Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey Patton

Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton


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an. Das hatte man berücksichtigt, als die Person des Botschafters zur Debatte stand.

      Diese Wahl war gut gewesen.

      Luca war mit einem Kurzstreckenraumer zum Ganymed gekommen. Er brachte eine Note der neuen Erdregierung mit, in der die Souveränität und Unabhängigkeit der Khartonier feierlich bekräftigt wurde. Außerdem wurde darin eine baldige Konferenz zwischen Vertretern beider Seiten in Aussicht gestellt, bei der alle noch offenen Fragen diskutiert und gelöst werden sollten.

      All dies hatte Ladora dem kleinen Volk in einer Ansprache über das Kommunikationsnetz erklärt. Die Folge war ein großes Aufatmen. Die Stimmung der Khartonier schlug von Pessimismus oder gar Hass in Freude um. Luca war ihr bester Freund. Was er sagte, galt für sie.

      Natürlich hatte er es in seinen eigenen Worten verkündet, nicht in dem Behördenchinesisch, in dem die Note abgefasst war. Außerdem hatte er bekanntgegeben, dass die Erde als zusätzliche Geste in sein Schiff eine ganze Ladung wertvoller Geschenke verfrachtet hatte, die für Kharto bestimmt waren.

      Dabei handelte es sich zum großen Teil um nützliche Gegenstände, die es auf Kharto nicht oder nicht in dieser Form gab. Jede Kultur entwickelte zwangsläufig ihre speziellen Gerätschaften technischer oder anderer Art, entsprechend den verschiedenen Tendenzen in ihrer Geschichte. Für die Khartonier aber gab es schon seit Langem keine Fortentwicklung in diesem Sinne mehr.

      Ihre gigantische, siebenundneunzig Kilometer durchmessende Station stellte nur ein Relikt dar. Sie war als kosmische Fluchtburg konzipiert worden, um wenigstens einem kleinen Teil der Blauhäutigen das Überleben zu ermöglichen, als sich der Kosmische Krieg zwischen dem Drajur und dem Jarun auf seinem Höhepunkt befand. Als solche war sie zwar autark – von der zeitweise notwendigen Aufnahme von spaltbarem Material für die Kraftwerke abgesehen – aber auch dem Gesetz der Stagnation unterworfen.

      Ein stabiles, nach außen abgeschlossenes und in sich geschlossenes System musste notwendigerweise starr sein. Jede größere Veränderung hätte seine Stabilität in Frage gestellt, musste also unterbleiben. So hatte es auf Kharto praktisch keinen Fortschritt mehr gegeben, so weit seine Bewohner zurückdenken konnten. Danatun hatte als höchste Instanz der Station dafür gesorgt, dass schon der kleinste Ansatz von Eigeninitiative im Keim erstickt wurde.

      Jetzt, nach der Berührung mit der Menschheit, hatten die Khartonier vieles Andersartige kennengelernt und Mängel empfunden, die ihnen zuvor als solche gar nicht bewusst geworden waren. Die PROKYON-Crew hatte auf Terra darüber berichtet, und dem hatte die Regierung nun Rechnung getragen. TAC war zu Rat gezogen worden und hatte einen Katalog all jener Dinge erstellt, die man dem kleinen Volk zukommen lassen konnte, ohne die Stabilität ihres Systems zu beeinträchtigen. Die Übereignung war eine Geste der Anerkennung, und sie verfehlte ihre Wirkung nicht.

      Doch es handelte sich nicht ausschließlich um technische Erzeugnisse und Gegenstände nützlicher Art. Unter den vielen Tonnen der Ladung in den Schiffsräumen gab es auch einen guten Teil all jener Dinge, die im Grunde überflüssig sind, aber stets mithelfen, das Leben zu verschönern. Dazu gehörten besonders Kunstgegenstände, Kleidungsstücke und Schmuck aller Art, und gerade sie waren besonders begeistert entgegengenommen worden.

      Daneben hatte aber auch die Besatzung der PROKYON X ihren ganz speziellen Beitrag geleistet. Von ihr stammte ein ganzer Laderaum voller delikater und exotischer Lebensmittel, die es auf Kharto nicht gab. Dass dabei auch Wein und sonstige Alkoholika nicht fehlen durften, verstand sich bei der Mentalität der Crew von selbst.

      Nun rüstete die Station zu einem großen Freudenfest, bei dem Luca als Gastgeber fungieren würde. Überall war man eifrig dabei, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Einer der riesigen Messeräume wurde hergerichtet und geschmückt, eine große Tanzfläche geschaffen. Ein besonders installiertes Lautsprechersystem sollte terranische Musik ausstrahlen, die sich bei dem kleinen Volk besonderer Beliebtheit erfreute. Auch die Bänder dazu hatte die Mannschaft der PROKYON ausgesucht und gestiftet.

