Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton
sprach auch das Funkgerät an.
»Man will etwas von uns, Taff«, meldete Dorit. »Was soll ich den Leuten sagen?«
»Zum Pilotenpult umlegen«, bestimmte Caine kurz.
Die Bildfläche vor seinem Sitz blendete auf. Sie zeigte das kantige Gesicht eines Raumfahrers in Offiziersuniform, der Taff nun ebenfalls sehen konnte. Seine Augen waren zusammengekniffen, Wachsamkeit und Misstrauen sprachen aus seinen Zügen.
»Wachschiff STYX an unbekannten Raumer«, dröhnte seine Stimme aus dem Lautsprecher. »Sie befinden sich im Hoheitsbereich des Planeten Nimboid, in den niemand ohne Berechtigung einfliegen darf. Ich ersuche Sie, sich umgehend zu identifizieren. Andernfalls werden Sie von unserer Flotte aufgebracht. Bei Widerstand wird sofort das Feuer eröffnet.«
»Wie schön!«, sagte Taff sarkastisch. »Ich bewundere Ihre so klare und unmissverständliche Ausdrucksweise, wissen Sie? Immerhin waren Sie so höflich, zuerst zu fragen, ehe Sie schießen, und das rechne ich Ihnen hoch an. Haben Sie zufällig auch einen Namen, verehrter Meister des Kriegshandwerks?«
Er zeigte ein ebenso freundliches wie falsches Lächeln, und das brachte den Nimboiden aus der Fassung. »Oberst Karloman«, sagte er automatisch, ehe ihm zum Bewusstsein kam, dass er sich hatte überrumpeln lassen. Er öffnete erneut den Mund, diesmal zu einer scharfen Entgegnung, aber der Commander kam ihm zuvor.
»Danke«, erwiderte er sachlich. »Hier ist Oberst Taff Caine an Bord des Leichten Kreuzers PROKYON, Galaktische Raumaufklärungsverbände von Terra. In meiner Begleitung befindet sich der Minister Demosthenes. Wir kommen in diplomatischer Mission. Melden Sie unser Erscheinen an den Regierungschef weiter, wenn das nicht zu viel Mühe macht.«
Karlomans Gesicht wurde nicht freundlicher, aber er entsprach Taffs Verlangen. »Gehen Sie auf Warteposition«, forderte er. »Ihre Angaben werden geprüft, wir melden uns später wieder. Ende.«
»Puh!«, machte Luca mit komisch-ernster Miene. »Das ist offenbar auch einer von der Sorte Eisenfresser, wie gehabt. Da haben wir ein paar nette Tage vor uns, wie es scheint. Wenn ich daran denke, dass jetzt auf Kharto eifrig gefeiert wird, könnte ich dem guten Min Jian-Ksu ...«
»Keine Verbalinjurien, bitte«, unterbrach ihn Caine. »Übe dich schon einmal darin, deine Lästerzunge zu zügeln, du wirst es auf Nimboid brauchen können. Die Leute dort haben nicht mehr Sinn für Humor und lose Reden wie ein Hyperdead-Projektor. Allein der überlegene Witz und Charme deines vorzüglichen Kommandanten hat bei ihnen die Chance, anzukommen.«
Alexandros Demosthenes begann haltlos zu lachen.
»Sie sind wirklich köstlich, Taff«, prustete er. »Beim Jupiter, ich beginne tatsächlich zu glauben, dass Sie genau der richtige Mann sind, um die Nimboiden das Fürchten zu lehren.«
»Ich glaube es nicht nur, ich weiß es!«, gab Taff zurück.
Eine Viertelstunde verging, in der die PROKYON im freien Fall dahintrieb. Zwei Wachschiffe hatten inzwischen Fahrt aufgenommen und näherten sich dem Kreuzer mit hoher Geschwindigkeit. Dann sprach das Funkgerät erneut an, wieder war Oberst Karloman am Gegengerät.
»Der Stab von Shogun Toburu-Chan hat Ihre Angaben bestätigt«, schnarrte er. »Sie werden angewiesen, den Raumhafen Port Orkus anzufliegen und dort zu landen. Wir überspielen Ihnen die Koordinaten und senden Ihnen einen Peilstrahl. Ende.«
»Na also – auf ins Vergnügen!«, kommentierte Lars Gunnarsson vom Maschinenleitstand her.
»Allzu groß dürfte es nicht werden«, bemerkte Dorit Grenelle. »Der Name allein klingt schon bezeichnend: Port Orkus! Wie kann man einen Hafen das Tor zur Unterwelt nennen?«
Die Daten liefen ein, und der Computer spuckte eine Folie voller Symbole aus. Das wäre allerdings unnötig gewesen, denn zugleich mit der PROKYON setzten sich auch die beiden Wachkreuzer, das Schiff flankierend, in Richtung Nimboid in Bewegung. Sie blieben erst zurück, als das terranische Schiff die Oberschicht der Atmosphäre erreicht hatte.
