Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek

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      »Aber wie …?«

      »Sie fragen sich, wie Sie hierher gelangt sind und warum Sie noch leben?«

      »Wie immer liegen Sie goldrichtig.«

      »Während Sie auf der Kommandobrücke tätig waren, gelang es Lieutenant Fowler, ein Shuttle auf der Außenseite der Station an Ihre Position heranzufliegen. Die Quelle der radioaktiven Strahlung war ein Trümmerstück, das er mittels Traktorstrahlen fortzog, um dann durch eine Siegelschaum-Kapsel eine weitere Schicht abschirmenden Materials auf die Hülle aufzutragen. Das hat Ihnen die notwendigen Minuten ohne weitere Strahlenbelastung verschafft.

      Als die Forts wieder aktiv wurden, brachen Sie zusammen. Ich habe Sie von der Kommandobrücke zur Krankenstation getragen. Da Ihr Zustand kritisch war, brachte ich Sie nach der rudimentären Erstversorgung hierher.«

      »Ich danke Ihnen.«

      »Ich versichere Ihnen, Lieutenant, dazu besteht kein Anlass. Jeder Offizier in diesem System verdankt sein Überleben Ihrer beherzten Tat.«

      Tess wollte abwinken, konnte ihre Arme jedoch nicht bewegen. Ihr gesamter Körper fühlte sich bleischwer an. »Was ist mit Zev?«

      »Sein Zustand ist mittlerweile stabil«, sagte Alpha 365. »Er wurde von einem medizinischen Notfallkreuzer abtransportiert und befindet sich auf dem Weg nach Kassiopeia. Dort wird ihm ein neues Bein gezüchtet, das alte war zu sehr geschädigt. Die Ärzte werden Ihnen das zweifellos genauer erklären können.«

      Um sie herum wimmelte es von Paramedics und umherrennenden Ärzten; Verwundete überall, es stank nach Blut und Schweiß. »Was ist hier los?« Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie war so müde.

      »Eines der fremden Schiffe hat absichtlich die Oberfläche von Pearl gerammt. Ich fürchte, man wird dem Planeten einen neuen Namen geben müssen, denn von seiner Schönheit ist nicht viel geblieben.

      Ein nuklearer Winter ist über die Welt hereingebrochen.«

      »All die Menschen …«

      »Die Todeszahlen gehen in die Millionen.« Alpha 365 schluckte sichtbar, zeigte ansonsten aber keine Regung. »Jedes verbliebene Schiff hilft bei der Evakuierung. Mittlerweile sind zwei medizinische Notfallkreuzer eingetroffen, und die Admiralität hat eine Flotte aus Hilfsschiffen entsandt, die in der Nähe des Systems im Einsatz waren.«

      »Jetzt lassen Sie mich verdammt noch mal helfen!« Doktor Petrovas Stimme hallte erneut an Tess' Ohr. »Sie brauchen jeden Arzt, und mir geht es gut. Das bisschen Strahlung steckt mein Körper weg. Ich hab schon ganz andere Dinge hinter mir!«

      »War Doktor Petrova nicht auf Pearl?«

      »Ja«, bestätigte Alpha 365. »Sie und Doktor Tauser erreichten rechtzeitig einen Bunker. Bis auf zwei Offiziere aus der Schadenskontrolle haben all unsere Crewmitglieder am Boden überlebt.

      Hier an Bord sieht es da ganz anders aus. Die Admiralität wird Ersatz hierher beordern müssen.«

      »Weiß man mittlerweile, wer uns angegriffen hat?«

      Alpha 365 verneinte kopfschüttelnd. »Allerdings hält das die Presse nicht davon ab, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Aus irgendeinem Grund sind sich alle einig, dass die Parliden dahinterstecken. Eine Theorie, die meiner Meinung nach auf keinerlei logischer Annahme fußt.«

      »Ich glaube nicht, dass die Menschen momentan für Logik empfänglich sind.«

      »In der Tat sieht es nicht so aus. Die ersten Bilder der Oberfläche von Pearl haben irgendwie den Weg ins Galaktische Netz gefunden und sogar Aufnahmen von Verwundeten kursieren.«

      »Die Menge schreit nach Blut.«

      Alpha 365 hob eine Augenbraue. »Das ist richtig, Lieutenant. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, vermag daraus interessante Informationen zu extrahieren.« Der Sicherheitschef bedachte sie mit einem durchdringenden Blick, und Tess war, als könne er bis auf den Grund ihrer Seele sehen. »Ich habe noch eine Nachricht von Commander Buckshaw für Sie.«

      »So?«

      »Ich soll Ihnen folgende Worte ausrichten: Ich dich auch.«

      »Hören Sie …«

      »Der Commander sah mich wohl bereits, als Sie ihn gerade betäubten, und wusste daher, dass ich alles mit angehört habe.« Alpha 365 erhob sich. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse. Eine Beziehung zwischen einem Commander und einem Lieutenant, die nicht an Bord des selben Schiffes dienen, stellt kein Sicherheitsrisiko dar. Ich werde schweigen.«

      »Danke.«

      »Ruhen Sie sich aus.« Er verabschiedete sich und ging hinaus.