      Luca und Erethreja hatten privat bereits etwas vorgefeiert. Sie wurden aus ihrem Idyll gerissen, als ein Anruf kam, der sie daran erinnerte, dass das Fest in einer halben Stunde beginnen sollte.

      »Eigentlich schade«, seufzte das Mädchen, aber Ladora schüttelte den Kopf.

      »Ein Fest ohne den Gastgeber«, dozierte er, »ist wie eine Blume ohne Duft. Oder wie ein Raumschiff ohne Raum, oder wie die PROKYON ohne ihre unvergleichliche Crew. Erhebe dich, Geliebte meines Herzens, und halte deinen Botschafter nicht weiter von seinen Pflichten ab.«

      Er stand als erster auf, setzte sich jedoch schnell wieder. »Die Station schwankt!«, beschwerte er sich mit vorwurfsvollem Gesicht. Erethreja lachte perlend auf und nahm ihm das Sektglas aus der Hand. Sie lief in einen Nebenraum und kam mit einer kleinen Phiole zurück, in der sich eine ölig schillernde Flüssigkeit befand.

      »Hier, trinke das, mein Gebieter. Ein Extrakt aus einer unserer Pflanzen, der sich bei solchen Instabilitäten schnell und gründlich auswirkt. Ein paar Minuten nur, und Kharto steht auch für dich wieder still.«

      »Wenn es denn sein muss, um der guten Sache Willen!«, murmelte der Mann. Er trank gehorsam, schüttelte sich kurz, aber schon bald wurde sein Blick wieder vollkommen klar. Dann begannen beide, sich für das große Fest anzukleiden.

      *

      Die Stimmung war kaum noch zu übertreffen.

      Auch die kleinen blauhäutigen Menschen verstanden es ausgezeichnet, sich zu amüsieren. Früher hatte das Stationsgehirn hierbei stets regulierend eingewirkt in dem Bestreben, die Sicherheit der Station zu erhalten. Alles, was ein bestimmtes Maß überschritt, wurde von ihm als Risikofaktor eingestuft und unterbunden. Nun war dieser Aufpasser seiner Macht beraubt, jeder konnte tun und lassen, was er wollte, sofern er dadurch keinem anderen schadete.

      Etwa die Hälfte des kleinen Volkes hatte sich im großen Messesaal versammelt. Die übrigen befanden sich in anderen ähnlichen Räumen, die gleichfalls festlich geschmückt waren. Große schwebende Plattformen dienten als Tafeln, auf denen sich die kulinarischen Genüsse ausbreiteten. Improvisierte Bars sorgten dafür, dass auch die diversen Getränke zu Ehren kamen. Bildprojektoren übertrugen das Geschehen aus dem Hauptraum in alle übrigen Säle.

      Luca Ladora, nun wieder vollkommen nüchtern, hielt eine kurze Ansprache. Sie wurde kein rhetorisches Meisterwerk, aber jeder Satz wurde gebührend beklatscht.

      »Und nun, liebe Blumen- und sonstige Kinder«, schloss er, »lasst uns tanzen und singen, essen und trinken, und vor allem fröhlich sein. Wer sich hier und heute nicht wohl fühlt, hat selbst daran Schuld. Das Fest ist eröffnet.«

      Beifall brandete auf, als er dann mit Erethreja zum ersten Tanz antrat. Ein uralter Walzer kam aus den Lautsprechern. Diese Art von leichter, melodischer Musik sprach die Khartonier besonders an, bisher hatten sie kein Äquivalent dazu gekannt. Sie hatten auch überraschend schnell gelernt, sich im passenden Rhythmus dazu zu bewegen.

      Luca selbst als ein Kind seiner Zeit kannte sich in diesem für ihn antiken Tanz nicht besonders gut aus. Erethreja übernahm es nun, ihn so zu führen, dass er trotzdem nicht aus dem Takt kam. Sie waren ein seltsames Paar, denn er überragte das Mädchen weit, aber das spielte hier für keinen eine Rolle.

      »Puh!«, machte der Kybernetiker, als dieses Solo beendet und er mit dem Mädchen an seinen Platz zurückgekehrt war. »Das Leben der alten Terraner muss ganz schön anstrengend gewesen sein, wenn schon ihre Vergnügungen so aussahen. Jetzt habe ich Hunger wie der sprichwörtliche Wolf.«

      Während er sich einer großen Fleischpastete widmete, füllte sich die Tanzfläche mit Khartoniern. Tausende von Paaren bewegten sich im Walzerrhythmus. Andere, erheblich heißere Melodien warteten auf den Bändern darauf, die Stimmung noch weiter zu steigern.

      Einige hundert Männer und Frauen, die freiwillig verzichtet hatten, taten indessen überall in der Station Dienst. Sie saßen vor den Kontrollen wichtiger Aggregate und sorgten in Zusammenarbeit mit Danatun dafür, dass die Sicherheit von Kharto gewährleistet blieb.

      Auch die Ortungs- und Funkstationen waren besetzt.


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