Agatha Christie. Barbara Sichtermann

Agatha Christie - Barbara Sichtermann


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      Barbara Sichtermann

       AGATHA CHRISTIE

      Eine Biografie

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      Erste Auflage 2020

      © Osburg Verlag Hamburg 2020

      www.osburgverlag.de Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Lektorat: Bernd Henninger, Heidelberg Korrektorat: Mandy Kirchner, Weida Umschlaggestaltung: Judith Hilgenstöhler, Hamburg Satz: Hans-Jürgen Paasch, Oeste Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-95510-215-9 eISBN 978-3-95510-223-4

       Für Ingo, meinen ersten Leser

       Inhalt

       Prolog

       IAshfield

       IIArchie

       IIIUm die Welt

       IVRuhm

       VMax

       VIEhrliche Arbeit

       VIIKhatun

       VIIITheater

       IXQueen of Crime

       Editorische Notiz

       Auswahlbibliografie

       Abbildungsnachweis

       Prolog

      Im Dezember des Jahres 1926 kannte die englische Boulevardpresse nur ein Thema: Die verschwundene Lady. Eine 36-jährige Dame ist von ihrem Haus in Sunningdale, südwestlich von London, mit dem Auto aufgebrochen und nicht zurückgekehrt. Die Familie gibt eine Vermisstenanzeige auf, die Polizei startet eine Suchaktion – vergebens. Man findet den Morris in einem Waldstück bei Guildford am Rande eines Steinbruchs, im Wagen eine Tasche und einen Ausweis, aber keine Spur der Fahrerin, nirgends. Die Zeitungen veröffentlichen Fotos, die Daily News setzt gar eine Belohnung für zielführende Hinweise aus, ohne Erfolg. Auch die Initiative der Evening News, die zu einer »großen Sonntagsjagd« bläst und die Anwohner nahe Guildford auffordert, Bluthunde mitzubringen, führt zu nichts. Die Lady blieb verschwunden. Elf Tage lang. Sie hieß Agatha Christie.

      Liebhaber der Kriminalliteratur kannten ihren Namen, denn im selben Jahr war ein neues Buch von ihr erschienen, das Aufsehen erregt hatte, weil es eine ganz und gar ungewöhnliche Lösung bereithielt: The Murder of Roger Ackroyd – deutsch: Alibi. Und so war es nicht verwunderlich, dass sich ganz England für den Fall interessierte. Was war da los? Wo konnte Mrs Christie sich verborgen halten? Lebte sie noch? Wurde sie womöglich umgebracht? Wer hat sie zuletzt gesehen? Ein ganz eigener Agatha-Christie-Krimi schien sich da in der Wirklichkeit abzuspielen – mit der Autorin als Opfer.

      Die Polizei verhörte die Familie. Es stellte sich heraus, dass der Ehemann Archie Christie vorwiegend in seinem Golfclub wohnte und nur selten heimkam. Eifrig mühte sich der smarte junge Banker, die Presse von Nachforschungen bei sich zu Hause abzuhalten, schon um seiner siebenjährigen Tochter Rosalind willen, die völlig durcheinander war und derzeit von der Sekretärin betreut wurde. Er gab ein paar gewundene Erklärungen ab, so etwa, dass sich seine Frau guter Gesundheit erfreue und er sich ihr Verschwinden nicht erklären könne. Aber in der Nachbarschaft wurde getuschelt. Man hatte davon gehört, dass eine andere Frau im Leben des Mr Christie aufgetaucht sei, seine Golfpartnerin, die sehr schön sein solle. Könnte am Ende der Ehemann schuldhaft verstrickt sein, etwa seine Gattin in den Selbstmord getrieben haben? Die Zeitungsleser stürzten sich allmorgendlich auf die Lektüre in der Hoffnung, Archie Christie sei des Mordes an seiner Frau überführt.