      Tess ließ ihren Geist treiben, entspannte sich. Sie fühlte keine Schmerzen. Kurz bevor sie in die Bewusstlosigkeit glitt, ließ sie ihren Blick durch die Krankenstation schweifen. Sie hätte den Alpha gerne noch gefragt, warum Lieutenant Bruce Walker auf einem der Krankenbetten lag, doch der Gedanke entschwand ihr. Die Müdigkeit umfing sie wie eine wärmende Decke, die alles andere verdrängte.

      *

      »Ich wünsche Ihnen einen guten Flug, Captain«, sagte Ivo Coen. »Und grüßen Sie die Admiralität von mir.«

      Jayden erwiderte den Gruß, bevor er die Verbindung beendete. Er beneidete den Kommandanten nicht, der den weiteren Verlauf der Evakuierung überwachen musste. Mittlerweile waren Schiffe eingetroffen, die die Verwundeten von der HYPERION übernommen hatten und tatkräftig mithalfen, die letzten Menschen von Pearl zu evakuieren. Ivo Coen hatte seine Frau und beide Söhne verloren, was den jungen Captain um Jahre hatte altern lassen.

      Die Schlacht um NOVA-Station würde zweifellos ihren Platz in den Geschichtsbüchern finden. Zu seinem Entsetzen hatte Jayden festgestellt, dass die Nachrichten ihn zur Ikone dieses Kampfes stilisierten, und das völlig zu Unrecht. Der Held von Tikara II hatte erneut bewiesen, dass Mut und Ehre in der Flotte noch etwas gelten, als er die mutmaßlichen Parlidenschiffe zerstörte, die das Leben so vieler bedrohten. Ihm wurde ganz schlecht, als er an diese Aussage eines Reporters dachte. Dass er eines der Schiffe nicht hatte aufhalten können, wurde nicht ihm zur Last gelegt, sondern der schlampig aufgebauten Flotte von Systemkommandant Harris, der in der Schlacht gefallen war und sich daher auch nicht verteidigen konnte. Und Ivo Coen, der das System heldenhaft verteidigt hatte, wurde mit keiner Silbe erwähnt; genauso wenig wie all die anderen. Wenn das so weiterging, würde jeder Captain in der Flotte Jayden bald hassen.

      »Wie ist unser Status?«, fragte Jayden seine I.O. Es gefiel ihm nicht, dass die HYPERION abberufen wurde. Er hätte Captain Coen gerne dabei geholfen, die Evakuierung abzuschließen und die Infrastruktur des Systems wieder aufzubauen. Doch die Admiralität hatte andere Pläne.

      »Der Schaden am Phasenfunk-Modul konnte durch den Materialnachschub der Hilfsschiffe behoben werden«, sagte Ishida, nachdem sie ihre Konsole zu Rate gezogen hatte. »Das Erholungsdeck ist vollständig zerstört, die Hälfte unserer Torpedoschächte ist nicht mehr zu gebrauchen und die Laserkristalle sind allesamt ausgebrannt. Zudem sind mehrere Stationen unterbesetzt. Wir sollten uns keinen weiteren Kampf mehr erlauben, bis wir die heimatliche Werft besucht haben.«

      Ein übermüdet wirkender Admiral Sjöberg hatte sich vor wenigen Stunden gemeldet und die HYPERION ins Sol-System zurückbeordert. Dort sollte das Schiff in den kommenden Monaten vollständig instand gesetzt werden. Der Admiral hatte ferner angedeutet, dass es beunruhigende Neuigkeiten gab, die die Admiralität und die Regierung zurzeit beschäftigten. Diesbezüglich wollte er persönlich mit Jayden sprechen, sobald der Interlink-Kreuzer das Sol-System erreichte.

      Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl dabei, dachte er. »Lieutenant McCall, senden Sie der Systemüberwachung unseren Abflugvektor. Lieutenant Task, berechnen Sie einen Kurs und bringen Sie uns auf Interlink.« Beide Offiziere bestätigten den Befehl. »Ich


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