Hexenzirkel 3: Das Lied des auferstandenen Gottes. R.A. Salvatore

Hexenzirkel 3: Das Lied des auferstandenen Gottes - R.A. Salvatore


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      Bahdlahn trat einen Schritt zurück und entzog seine Hände ihrem Griff.

      »Unser Weg wird sich gabeln und zwar bald«, sagte sie. »Wir werden in verschiedene Richtungen gehen: Das ist das Beste für uns und alle in unserer Nähe.«

      Sie hob die Hände und verwandelte sie mit einem Gedanken in die Tatzen eines Leoparden.

      Wie sich Bahdlahns Augen weiteten!

      »Die Magie verzehrt meine Gedanken und mein Herz, Bahdlahn, mein Freund Bahdlahn«, versuchte sie zu erklären, obwohl ihr gleichzeitig klar wurde, dass niemand, der die Schönheit des spirituellen Lieds nicht selbst erlebt hatte, das wirklich begreifen konnte. »Ich werde erst wissen, wer ich bin, wenn ich voll und ganz verstehe, was in mir steckt. Dies ist mein Weg, mein Weg allein. Das wäre dir gegenüber ungerecht.«

      »Das ist mir egal.«

      »Es wäre mir gegenüber ungerecht.«

      Bahdlahn presste die Lippen zusammen. »Ich dachte, du liebst mich.«

      »Du bist mein liebster Freund«, sagte Aoleyn ehrlich und ohne zu zögern. »Ich würde mein Leben hingeben, um dich zu beschützen.«

      »Dann verbring diese Nacht mit mir.«

      Aoleyn schloss die Augen und verwandelte ihre Tatzen wieder in die Hände einer jungen Frau. Sie hätte der Bitte beinahe nachgegeben, doch noch bevor sie ihre dunklen Augen öffnete, schüttelte sie bereits den Kopf. »Was wir getan haben, war wundervoll«, sagte sie. »Es hat mir Selbstbewusstsein geschenkt. Dich zu lieben, bewies mir, dass ich – ich und niemand sonst – die Kontrolle über den Körper hat, in dem Aoleyns Geist steckt. Es hat mir gezeigt, dass Intimität schön und beruhigend und vergnüglich sein kann. Ich wollte, dass du mir dieses Geschenk machst, und dass ich dir dieses Geschenk mache, dass unsere erste Erfahrung auf Vertrauen und Respekt und Freude beruht. Ich glaube, dass nichts, was in dieser Nacht hätte passieren können, als ich in deinen Armen lag und du in meinen, meinen Respekt für dich hätte schmälern können – oder deinen für mich.«

      »Ich liebe dich«, sagte er atemlos. »Damals wie heute.«

      Aoleyn schüttelte erneut den Kopf, ohne sich der Bewegung wirklich bewusst zu sein. »Dann sei mein Freund, Bahdlahn. Denn das brauche ich jetzt, während ich versuche, all die Rätsel zu lösen. Sei mein Freund und vertrau mir und lass mich dir vertrauen. Und versprich mir, dass die Gefühle, die du mir entgegenbringst, dich nicht daran hindern werden, herauszufinden, wer du bist. Wenn Talmadge recht hat, dann werden wir in den kommenden Wochen vielen neuen Menschen begegnen. Wir werden uns in einer neuen Welt zurechtfinden müssen.«

      »Und das werden wir gemeinsam tun.«

      »Unsere Wege werden sich trennen, vielleicht für immer.«

      Er schüttelte den Kopf und wollte ihr widersprechen, aber Aoleyn trat rasch vor und legte ihm die Finger auf die Lippen.

      »Du bist kein Krieger. Das ist noch nicht dein Platz. Meiner schon. Mit meiner Magie bin ich eine Kriegerin. Ich habe die Fossa getötet. Ich habe Tay Aillig getötet. Ich habe die Sprache unserer Feinde bereits gelernt und werde bald mehr über sie wissen als jeder andere. Ich werde herausfinden, wie man sie besiegen kann. Mir steht ein großer Kampf bevor und ich werde ihn nicht damit verbringen, mir Sorgen um Bahdlahn zu machen, der kein Krieger ist.«

      Er reckte entschlossen das Kinn vor. »Ich werde lernen, ein Krieger zu sein.«

      »Daran habe ich keine Zweifel.«

      »Ich würde die Nacht gerne in deinen Armen verbringen. Dich einfach nur festhalten. Mich von dir festhalten lassen.«

      Es überraschte Aoleyn, wie sehr ihr diese Bitte widerstrebte. An diesem dunklen Ort vor nicht allzu langer Zeit hatte sie Bahdlahn gebraucht und hatte gespürt, dass er sie auch brauchte. Aber nun war dieses Bedürfnis verschwunden, außerdem wollte sie das Ganze nicht noch komplizierter machen. Sie verzog das Gesicht, als sie erneut Schuldgefühle überkamen. Sie befürchtete, dass sie Bahdlahn ausgenutzt hatte. Sie versuchte einige Male, ihm zu antworten, aber ihr fehlten die Worte.

