Trinity. Grace Goodwin

Trinity - Grace Goodwin


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meinem alten Freund, als er sich wie ein Gespenst von Schatten zu Schatten bewegte. Den jungen Garden hinter mir hatte ich so gut wie vergessen, als die glitzernden Silbertürme der Zitadelle in Sicht kamen. Die altertümliche Struktur war von einer Rasse Unsterblicher errichtet worden, von der seit langem nichts als ein Mythos übriggeblieben war und deren Geheimnisse von Generation zu Generation innerhalb der königlichen Familie weitergegeben wurden.

      Die Nachfolgelinie war in den letzten Jahren stark ausgedünnt. Mein Cousin ersten Grades war ein Jahr zuvor bei einem Unfall getötet worden. Seine Tochter hatte ein paar Monate später Selbstmord begangen. Jetzt aber, nach dem Attentat auf mein Leben und dem Ableben meines Partners musste ich mich fragen, ob es denn tatsächlich Selbstmord gewesen war. So sehr es mich auch schmerzte, ich wusste jetzt ohne jeden Zweifel, dass man es auf die königliche Linie abgesehen hatte. Dass irgendjemand uns auslöschen wollte.

      Heute Abend hätten sie es fast geschafft, allerdings wusste niemand, dass ich bereits schwanger war. Mit der Thronerbin. Meine Tochter würde meine direkte Nachfolgerin werden. Ich konnte ihren Geist in mir spüren, er war so lebendig, leidenschaftlich und weise, dass ich alles tun würde, um sie zu schützen; selbst, wenn ich dafür meinen Planeten verlassen müsste. Mein Zuhause. Ein stolzes Volk, über das ich herrschen durfte. Sie war das Licht, das diese Welt vor dem Untergang bewahren würde und diese Narren vor ihrer eigenen Dummheit.

      Wenn es an der Zeit wäre, würden wir gemeinsam zurückkehren. Ich würde sie unterweisen und darauf vorbereiten, meine Nachfolge anzutreten. Und ihre Tochter nach ihr. Ich glaubte an sie und an die Liebe, die sie gezeugt hatte.

      Und wenn mir etwas zustoßen sollte? Sie würde leben und nach Alera zurückkehren, um zu regieren. Sie würde nicht einfach nur zurückkehren und herrschen, sondern sie würde sich rächen. Für alle, die heute gestorben waren, darunter ihr Vater. Dafür würde ich sorgen.

      Die Silberwände der Zitadelle funkelten Tag wie Nacht, als ob das Gebäude lebendig war. Vorne, in der Nähe der Treppe des Haupteingangs, erstreckte sich gleich einem Fächer aus grünem Gras, Bäumen und Seidenblüten ein großer Garten. Der Mond schien zu dieser späten Stunde auf die schimmernden, transparenten Blütenblätter der Aleranischen Blumen und sie sahen so schön und friedlich aus, selbst als die Nacht im Rest der Stadt mit Gewalt explodierte.

      Mein Partner war tot. Andere Familienmitglieder ebenfalls. Der royale Garde. Sie alle waren tot. Und doch, die Zitadelle stand weiterhin, eine Bastion der Stärke und Zuversicht. Ich musste nur die königliche Halskette verstecken, die so viel Macht in sich trug und mein Baby so weit wegbringen wie möglich. Irgendwohin, wo sie groß und stark werden konnte. Mächtig.

      Ich musste zu einem Planeten fliehen, der so klein und unbedeutend war, dass sie gar nicht auf die Idee kommen würden, dort nach uns zu suchen. Sie würden nach mir suchen … und sie würden wissen, dass ich am Leben war. Das Leuchtfeuer der Zitadelle würde ihnen verraten, dass die Königin weiter regierte, selbst von ihrem Versteck aus. Der anhaltende Schein des Zitadellenturms würde Alera verkünden, dass ihre Königin noch lebte.

      Ich stolperte über den Saum meines Juwelen-bestickten Kleides und mein treuer Freund fing mich auf und lehnte mich sanft gegen die kühle Silberwand. “Wir sind da, meine Königin, aber ich sehe keinen Eingang.”

      Ich nickte und als ich schließlich die notwendige Stärke dafür gefunden hatte, blickte ich ihm in die Augen. Diese Ehre schuldete ich ihm. “Du hast mir und deinem König mit Ehren gedient. Du bist ein edler Krieger und ich bin stolz, dich zu meinen Freunden zu zählen.”

      Seine dunklen Augen wurden schwermütig und er blinzelte feste, dann wandte er sich ab, damit ich nicht seine Tränen sah. “Ich habe versagt, Sie enttäuscht. Ich habe den König enttäuscht.”

      “Nein.” Ich nahm seine Hand und legte sie auf die leichte Wölbung meines Bauches. “Nein. Er lebt weiter. Unsere Tochter wächst bereits in mir heran. Heute Nacht ist nicht das Ende unserer Familie. Wir leben weiter, solange das Licht des Turms erstrahlt. Und wir werden zurückkehren.”