      Was sich im Einzelnen ereignete, wird sich niemals klären lassen. Denn die Verschwundene ist die Einzige, die alles weiß. Sie ist zwar wieder aufgetaucht, hat aber ihr Lebtag über jene elf Tage geschwiegen. In ihrer Autobiografie vermerkt sie knapp: Wenn man den Blick zurückwendet auf die lange Reise, die unser Leben ist, hat man das Recht, die Erinnerungen, die einem zuwider sind, zu ignorieren. Oder ist das feige? Sie hat also gezweifelt, ob es richtig sei, nichts über jene elf Tage preiszugeben, hat sich aber dafür entschieden, das Stillschweigen zu bewahren. Es ist indes gar nicht schwer, sich auszumalen, was in ihr vorgegangen ist, wenn man weiß, in welcher Lebenskrise sie sich im Jahre 1926 befand. Die Einzelheiten sind nicht wichtig. Was wir mit Gewissheit sagen können, ist, dass die Schriftstellerin einen Schock erlitten und tatsächlich den Wunsch gehabt hatte, von der Erdoberfläche zu verschwinden.

      Einige Monate zuvor hatte Agathas Ehemann ihr mitgeteilt, dass er sich scheiden lassen wolle, weil er eine andere zu heiraten beabsichtige, eine junge Dame mit Namen Nancy Neele. Die gehörte zum Freundeskreis der Christies, Agatha kannte und mochte das Mädchen. Sie verstand auch, dass Archie sich verliebt hatte – aber seine Ehe deshalb aufzugeben, dass er dazu imstande sei, das erschien ihr undenkbar, abscheulich, gottlos. Sie konnte es nicht fassen und war nicht bereit, es hinzunehmen. Sie liebte ihren Mann, mit dem sie seit zwölf Jahren verheiratet war, aus tiefstem Herzen und sah ihre und der Tochter Zukunft durch eine Scheidung zerstört. Deshalb verweigerte sie die Auflösung ihrer Ehe, flüchtete sich in die Hoffnung, dass Archie es sich überlegen und zu ihr zurückkehren möge und war sich doch im Klaren, dass das nie passieren würde. Sie kannte ihren Mann und wusste, wie er aussah, wenn er fest entschlossen war. Sie hatte ihn verloren. Aber sie konnte und wollte das nicht wahrhaben. In dieser Situation tiefsten Kummers, flackernder Hoffnung und unerträglicher Herzenspein wünschte sie sich nichts so sehr, wie einfach weg zu sein. Nein, einfach würde es nicht sein, das wusste sie, aber sie wollte es versuchen. Und setzte sich ins Auto und fuhr los.

      ›Ich möchte, dass er mich suchen geht‹, so hat sie wohl zu sich gesprochen, ›und wenn er mich findet, wird er wissen, dass es ein Fehler war, mich aufzugeben. Er wird um mich fürchten, wird glauben, dass ich mich umgebracht habe und nur zu erleichtert sein, wenn er mich wieder in die Arme schließen kann. Mit der Erleichterung wird die Liebe in sein Herz zurückkehren und alles wird gut. Damit es so komme, muss ich ihm einen Hinweis liefern, den er sofort versteht. Aber ich muss einen Umweg wählen, ich kann es ihm nicht zu leicht machen. Wenn er mich zu schnell aufspürt, wird es womöglich nichts nützen. Die Angst um mich muss erst wachsen. Also werde ich einen Brief an seinen Bruder schicken, in dem ich mitteile, ich sei mit den Nerven am Ende und benötigte eine Auszeit. Und in dem ich die Gegend erwähne, in die ich mich zurückziehen werde. Campbell Christie wird seinen Bruder Archie umgehend informieren, man wird ein wenig herumsuchen und mich schließlich im schönsten und größten Resort in Harrogate auffinden. Ich habe ein Recht darauf, zu entfliehen. Er hat die Pflicht, mich zurückzuholen – in sein Herz.‹

      Mit


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