Spreewaldkohle. Franziska Steinhauer

Spreewaldkohle - Franziska Steinhauer


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herbemühen müssen.

      Nach schnellem Seitenblick, der ihr gegenseitiges Einverständnis besiegelte, schnitt Eric ein Stück Birne klein.

      Damit war die Angelegenheit beendet.

      Waren die beiden überzeugt.

      Doch unerwartet fiel ein spektakulärer Schatten auf den Tisch!

      Erschrocken wandten Eric und Freddy sich zur Terrasse um.

      Erstarrten!

      Dort stand ein riesiger schwarzer Mann!

      8

      Fabian Klapproth, Majas Bruder, besprach mit seinem Freund und Betreuer die letzten Details ihres Ausflugs.

      »Und was genau ist dieser Drehpunkt Göritz?«

      »Eine Art Wendepunkt für die großen Bagger in der Kohle. Um diesen Punkt herum drehten sich die riesigen Kohleförderanlagen. Im Grunde ist es ein Industriedenkmal. Es wird als Restaurant betrieben, man kann die Räume für Feierlichkeiten oder Vorträge mieten.«

      »Wie heute Abend! Ich bin schon sehr gespannt. Es werden Welten aufeinanderprallen – und erfahrungsgemäß geht das nicht ohne Beschädigungen auf allen Seiten ab.« Fabian rieb sich erwartungsfroh die Hände. »Menschengucken! Wunderbar!«

      »Ein Informations- und Diskussionsabend zum Thema ›Wölfe in der Lausitz‹. Verspricht knisternd zu werden. Aber du musst mir versprechen, dass wir gehen, bevor der ganze Saal explodiert. Sonst fahren wir besser nicht hin.« Das klang ehrlich besorgt.

      Fabian war kein Freund solcher Festlegungen. »Ich sitze im Rollstuhl! Mein Bewegungsradius ist eingeschränkt. Und jetzt soll ich schon im Vorfeld der Informationsveranstaltung meine ohnehin sehr überschaubare Freiheit beschneiden und sagen, okay, wenn die Lautstärke Punkt 6 auf deiner Skala überschreitet, gehen wir auf jeden Fall? Dann kriege ich nicht mit, was sie besprechen, nachdem sie sich abgekühlt haben!«

      »Wenn wir in eine Wirtshausschlägerei geraten, haben wir beide schlechte Karten«, mahnte der andere, grinste aber breit. »Wir schau’n mal, wie sich das Ganze entwickelt.«

      »Die wollen sicher Druck machen, um den Wolf abschießen zu dürfen. In der Lausitzer Rundschau war neulich ein toller Artikel zu dem Themenkomplex.«

      »Ja, genau. Da hat man in einem Artikel mal wichtige Details zusammengefasst. Und dabei wurde eben auch deutlich, dass die Wölfe durch potente Zäune gut von den Herden ferngehalten werden können. Man muss sie halt nur aufbauen! Und die Zahlung der Entschädigungen funktioniert auch reibungslos, wenn doch mal einer in eine Herde eindringen kann. Im Grunde verstehe ich die Aufregung gar nicht.«

      Fabian griff zu seinem Handy. »Na, daran wird der heutige Abend etwas ändern. Wir müssen nur gut zuhören, dann begreifen wir besser, worum sich der ganze Wolfs-Zoff dreht. Muss aber die große Schwester informieren. Wenn sie uns nicht zu Hause antrifft, wird sie gleich wieder nervös. Im schlimmsten Fall telefoniert sie hinter uns her!«

      9

      Freddy ruckte aufgeregt mit dem Kopf, als der Riese gegen die Scheibe klopfte.

      Totstellen war zwecklos.

      Misstrauisch trat Eric an die gläserne Wand.

      Der große Mann drückte einen Ausweis von außen dagegen, wartete geduldig, bis der andere alles entziffert hatte.

      Zögernd schob Eric die Tür auf. »Was zum Henker will die Kriminalpolizei von uns?«

      »Wir«, damit deutete Nachtigall auf die Kollegin, die urplötzlich hinter ihm aufgetaucht war, »möchten Ihnen ein paar Fragen zu Patrick Stein, Ihrem Nachbarn, stellen.«

      Eric ließ die beiden eintreten.

      »Aha. Ich denke, der ist verschwunden, oder?«

      »Sie pflegen einen gutnachbarschaftlichen Kontakt?«, bohrte Nachtigall tiefer.

