Trinity. Grace Goodwin

Trinity - Grace Goodwin


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      “Nicht, wenn ich ihn zuerst finde.” Destiny zog ihre Pistole aus einer versteckten Tasche ihrer Lederhose, aber der Riese an ihrer Seite nahm sie ihr einfach weg; wie einem Baby, dem man den Lolli mopste. Sie grinste ihn einfach nur an; ohne jedes Bedauern. “Tut mir leid.”

      “Erdenfrauen,” sprach er und steckte die Waffe weit, weit weg von meiner blutrünstigen Schwester. Normalerweise war sie gar nicht so drauf. Eigentlich war sie ein echter Softie. Aber nachdem wir heute Morgen Mutters Schreie gehört hatten, waren wir alle wie ausgewechselt.

      Seit Jahren hatte Mutter uns von ihrer Heimatwelt erzählt, von den Ältesten, die ihrem Volk geholfen hatten und ihren Ahnen eine königliche Halskette aus magischen Steinen überreicht hatten, um die Herrschaft unserer Blutlinie zu unterstützen. Von der Zitadelle, die nur die Mitglieder der Königsfamilie betreten konnten. Von dem Putschversuch, der sie zur Flucht gezwungen hatte, vom Tod meines biologischen Vaters, dem König. Wie sie auf der Erde gelandet war und Adam getroffen und sich in ihn verliebt hatte. Ihn geheiratet hatte. Wie schließlich Faith und Destiny das Licht der Welt erblickt hatten. Aber ihre Töchter—also wir drei—hatten niemals wirklich hierher auf die Erde gehört. Das hatte sie uns eingebläut, seit wir zu sprechen gelernt hatten. Tatsächlich hatte sie darauf bestanden, dass wir Aleranisch von ihr lernten. Wir sprachen es nicht perfekt und wer weiß, was dort in den vergangenen siebenundzwanzig Jahren alles abgelaufen war, aber wir hatten so viel wie möglich von ihr gelernt. Sie hatte gesagt, dass es irgendwann an der Zeit sein würde, um nach Alera zurückzukehren. Und jetzt war es soweit, ob es uns gefiel oder nicht.

      Wir waren Royals. Wir entstammten einer altertümlichen Aleranischen Blutlinie. Wir waren Prinzessinnen. Mutter war nicht von ein paar stümperhaften Einbrechern gekidnappt worden. Das Raumschiff in unserem Vorgarten war der Beweis. Sie war von jemandem auf Alera entführt worden, ihrer Heimat.

      Warum ausgerechnet jetzt? Bei ihrer Flucht war sie bereits mit mir schwanger gewesen … also vor siebenundzwanzig Jahren. Das war ziemlich lange für eine Königin im Exil.

      Wir hatten zwar unser gesamtes Leben auf der Erde verbracht, aber jetzt wurde es Zeit, dass wir zurückkehrten. Die Bewohner von Alera konnten sich auf etwas gefasst machen, wenn die Jones-Schwestern eintrudeln würden, um ihre Mutter zu finden, um ihre Königin zu retten.

      Es war Zeit, zu unserem Heimatplaneten zurückzukehren und ein paar Leuten ordentlich in den Arsch zu treten.

      1

       Trinity Jones, Abfertigungszentrum für Interstellare Bräute, Miami

      “Von wegen nur wie Ohrlochstechen,” brummte meine Schwester Destiny. Dann tätschelte sie die Stelle, an der ihr soeben die NPU eingepflanzt worden war, und zwar mit der fettesten Nadel, die ich je gesehen hatte. “Das hat verdammt wehgetan.

      Sie fing an auf und ab zu schreiten, als ob sie so dem Schmerz davonlaufen könne. Ihr schulterlanges, lila Haar schwang hin und her, als sie durch den Raum tigerte.

      “Hör auf rumzuheulen. Ich war als Erste dran.” Ich hatte nicht die Absicht meiner Schwester zu zeigen, wie nervös ich war. Als Älteste musste ich mit gutem Beispiel vorangehen. Egal, wie beängstigend die letzten vierundzwanzig Stunden auch gewesen sein mochten, ich vermutete, dass die nächsten vierundzwanzig Stunden noch viel schlimmer werden würden. “Nach diesen ganzen Wirbelsäulentattoos”—die Zeichnungen waren kunstvoll, feminin und wirklich schön, aber das würde ich ihr gegenüber niemals zugeben—"müsstest du dich doch längst an Nadeln gewöhnt haben.”

      Destiny verdrehte die Augen und rieb sich immer noch die Stelle hinter ihrem Ohr. “Das war keine normale Nadel. Das war eine Stricknadel mit der sie uns kleine Kugeln ins Hirn geschossen haben.”

