie Land- und Forstwirte bestimmte Größenkriterien überschreiten. Für Kleingewerbetreibende sind der Umsatz (EUR 600.000 im Kalenderjahr) oder der Gewinn (EUR 60.000) maßgebend. Werden beide Kriterien nicht überschritten, ist der Nichtkaufmann auch steuerrechtlich nicht zur Buchführung verpflichtet.
Trotz der Annäherung der Schwellenwerte für die Befreiung von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht nach § 241a HGB an die Schwellenwerte des § 141 AO für die originäre steuerrechtliche Buchführungspflicht ist eine Differenzierung bei den verwendeten Bezugsgrößen festzustellen, denn »Jahresüberschuss« und »Gewinn aus Gewerbebetrieb« sind nicht zwingend identisch. Das kann zu dem Ergebnis führen, dass ein von der handelsrechtlichen Buchführungsflicht befreiter Einzelkaufmann dennoch steuerrechtlich zur Buchführung verpflichtet ist.
Auch die steuerliche Verpflichtung zur Buchführung ist mit der Erstellung von Abschlüssen verbunden. Die Gewinnermittlung für Gewerbetreibende basiert ebenfalls auf einer Vermögensübersicht, der Steuerbilanz. Handels- und Steuerbilanz sind inhaltlich eng miteinander verbunden.
2.2.1.2 Rechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung der Buchführung
Unterliegt die Person mit ihrem Unternehmen der handelsrechtlichen Buchführungspflicht, ist im nächsten Schritt zu prüfen, welche gesetzlichen Regelungen die inhaltlichen Anforderungen an die Buchführung bestimmen. § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB formuliert den Grundsatz, dass die Buchführung so beschaffen sein muss, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens vermittelt. Dann gilt die Buchführung als ordnungsgemäß im Sinne des Gesetzes.
Gegenstand der Erfassung in der Buchführung sind also die Geschäftsvorfälle des Unternehmens. Als Geschäftsvorfälle sind alle erfassungspflichtigen Ereignisse zu benennen, die zu einer Veränderung des Vermögens und der Schulden des Kaufmanns in Bezug auf Struktur oder Höhe führen. Bei Einzelkaufleuten ergibt sich daraus eine notwendige klare Abgrenzung gegenüber Ereignissen, die in der privaten Sphäre des Unternehmers angesiedelt sind und nicht in der Buchführung des Unternehmens erfasst werden dürfen. In der Praxis ergeben sich in diesem Zusammenhang oftmals Abgrenzungsfragen, beispielsweise bei der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs. Zudem sind nicht alle dem Unternehmen zuzuordnende Ereignisse mit finanziellem Hintergrund zwingend und sofort in der Buchhaltung zu erfassen. Beispielsweise stellt der Abschluss eines Kaufvertrages über den Erwerb einer Maschine keinen sofort buchungspflichtigen Vorgang dar. Vielmehr erfolgt die Erfassung erst zu dem Zeitpunkt der Erfüllung eines der beiden Vertragspartner. Hier wirken sich die Regelungen des Bilanzrechts aus und bestimmen den Umfang und den Zeitpunkt der Erfassung von Geschäftsvorfällen in der Buchhaltung.
Ein bestimmtes konkretes Buchhaltungssystem und eine bestimmte Buchführungsform sind gesetzlich nicht vorgegeben. In der Praxis hat sich das System der doppelten Buchhaltung bewährt, weil es die gesetzlichen Anforderungen am besten erfüllt9.
Als gesetzliche Anforderung fordert zunächst § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB abstrakt die Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der allgemein anerkannte Regeln über die Führung der Handelsbücher und die Erstellung des Jahresabschlusses beinhaltet, die von allen Kaufleuten zu beachten sind. Es liegt keine gesetzliche Definition des Begriffs vor, vielmehr erfolgt die Bestimmung durch Wissenschaft, Rechtsprechung und Praxis. Er soll eine zweckorientierte Rechnungslegung gewährleisten, die flexibel und anpassungsfähig auch bei Veränderungen im Wirtschaftsleben anwendbar ist.
Mittlerweile sind viele der ehemals ungeschriebenen GoB in das HGB als Einzelnormen übernommen worden. Auch die gesetzlich nicht fixierten GoB stellen zwingend zu beachtende Regelungen dar.
Eine allgemein anerkannte Systematisierung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung liegt bis heute nicht vor. Die verschiedenen Ansätze unterscheiden sich auch in Details (
Abb. 2.4: System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung10
Für die Ausgestaltung der Buchführung sind neben Aspekten der Rahmengrundsätze insbesondere die formellen GoB bestimmend:
• Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB); obwohl es sich um einen Grundsatz zur Aufstellung des Jahresabschlusses handelt, gilt er auch für die Buchführung. Der Grundsatz bezieht sich auf die Form der Aufzeichnungen in der Buchführung. Er verlangt die eindeutige Bezeichnung und Ordnung von Bilanzposten und Geschäftsvorfällen zur Herstellung von Verständlichkeit und Übersichtlichkeit.
• Richtigkeit (§ 239 Abs. 2 HGB) erfordert eine den Tatsachen entsprechende Führung der Bücher, die intersubjektiv nachprüfbar ist. Die Feststellung der Richtigkeit einer Erfassung ist aber nur unter Beachtung anderer GoB möglich.
• Der Grundsatz der Vollständigkeit verlangt die Erfassung aller buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle (§ 239 Abs. 2 HGB).
• Die systematische und zeitgerechte Erfassung der Geschäftsvorfälle ergibt sich aus § 239 Abs. 2 HGB und macht eine zeitlich fortlaufende und sachlich geordnete Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle erforderlich.
• Gem. § 238 Abs. 1 Satz 3 HGB ist die Nachvollziehbarkeit der Buchführung sicherzustellen. Damit ist die Herstellung einer Verbindung zwischen dem Geschäftsvorfall und der zugehörigen Buchung gemeint.
• Das Belegprinzip erfordert für jede Buchung den Nachweis durch einen Beleg.
• Zur Dokumentation der Geschäftsvorfälle sind gem. § 238 Abs. 2 HGB die Buchungsbelege und die Handelsbriefe zurückzubehalten und aufzubewahren. Weitere Aufbewahrungspflichten regelt § 257 HGB.
Zudem hat der Kaufmann gem. § 239 Abs. 1 HGB die Führung der Handelsbücher in einer lebenden Sprache unter Verwendung eindeutiger Abkürzungen und Symbole zu vollziehen. Eintragungen und Aufzeichnungen dürfen nicht nachträglich derart verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist.
Die ergänzenden Grundsätze bestimmen maßgeblich den Inhalt des Jahresabschlusses und werden ausführlich im Kapitel 3.2.2.4 erörtert.
2.2.2 Organisation der Buchführung in der Praxis
Grundsätzlich können die genannten Anforderungen an die Buchführung durch verschiedene Ausgestaltungsformen erfüllt werden. In der Praxis hat sich die sogenannte »doppelte Buchführung« als überlegendes Buchführungssystem etabliert und liegt der nachfolgenden Darstellung zugrunde.
2.2.2.1 Buchführungssystem in