Spreewaldkohle. Franziska Steinhauer

Spreewaldkohle - Franziska Steinhauer


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für euch nach schwierigen Ermittlungen aus.« Dr. Pankratz klopfte den beiden auf die Kittel.

      »Wir müssen los«, mahnte Klapproth. »Dr. März war vorhin schon sehr gereizt. Wir sollten ihn nicht zusätzlich durch Unpünktlichkeit provozieren.«

      »Wenn ihr nicht wissen wollt, was ich sonst noch entdeckt habe, könnt ihr ja jetzt gehen.« Der Rechtsmediziner wies auf den Gang zur Tür.

      Die beiden Ermittler warfen ihm einen verwunderten Blick zu.

      »Wenn du das so formulierst, hast du eine faustdicke Überraschung für uns.«

      Er lud sie zu einem Blick durchs Mikroskop ein.

      »Ist es das, was ich glaube?«

      »Ja. Sicher. Spermien. Sie leben noch – sexuelle Aktivität also kurz vor seinem Tod. Wenn es nötig wird, können wir sicher aus der Probe auch weitere DNA isolieren.«

      »Aha. Wir müssen …«

      »Wenn ihr euch beeilt, schafft ihr es locker rechtzeitig zur Pressekonferenz«, ermunterte der sehr zufriedene Dr. Pankratz die Davonstürmenden.

      »Tja. Es menschelt manchmal auch bei Verstorbenen. Haben wir alle Proben?«

      Der Sektionsassistent nickte.

      »Gut, dann machen Sie ihn fertig. Bei diesen Fällen aus Cottbus ist immer eins sicher: Es wird eine weitere Leiche geben.«

      13

      Silke Dreier sah überrascht auf.

      Die junge Frau war ausgesprochen auffällig in Habitus und Styling.

      Selbstbewusstsein pur.

      »Sie haben mich einbestellt. Um was genau mit mir zu besprechen?«

      »Sie haben heute erfahren, dass Ihr Parteifreund Patrick Stein getötet wurde.«

      »Ja. So was kommt vor. Manche Menschen greifen zu drastischeren Ausdrucksformen, wenn sie ihrem Ärger oder ihrer Enttäuschung Luft machen wollen. Politiker exponieren sich.«

      »Sie glauben, es gehört als Berufsrisiko zum Job?«, fragte Dreier ungläubig. »Das ist nicht Ihr Ernst!«

      Friederike Schultheiß lächelte spöttisch.

      »Ach, bei der Polizei arbeiten und dann die Augen vor der Realität fest zukneifen. Das lob ich mir!« Die Zeugin strich beinahe kosend über die rasierte Glatze.

      »Sie haben heute gesagt, endlich habe sich einer getraut. Das bezog sich auf die Tötung Ihres Parteifreundes.«

      »Parteikollegens«, korrigierte die Zeugin. »Freunde sind wir nie gewesen.«

      »Was an ihm war denn so unerträglich?«

      »Sein Auftreten, sein ganzes Benehmen. Er war nicht der Nabel der Welt – aber er glaubte, er sei genau das.«

      »Wie drückte sich das aus? Schiere Arroganz?«

      »Nein. Viel schlimmer!« Friederike Schultheiß pfriemelte ihr Handy aus der Jacke. »Ich habe ein Video von einer der ersten Wahlkampfveranstaltungen zur Landtagswahl. Sehen Sie mal, was da abgeht, als Patrick auf die Bühne kommt.« Sie startete die Wiedergabe.

      Ein voller Saal, große Kulisse, hoher Begeisterungspegel bei den Gästen. Transparente wurden geschwenkt, es ging um Klimaschutz und Kohleausstieg.

      Patrick Stein wurde vom Moderator angekündigt, der Jubel schwoll deutlich an. Der junge Politiker stürmte dynamisch über die Stufen auf die Bühne, frenetischer Beifall, Bravorufe. Er stellte sich nicht hinter das Rednerpult, sondern agierte frei, die gesamte Bühne nutzend. Sprach ohne Manuskript, hatte nur einen Stichwortzettel in der Hand.

      »Man erwartet eigentlich, dass er gleich anfängt zu singen, oder?«, fragte Frau Schultheiß wütend. »Er steht nur für sich, nicht für die Ziele der Partei! So, sehen Sie das?«

      Die Kamera schwenkte über das Publikum. Junge Frauen mit begeistertem Strahlen jubelten dem Mann auf der Bühne zu. Hochrote Wangen, leuchtende Augen. Und eine entrollte ein Transparent, auf dem stand: Patrick, ich will ein Kind von dir!