      Aufseherin Egara, die offizielle Vertreterin der Koalitionsflotte im Bräutezentrum kam zwar selber von der Erde, sie schien heute aber nicht besonders gut gelaunt zu sein. “Meine Damen, die NPU geht nicht in ihr Gehirn. Die Nanotechnologie gräbt sich in ihren Innenohrknochen und überträgt modifizierte Geräusche direkt in den Cochlea-Nerv. Und sie werden sehr dankbar dafür sein, weil sie damit jeden im Weltall verstehen können.” Sie verkörperte kühle Effizienz in Person. Ihre Uniform saß tadellos, ihr dunkles Haar war gepflegt, sie war umgänglich und doch ernsthaft. Und dieses Anatomie-Geschwafel? War nicht so meine Sache, meine Schwester Faith aber nickte enthusiastisch.

      Streberin. Seit sie laufen konnte, hatte Faith verletzte Tiere und sogar Insekten mit nach Hause gebracht. Und sie hatte ein sanftmütiges Wesen, das weder Destiny noch ich unser eigen nennen konnten. Ich liebte Ordnung. Gesetze. Tradition. Faith plante nie im Voraus. Und Destiny? Nun, meine kleine Schwester vermöbelte gerne Bösewichte und stellte sicher, dass die Dinge nicht ins Stocken gerieten. Zusammen waren wir unschlagbar. Ich hoffte nur, dass wir stark genug waren, um die nächsten Wochen zu überleben. Nein, die nächsten Jahre. Wir würden zu einem Planeten aufbrechen, den keine von uns je betreten hatte. Und wir würden Feinde jagen, die keine von uns je gesehen hatte.

      Diese ganze Angelegenheit war ein Riesenschlamassel und ich wünschte mir, dass ich zwei Jahre zuvor auf Mutter gehört hätte; als sie meinte, dass wir nach Alera zurückkehren sollten. Aber ich war mitten im Jurastudium und zu beschäftigt gewesen. Ich war immer viel zu beschäftigt gewesen.

      Jetzt war sie tot, und ich war schuld.

      “Hör auf rumzuheulen oder du wirst Faith Angst einjagen,” sagte ich zu ihr. Die Injektion hatte wehgetan, aber da ich als Erste dran gewesen war, hatte ich die Zähne zusammengebissen und angesichts des stechenden Schmerzes keinen Ton von mir gegeben. Eine Betäubungscreme oder Anästhesie wäre aber wirklich nicht schlecht gewesen.

      “Nur weil ich mich wie ein Mädchen anziehe, heißt das nicht, dass ich weniger drauf habe als ihr beide.” Meine kleine Schwester Faith war acht Minuten älter als ihre Zwillingsschwester. Beide waren fast drei Jahre jünger als ich, und ich war siebenundzwanzig. Sie waren meine Halbschwestern, aber ihr menschlicher Vater war nicht der Grund, warum wir jetzt hier waren—bereit, in eine unbekannte Welt aufzubrechen.

      Faith atmete tief durch, als Aufseherin Egara das teuflische Instrument für sie vorbereitete. Es war wie eine Ohrlochpistole, allerdings mit einer Nadel wie für eine Fruchtwasseruntersuchung oder um einen Alien zu durchlöchern statt kleinen Mädchen im Schmuckwarengeschäft im Einkaufszentrum Ohrstecker ins Ohrläppchen zu schießen.

      “Werd bloß nicht ohnmächtig. Ich kann dich nicht auffangen, mir tut es immer noch voll weh,” warnte Destiny.

      “Jetzt mach nicht so ein Drama,” entgegnete Faith zu Destiny, die immer noch ihre Hand an jener Stelle hielt, wo jetzt die NPU saß. Aufseherin Egara trat an sie heran und Faith schwang ihr langes braunes Haar über die andere Schulter und legte die Stelle frei, die für die Injektion gebraucht wurde. “Aufseherin, unsere Mutter hat uns die Aleranische Sprache beigebracht. Ich verstehe nicht ganz, warum das hier notwendig ist.”

      Das Pfeifen der Druckluft ließ mich zusammenzucken, genau wie Faith, als die Nadel mit der NPU ihre Haut durchbohrte. “Es gibt über zweihundertsechzig Welten mit tausenden Sprachen. Die meisten davon sind nicht so wie die Erde; sie sind sehr viel weiter fortgeschritten und nehmen Reisende von anderen Planeten bei sich auf.”

      Mit anderen Worten, die Erde war ein primitiver, rückständiger und unbedeutender Ort im Universum. Mutter hatte uns berichtet, wie sie nach einem Planeten abseits der großen Politik und der interstellaren Koalition gesucht hatte, um sich zu verstecken und sich genau deshalb für die Erde entschieden hatte. In fast dreißig Jahren war niemand auf die Idee gekommen, hier nach ihr zu suchen. Bis ich es vermasselt hatte und einige Tage zuvor mit Aufseherin Egara telefoniert hatte. Ich wollte ein paar Informationen über Alera und die wahnwitzige Aleranische Gluthitze einholen, vor der meine Mutter mich immer gewarnt hatte.

      Mein Körper ließ mich zusehends im Stich und ich wurde immer verzweifelter. Ein beknackter Fehltritt, den ich nicht noch einmal machen würde. Ein törichter


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