      »Wie es halt mit Nachbarn so ist. Man kennt sich, und auch wieder nicht. Hinter die Stirn der anderen kann man nun mal nicht gucken – also muss man glauben, was man hört.«

      »Er war Ihnen suspekt«, konstatierte Klapproth und versuchte, nonverbalen Kontakt zu Freddy aufzunehmen. Doch der war mindestens ebenso zurückhaltend wie sein Mitbewohner. »Brüder sind eben auch nur andere oder gar vollkommen fremde Menschen.«

      Eric sah erstaunt auf. »Genau. Die meisten Leute verstehen das nicht. Nur, weil man zufällig verwandt ist, muss man sich doch nicht automatisch sympathisch sein! Wir haben uns unsere familiäre Beziehung schließlich nicht ausgesucht. Wurden nicht gefragt, hatten kein Mitspracherecht.« Er kniff die Augen zusammen, ein frettchenhafter Ausdruck flog über sein Gesicht. »Ha! Sie haben auch eine schwierige Geschwisterbeziehung!«

      »Dennoch war das Verhältnis zu ihm und seiner Familie entspannt?« Nachtigall ließ nicht locker.

      Eric wand sich sichtbar. Brachte eine Armlänge Abstand zwischen sich und die Arbeitsplatte, um genug Raum zu gewinnen.

      »Nein, das so zu behaupten, wäre ein großer Fehler. Lyriker. Ein Mann, der sonderbare Texte schreibt. Doreen konnte mich vom ersten Blick an nicht leiden – die Kinder halten mich für einen harmlosen Spinner und bleiben auf Distanz, weil man bei Typen wie mir ja nie genau weiß …« Er lachte bitter. »Die halten mich für gaga.«

      »War Patrick gestern Abend bei Ihnen?«

      »Gestern nicht.«

      »Wissen Sie das genau?« Klapproth behielt fasziniert Freddy im Blick.

      »Ja. Selbstverständlich bin ich mir in diesem Punkt sicher, ich mag sonderbar sein, aber nicht dement. Ich dachte, wir könnten uns ein bisschen unterhalten. Politik, Alltag. Patrick war, äh ist kein Freund meiner Arbeit, nur ein genetischer Bruder. Schicksal eben. Freddy und ich haben eine ganze Weile auf ihn gewartet. Irgendwann war klar, dass er Laufen gegangen sein musste. Na, und viel später rief Doreen an, fragte nach, ob er bei mir sei, ich ihn gesprochen hätte. Knapp und unfreundlich. Wie immer eben.« Er hob die geöffneten Handflächen in Richtung Decke.

      »Gern bekommen Sie nicht Besuch«, stellte Maja Klapproth trocken fest.

      »Wir bleiben lieber unter uns, Freddy und ich. Wir sind uns selbst genug.«

      »Gab es jemanden, mit dem Patrick enger befreundet war?«

      »Das hoffe ich sehr für ihn! Jeder Mensch braucht einen Artgenossen, einen Seelenverwandten, mit dem er sich offen über alles austauschen kann. Doreen kam dafür nicht in Betracht, und ich bin für manche Themengebiete ein zu unerfahrener Gesprächspartner oder gar Ratgeber. Er muss eine Vertrauensperson gehabt haben.«

      »Wie bei Ihnen und Freddy?«

      »Ähnlich! Ja. Besonders dann, wenn man mit Doreen verheiratet ist.«

      »Aber einen Namen haben Sie nicht für uns?«

      Bedauernd hob Eric die Schulter.

      »Haben Sie ihn noch nicht gefunden? Patrick ist keiner, der Unordnung in seinem Leben dulden kann. Es wäre absolut untypisch für ihn, einfach durchzubrennen.«

      »Es entspräche nicht seinem Charakter? Soll ich das so verstehen, dass er Konflikten nicht ausweicht, sondern die Situation klärt?«, wollte Nachtigall wissen.

      »Ja. So in der Art.«

      Sprachlosigkeit zog ein.

      Dehnte sich zu gefühlter Unendlichkeit.

      »Okay«, seufzte Eric schließlich, als fürchte er, auf Dauer ohne Stimme zu bleiben. »Er hätte wenigstens mich eingeweiht, wenn er plante, die Familie zu verlassen. Um genau so eine Situation wie diese zu vermeiden!«, erklärte er unnötig laut, was ihm einen missmutigen Seitenblick von Freddy eintrug. »Er ist kein Freund von Unklarheiten. Seine Tage sind eng getaktet, perfekt durchstrukturiert. Er funktioniert wie ein Uhrwerk, nennt es Disziplin im Alltag. In Wahrheit verbirgt er dahinter nur seine Panik vor Überraschungen, Dingen,


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