Die Unaussprechliche. Wolf Awert
wollt.“
„Es gibt hier viele Artefakte, die die Elfen nicht kennen, weil sie so etwas nie gebraucht haben. Dadurch verzichten sie auf ganze Gebiete der Magie. Ihr solltet Euch unverzüglich an die Arbeit machen und endlich den universellen Magieverstärker zusammenbauen“, sagte Dorman.
„Wieso habe ich auf einmal das Gefühl, dass Ihr das Kommando hier übernehmen wollt?“, fragte Treibgut etwas ungnädig.
Dorman machte unschuldige Augen. „Wen oder was sollte ich denn kommandieren wollen?“
„Das weiß ich noch nicht, aber glaubt mir, ich werde es nicht sein.“
„Vergesst es. Es geht weder um mich noch um Euch. Der Magieverstärker ist deshalb wichtiger als alles andere, weil Tamalone über die Gabe verfügt, die Magie der Menschen zu erwecken. Das habe ich erst jetzt und hier verstanden. Was wäre das für ein Geschenk, durch sie die Magie der Menschen zurückzubekommen. Aber ihr fehlt die Kraft, die dazu nötig ist. Warum die Menschen ihre Magie verloren haben, weiß ich nicht. Woher sie sich diese Kraft früher einmal besorgten, ist eine weitere Frage, auf die ich gern eine Antwort hätte. Eine verlorene Kunst ist sie geworden. Heute beherrscht diese Magie niemand mehr.“
„Außer Euch.“
„Ich wünschte, es wäre so. Aber Eure Sammlung von Artefakten könnte mir erzählen, zu was die Menschen einmal fähig waren. Nur einige wenige Eurer Sammlerstücke sind tot. Ob ich in ihnen noch etwas finde, kann ich nicht versprechen. Andere schlafen und lassen sich möglicherweise wecken. Und noch andere sind lediglich ein wenig müde. Sie werden sprechen. Aber all das wird mehr Zeit kosten, als wir im Augenblick zur Verfügung haben. Ihr müsst deshalb den Magieverstärker bauen, und ich werde Tama so lange beschützen, bis Ihr endlich fertig seid.“
Das war keine Sprache, in der Treibgut sich zu unterhalten bereit war. „Zunächst hätte ich gern mein Geld zurück“, sagte er. „Mir fällt gerade ein, dass ich es doch dringender brauche, als ich gedacht habe. Schließlich könnte es sein, dass ich sehr teure magische Substanzen einkaufen muss, damit ich endlich den Magieverstärker bauen kann.“ Treibguts Stimme war tonlos und sein Blick hart.
Dorman erwiderte diesen Blick nur kurz, trat einen Schritt auf Treibgut zu und umarmte ihn mit einer Kraft, dass Treibgut sich kaum mehr rühren konnte. So hart Dormans Griff war, so weich erklang seine Stimme. „Verzeiht mir, mein Freund. Ich darf Euch doch so nennen. Es ist allein die Sorge um Tamalone, die mich ungeduldig werden ließ.“ Von einem auf den anderen Moment verließen Härte und Kraft Dormans Arme und er gab Treibgut wieder frei. „Ihr wollt unbedingt wissen, wie ich Eure Schlösser öffne? Gut. Ich zeige es Euch. Passt gut auf. Dort, das Amulett, das an dem Silberhaken hängt.“
Das Amulett befreite sich von seinem Haken, stieg in die Luft auf und kam, wie von einem Luftkissen getragen, herangeschwebt.
Treibgut traute sich nicht zu atmen, aus Angst, ein einziger Atemzug könnte Dorman in seiner Konzentration stören, und das wertvolle Stück, aus Knochen geschnitzt und mit Dornen aus Messing durchbohrt, würde dann zu Boden stürzen und zerbrechen. „Vorsicht, Mann,“ flüsterte er, als Dorman das Artefakt mit sicherer Hand ergriff und es aus der Luft pflückte wie einen Apfel vom Ast eines Baumes.
„Ich beherrsche nur diesen einen Menschenzauber, den ich Euch gezeigt habe. Die Kraft dazu wurde mir angeboren. Und Ihr habt kein Artefakt dafür. Wahrscheinlich ist er selten gewesen.“
Treibgut rieb sich die Arme an den Stellen, wo Dormans Hände sie gedrückt hatten. „Ihr seid ein Narr, wenn Ihr ernstlich glaubt, dass ich nach all dem, was Ihr mir grad offenbart habt, mich jetzt so einfach hinsetze und am Magieverstärker arbeiten werde. Wir haben Zeit. Zumindest so lange, bis Tamalone zurück ist. Und ihr dürft sie gern weiterhin Tama nennen, weil ich weiß, dass Ihr es auch sonst so haltet. Sagt mir, was Ihr bei einer oberflächlichen Durchsicht der Artefakte erkennen könnt.
Dorman verfluchte seine Ungeduld, überlegte nur kurz, dann nickte er und trat vor die Wand, an deren Artefakte Merjina gerade arbeitete. „Zeigt auf ein Artefakt und ich sage Euch, was mir dazu einfällt.“
Treibgut zeigte auf ein Artefakt mit der Nummer 41.
„Ihr habt einige Artefakte hier, die wirken wie ein Fernrohr. Ihr schaut hinein und alles wird so groß, dass ihr die Einzelheiten erkennen könnt. Es ist nur gleichgültig, in welche Richtung ihr schaut. Auch sind es keine Rohre. Ich vermute, man kann über sie den Kontakt zu anderen Welten oder Orten herstellen. Praktisch, wenn man etwas verloren hat und es wiederfinden muss. Das Artefakt 41 gehört zu dieser Gruppe und doch auch wieder nicht. Es enthält noch sehr viel Kraft. Aber ich kann es nicht nutzen. Für mich schaut es ins Nichts. Und man kann mit ihm auch nichts wiederfinden, was man verloren hat. Wir brauchten einen Menschen mit magischen Fähigkeiten. Wir brauchen Tama.“
„Mir brummt der Kopf. Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll. Das klingt für mich, als wären die Menschen einst erheblich mächtiger gewesen als die Elfen.“
„Möglich, aber ich glaube nicht, dass ihre Magie so mit ihrer Natur verbunden war, wie es bei den Elfen der Fall ist. Alle Elfen sind Magier oder Zauberer, wenn sie es darauf anlegen. Ich kann mir das bei den Menschen nicht vorstellen. Aber was weiß ich schon sicher über dieses Volk.“
„Es ist doch Euer Volk.“
„Wenn Ihr das sagt.“
Treibgut geleitete seinen ungeladenen Gast zur Tür und von dort zurück in die Werkstatt. „Ich werde mich um den universellen Magieverstärker kümmern. Aber sagt, Ihr wisst nicht zufällig, welches Wesen den Zahn geliefert hat, von dem mir lediglich eine kleine Scheibe zur Verfügung steht?“
Pandos Schritte gerieten kurz aus dem Takt. Dann sagte er: „Nach allem, was ich weiß, muss der Zahn schon recht alt sein.“
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