      Bahdlahn kam mit einem schnellen Schritt auf sie zu und zerquetschte sie fast mit seiner gewaltigen Umarmung, bevor er eine Armeslänge zurücktrat.

      »Du hast mir viele Male das Leben gerettet«, sagte er und seine Stimme klang mit jedem Wort kräftiger und selbstbewusster. »Du hast mir gezeigt, was Freundschaft ist. Du bist mir mit Liebe begegnet, die ich für unvorstellbar hielt.« Er hielt inne und atmete tief durch, während er den Kopf senkte und offenbar mit sich rang.

      »Aoleyn«, sagte Bahdlahn schließlich. »Ich werde dir ein Freund sein.«

      Er hob ihre Hand und küsste sie sanft, dann drehte er sich um und ging zum Lager der Flüchtlinge zurück.

      Aoleyn wandte sich wieder dem See zu und schloss die Augen, um ihre aufwallenden Gefühle in den Griff zu bekommen. Sie dachte darüber nach, dass es ihr nicht schwergefallen wäre, die Nacht mit diesem Mann zu verbringen – schließlich vertraute sie ihm und er bedeutete ihr viel. Aber nein, wie hätte sie das tun können, wenn sie es nicht aus vollem Herzen wollte?

      »Entschuldige, werte Dame«, hörte sie jemanden hinter sich sagen und als sie sich umdrehte, entdeckte sie Aydrian – er kam vom steinigen Ufer und nicht aus dem Lager.

      Das Unbehagen in seiner Stimme war nicht zu überhören.

      »Wie viel hast du mitbekommen?«, fragte sie scharf.

      »Mehr als ich hätte hören sollen, fürchte ich«, entgegnete er. »Aber ich wollte euch nicht unterbrechen.«

      »Dann vertraue ich auf deine Diskretion.« Sie wandte sich wieder dem See zu.

      »Natürlich.« Aydrian trat neben sie und sagte leise: »Das hat dich verletzt.«

      »Es hat Bahdlahn verletzt.«

      »Er wird es überstehen«, sagte der große Mann, worauf Aoleyn ihm einen finsteren Seitenblick zuwarf.

      »Es ist gut, dass dich das auch verletzt hat«, fügte Aydrian hinzu. »Es ist gut, dass du dir Gedanken über die Konsequenzen machst, die deine Entscheidungen für andere haben.«

      Aoleyn spähte in Richtung Lager und entdeckte Bahdlahns Silhouette. Er war noch auf dem Rückweg.

      »Aber es war trotzdem deine Entscheidung, nur deine«, fuhr Aydrian fort. »Wenn du dein Lager mit ihm geteilt hättest, was wäre beim nächsten Mal gewesen? Oder beim übernächsten?«

      »Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.«

      »Das stimmt«, gab der Mann zu, doch während Aoleyn fortfuhr, weil sie einfach nicht anders konnte, bemerkte sie sein wissendes Grinsen.

      »Bahdlahn erlebt gerade zum ersten Mal in seinem Leben Freiheit. Er versteht noch nicht richtig, was es bedeutet, eine Wahl zu haben, erst recht nicht, was es heißt, ein Mann zu sein, oder welche Verantwortung man als Geliebter oder Ehemann hat.«

      »Bahdlahn?«

      »Ja«, erwiderte sie überrascht.

      »Aoleyn«, korrigierte sie Aydrian. »Du sprichst für Aoleyn, nicht für Bahdlahn. Verstecke dich nicht hinter dem, was du als deine Verantwortung gegenüber Bahdlahn empfindest.«

      »Weist du mich etwa zurecht?«

      »Ich sage dir die Wahrheit, denn ich hoffe um unser aller willen, dass du mir bald vertrauen wirst«, sagte Aydrian. »Aoleyn hat Bahdlahns Bett nicht für ihn verschmäht, sondern für sich selbst. Wenn dein Herz sich nach seiner Umarmung gesehnt hätte, wenn dein Körper bei seinem Anblick gekribbelt hätte, wärst du mit ihm gegangen.«

      »Ich …« Sie sprach nicht weiter, sondern starrte auf den See hinaus und schwieg trotzig.

      »Du entscheidest für dich und Bahdlahn entscheidet für Bahdlahn. Das ist Ehrlichkeit«, sagte Aydrian.


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