      “Wie kann ich Eure Majestät?” Er fiel vor mir auf die Knie und geriet ins Straucheln, als frisches Blut seine Flanke tränkte. Der jüngere Garde fiel ebenfalls auf die Knie.

      “Wie können wir ihnen dienen?”

      “Erzählt niemandem, dass ihr mich begleitet habt, dass ihr mich gesehen habt. Erzählt keinem von meinem Kind.” Ich richtete mich so gut wie möglich auf und hielt mein Kinn hoch, selbst als ich Schritte hörte. “Und ihr müsst am Leben bleiben. Haltet durch und helft meiner Tochter, sobald sie zurückkehrt.”

      Beide senkten ihre Köpfe und ich nutzte den Moment, um in die Zitadelle zu schlüpfen. Der Eingang war ein unsichtbares Energiefeld; er sah aus wie jeder andere Teil der Wand. Diejenigen mit königlichem Blut in ihren Adern brauchten nur einen Schritt zu tun, um die Barriere zu durchschreiten und ins Innere Heiligtum zu gelangen.

      Draußen hörte ich Klingen aufeinander schlagen und Gebrüll. Todesschreie. Aber ich wagte es nicht mich umzudrehen. Wenn der Feind bereits da war, würden mir nur Minuten bleiben, um die Halskette zu verstecken und zu entkommen, ehe einer meiner verräterischen Cousins die Barriere durchbrechen würde.

      Als die Edelsteine sicher versteckt und ohne meine Anweisung nicht mehr auffindbar waren, blickte ich ein letztes Mal zu den heiligen Turmspitzen auf. Mehrere Stufen heiliger Steine, die mit Edelmetall verziert waren. Die Zitadelle war auf unerklärbare, wundersame Weise—die besten Wissenschaftler des Planeten hatten seit Jahren versucht herauszufinden, wie die Energie des Gemäuers mich und alle anderen Königinnen vor mir auserkoren hatte—mit meiner Lebenskraft verbunden und solange ich lebte, würde mein Turm weiter erstrahlen; ganz egal, wo ich mich aufhielt. Solange die Lebenskraft durch meinen Körper floss, waren die Steine und ich auf Quantenebene miteinander verbunden.

      Ich trat aus dem geheimen Raum heraus und blickte auf. Mein Turm, also der Beweis, dass ich am Leben war, war hell erleuchtet. Alle Türme waren meilenweit zu sehen, ihr Licht war seit Jahrtausenden ein Zeichen königlicher Stärke und Macht. Zu Anfang, als die königliche Blutlinie noch stark war, erstrahlten noch alle neun Türme. Eine unzerstörbare Thronfolgelinie.

      Im Laufe der Zeit aber hatte sich das geändert. Es gab weniger Geburten. Kriege. Und jetzt? Jetzt war nur noch ich übriggeblieben. Aber solange die Lichtsäule des Turmes in den Himmel ragte, würde niemand meinen Thron an sich reißen. Der Turm log nicht. Sein meilenweit sichtbares Licht würde erst mit meinem letzten Atemzug erlöschen. Keiner meiner Cousins war von der geheimnisvollen Intelligenz der altertümlichen Steinstruktur als würdig erachtet worden.

      Aber ich zweifelte nicht an der Lebenskraft und an dem Feuer, das meine Tochter in sich tragen würde. Bei ihrer Rückkehr würde ich sie hierher bringen, ihr Blut auf den heiligen Stein tröpfeln lassen und sie in die Arme schließen, sobald ihr Turm vor den Augen aller erstrahlen würde.

      Jetzt aber musste ich von hier verschwinden und abwarten. Mich so unauffällig wie möglich machen, bis es für meine Tochter an der Zeit war zurückzukehren. Ich würde den Planeten inkognito verlassen müssen und nicht als Königin. Also zog ich meine Juwelen-bestickten Roben aus und ließ sie zu Boden fallen. Das schlichte Unterkleid und ein Schal würden mir erlauben, unbemerkt zu entkommen.

      Wer auch immer die königliche Familie stürzen wollte, heute Nacht würden sie nicht triumphieren. Und die Lichtsäule des Turms würde meine Feinde beständig quälen, und zwar bis ich meine Familie rächen könnte. Bis meine Tochter den Thron übernehmen würde.

      Wieder brach es mir das Herz, ich biss den Kiefer zusammen und zog meine Schultern zurück, als ich zum letzten Mal das Licht des Turms betrachtete. Ich würde nicht hier sein, um mein Volk anzuführen, aber sie würden wissen, dass ich sie nicht verlassen hatte und auf meine Rückkehr warten.

      Ich blickte ein letztes Mal auf das Versteck der königlichen Halskette. Die heiligen Edelsteine würden sicher sein, und zwar bis meine Tochter zurückkehren würde.

      Ich schluckte meine Tränen runter, machte mich zum geheimen Ausgang auf und verschwand.

      Trinity


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