      »Sehen Sie dieses Plakat? Die spinnt doch! Das ist kein Popkonzert! Die glaubt wohl, das sei eine Fortpflanzungsshow.«

      »Nun, es ist sicher sehr ungewöhnlich. Vielleicht ein Witz.« Dreier klang ratlos.

      »Nein. Er bekommt auch solche Briefe ins Parteibüro. Einmal hatte er einen auf dem Schreibtisch vergessen, ich fand ihn, als ich beim Gehen überall das Licht löschte. Ich will ein Kind von dir, stand da. In Blockbuchstaben so hoch wie die der Titelseite der Boulevardpresse. Patrick ist verheiratet, hat zwei Kinder – und wer weiß, vielleicht scheut er sich nicht, den Wünschen seiner weiblichen Fans nachzugeben.«

      »Sie sind für unbedingte Treue in der Ehe?«

      »Nur, weil ich nicht aussehe wie ein Normalohausmäuschen heißt das nicht, dass ich rumhurende Männer cool finde. Eine offene Beziehung, von beiden gewollt und gelebt, okay. Aber ich weiß, dass Doreen an solch einer Ehe kein Interesse hätte. Sie steht eher auf Familienidyll.«

      »Gibt es denn Hinweise darauf, dass Herr Stein auf solche Briefe oder Transparente reagierte? Treffen mit der Dame im Backstagebereich? Oder sind Sie nur aus Verdacht so sauer auf ihn?«

      Schweigen vermehrte sich zwischen ihnen wie ein giftiger Geruch.

      »Okay, dann sage ich es Ihnen jetzt. Doreen muss das nicht erfahren, oder? Es würde ihr Glück zerstören – und nach Patricks Tod wäre das doch vollkommen sinnlos!«

      »Sie wissen, dass ich Ihnen diese Art von Geheimhaltung nicht versprechen kann. Aber der ermittelnde Hauptkommissar ist nicht an der Bloßstellung von Opfern oder Betroffenen interessiert«, versicherte Dreier.

      »Ach, im Grunde kann es mir ja auch egal sein!«, fauchte die Zeugin. »Mein Cousin ist Opfer von Patricks Sexgier geworden. Seine Frau ist die, die das Transparent hochhält. Und Patrick hat eine Wohnung zwei Häuser vom Parteibüro entfernt. Gelegentlich geht er mit Bewunderinnen auch in ein Hotel. Mein Cousin ist ihm nachgeschlichen. Nun, was er sah und von den Nachbarn hörte, entspricht genau dem, was Sie jetzt denken.«

      »Die junge Frau traf sich mit ihm, wollte sich von einem fremden Mann schwängern lassen. Erste Frage: Warum? Ist Ihr Cousin nicht zeugungsfähig? Zweite Frage: Hat es denn geklappt? Wurde sie schwanger? Und zum Schluss: Existiert die Ehe noch oder haben die beiden sich getrennt?«

      Als Friederike Schultheiß mit dem Finger an ihrem Ohr entlangstrich, klirrten die vielen Ohrringe leise.

      »Die Ehe meines Cousins war beim Abbiegen von der Hauptstraße in eine Sackgasse geraten. Sex fand wohl nur selten oder gar nicht mehr statt. Und ja. Seine Frau wurde schwanger. Und zur letzten Frage: Gucken Sie in den Computer. Mein Cousin heißt Michael Schubert.«

      »Können Sie mir bitte das Video schicken?« Silke nannte ihre Mailadresse.

      »Ich habe noch mehr solcher Veranstaltungsaufzeichnungen. Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen alle.«

      Während die Zeugin die Videos mit ihr teilte, checkte die Ermittlerin den Namen des Cousins im System.

      »Oh. Ich habe ihn gefunden. Er sitzt ein. Ach … wegen Mordversuchs zum Nachteil seiner Ehefrau!«

      14

      Als sie den großen, inzwischen überfüllten Raum betraten, erkannten Klapproth und Nachtigall, wie recht Dr. März gehabt hatte.

      Der Tod des jungen Politikers war das Thema schlechthin.

      »Na, das wird eine zähe Angelegenheit. Ab sofort können wir jeden Morgen Kommentare zu unserer Arbeit auf Seite eins finden! Sozusagen als Ansporn«, nörgelte Nachtigall bei einem raschen Blick über die vielen Köpfe, die dicht gedrängt versammelt waren. Gemurmel erfüllte den Raum wie Grollen.

      Dr. März flüsterte: »Sie sind ziemlich spät dran! Und sehen


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