Die Albedo des Planeten war ungewöhnlich stark. Sie erinnerte an die der Venus, und beim Näherkommen merkte die Crew auch, weshalb. Fast ganz Nimboid war mit Schnee und Eis bedeckt, selbst die Meere waren zum größten Teil zugefroren. Nur in der Äquatorgegend gab es größere freie Flächen, die einen schwachen Grünschimmer aufwiesen. Dafür ragten jedoch in diesen Gebieten zahllose tätige Vulkane empor, über denen mächtige Rauchwolken schwebten.
Mitani N'Kasaa schüttelte sich.
»Das verstehe, wer da will oder kann: Eine ganze Welt voller Eis und Schnee, und in trauter Nachbarschaft feuerspeiende Berge! Wie vertragen sich diese Extreme nur, Taff?«
Caine zuckte mit den Schultern. Ohne von den Kontrollen aufzusehen, erklärte er: »Das Innere des Planeten steht vermutlich unter Überdruck, der sich durch die Vulkane auszugleichen versucht. Andererseits beschreibt Nimboid eine ziemlich exzentrische Bahn um die Sonne. Keine Kreisbahn, sondern eine Ellipse, in deren einem Brennpunkt das Gestirn steht. Der Planet kommt ihr nur während einiger Monate relativ nahe, etwa drei Viertel seines Jahres ist er so weit entfernt, dass seine Oberfläche einfach vereisen muss.«
Luca Ladora nickte.
»Ich verstehe. Als der erste Erkundungsraumer hier ankam, befand sich Nimboid vermutlich gerade im Perihel, so dass den Männern die Verhältnisse halbwegs normal erschienen. Trotzdem gehörten sie noch nachträglich gesteinigt, denn sie haben es offensichtlich versäumt, eine genaue Bahnberechnung vorzunehmen. Die ersten Kolonisten müssen einen schönen Schreck bekommen haben, als sie hier anlangten und die Bescherung sahen.«
»Vielleicht kamen auch sie im nimboidanischen Sommer hierher«, vermutete Orvid Bashkiri. »Als sie dann merkten, was wirklich los war, war es für eine Evakuierung zu spät. Damals brauchte ein Schiff vermutlich noch viele Monate, um die fünfzig Lichtjahre zu überwinden. Sie mussten sich also einrichten, ob sie wollten oder nicht, und nachdem das einmal geschehen war, blieben sie auch.«
Taff schaltete den Autopiloten ein, der den Peilstrahl aufnahm und das Schiff danach steuerte. Die PROKYON tauchte in die Atmosphäre ein und geriet direkt in einen Blizzard, der in dieser Gegend tobte. Die sturmgepeitschten Schneemassen waren so dicht, dass die Optiken keine Bilder mehr lieferten. Der Kreuzer flog praktisch blind, nur die Relieftaster brachten noch verwertbare Impulse herein.
»Hafenkontrolle an PROKYON«, sagte ein Uniformierter, dessen Abbild auf dem Schirm des Funkgeräts erschien. Sein Gesicht mit der für Nimboiden typischen graubraunen, grobporigen Haut wirkte nervös. »Reduzieren Sie, unter Beachtung der Gravitation von 1,36 g, Ihre Geschwindigkeit so, dass Sie in genau 3,47 Minuten den Punkt erreichen, von dem das Peilsignal ausgeht. Wir werden zu dieser Zeit eine Lücke im Schutzschirm schaffen, durch die Ihr Schiff in den vorgesehenen Landeschacht einfliegen kann. Erbitte Bestätigung, Ende.«
»Verstanden, Ende«, gab Taff zurück.
Der Raumhafen Port Orkus lag 152 Kilometer nördlich der planetaren Hauptstadt Vulcanus. Damit befand er sich außerhalb der Vulkankette, dafür aber bereits im Gebiet des ewigen Eises. Da die Witterungsverhältnisse dort die Errichtung normaler Hafenanlagen nicht zuließen, hatte man ihn, ähnlich wie die Basis 104 auf der Erde, subplanetar anlegen müssen. Nur die unmittelbare Umgebung der Start- und Landeschächte wurde ständig eisfrei gehalten. Über ihnen spannten sich Energieschirme, um die tobenden Naturgewalten fernzuhalten.
Eine mächtige Sturmbö packte die PROKYON X und schleuderte sie aus dem Landekurs. Der Autopilot reagierte mit einem Gewaltmanöver, das das Diskusschiff wieder in waagerechte Lage und in den Bereich des Peilstrahls brachte. Sekundenlang kamen einige Gravos Andruck durch, und Dorit Grenelle schrie erschrocken auf.
»Keine Sorge, Dorit-Mädchen«, beruhigte sie der Kommandant. »Das war nötig, sonst hätten wir den Landeschacht verfehlt und wären in einen Energieschirm gerast. Das wäre uns mit Sicherheit schlechter bekommen als dieser kurze Gravostoß.«
Knapp zwanzig Sekunden später erlosch das schwach sichtbare grünliche Flimmern unter dem Schiff. Die PROKYON stieß durch die Lücke,