Küsse lügen nicht. Kay Rivers

Küsse lügen nicht - Kay Rivers


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das ist auch alles.«

      Er wies mit einem Arm auf eine Ölpumpe, deren Galgen nur ein paar Meter in die Luft ragte, nicht die turmhohen Meter wie auf der Richards Ranch. Wovon das hier einmal ein Teil gewesen war.

      »Du weißt, dass die Vorkommen erschöpft sind?«, fragte Dale stirnrunzelnd. »Dass du auf konventionelle Art da nichts mehr rauskriegst?«

      »Für mich reicht’s.« Er zuckte die Schultern. »Ein paar Dollar kriege ich immer noch für die paar Barrel, die das hier hergibt. Reich werde ich natürlich nicht dabei.«

      Doch es klang nicht neidisch, wie er das sagte. Es war nur die Feststellung einer Tatsache, mit der er anscheinend nicht unzufrieden war. Die er einfach so akzeptiert hatte, ohne sie in Frage zu stellen oder sich darüber zu ärgern.

      »Was machst du schon so früh am Morgen hier draußen?«, fragte er und blickte in die Sonne, die noch nicht sehr hoch am Himmel stand. »Sitzt man da bei euch nicht eigentlich noch am Frühstückstisch?« Seine Mundwinkel zuckten. »Oder schläft noch.«

      Dale nickte. »Ja, sie schlafen noch. Aber ich bin das nicht gewöhnt. Ich stehe immer früh auf.«

      Und außerdem wollte ich die Begegnung mit den beiden Grazien meiner Familie vermeiden, fügte sie in Gedanken hinzu, aber das sagte sie nicht laut. Möglicherweise konnte Jings sich das sowieso schon denken.

      »Bei der Army muss man das ja wohl auch«, sagte Jings.

      Dale schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht mehr bei der Army. Schon eine ganze Weile nicht mehr.«

      »Ach?« Er hob sehr erstaunt die Augenbrauen. Dann schüttelte er den Kopf. »Du und die Army, du und eine Uniform – das war doch immer eins. Ich weiß noch, wie du mir davon erzählt hast, wie du weglaufen wolltest, um schon mit sechzehn in die Army einzutreten.«

      »Die hätten mir was gehustet.« Dale lachte. »Sie überprüfen das schon. Da hätte ich mir vorher noch falsche Papiere besorgen müssen. Was nicht so richtig mein Ding ist.«

      »Ja, bist schon eine ehrliche Haut«, nickte er und klopfte ihr auf die Schulter. »Du und dein Vater. Der Rest deiner Familie . . .«

      »Du meinst meine Mutter und Lainey?« Dale verzog das Gesicht.

      Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine nicht nur deine Mutter und Lainey.«

      »Wer bleibt denn da noch – Oh, Wayne.« Etwas verblüfft runzelte Dale die Stirn. »Willst du damit irgendetwas andeuten?«

      »Geht mich nichts an.« Abwehrend hob Jings die Hände in die Luft. »Aber Wayne und dein Schwager – die haben sich gesucht und gefunden. Frag die lieber.«

      »Laineys Mann?« Den hatte Dale noch gar nicht kennengelernt. Sie kannte ihn bisher nur von Fotos, die ihre Mutter ihr nach der Hochzeit geschickt hatte.

      Darauf sah er irgendwie . . . unbedeutend aus. Ein hübscher Junge mit einem nicht sehr intelligenten Gesicht. Gerade richtig für Lainey hatte sie damals – nicht sehr liebenswürdig – gedacht.

      Aber für Liebenswürdigkeit war sie zu dem Zeitpunkt auch nicht in Stimmung gewesen. Fotos von der Hochzeit hatte ihre Mutter ihr zwar geschickt, aber keine Beileidsbekundung zu Kathys Tod, nichts. Als ob sie gar nicht existiert hätte. Als ob sie nicht ihr Leben für ihr Land gegeben hätte. Als ob Dale gar keinen Grund zur Trauer gehabt haben könnte, nicht getröstet werden müsste, nicht den Boden unter den Füßen verloren hätte.

      »Der schöne Owen.« Jings grinste. »Immer hinter den Mädchen her und hinter dem Alkohol.«

      »Ach, deshalb.« Dale hatte das Gefühl zu verstehen. »Wayne war der Flasche ja auch nie abgeneigt.«

      »Und spielen tun sie auch beide gern. Da verbringen sie Nächte zusammen«, sagte Jings.

      »Spielen?« Das hörte sich nicht gut an. Immerhin war Wayne für Millionen verantwortlich, die die Richards Oil Corporation umsetzte. Das Geld musste gewissenhaft verwaltet werden.

      Da sie die Eingänge auf ihrem Konto gesehen hatte, hatte sie daran bisher keine Zweifel gehabt, aber Jings wusste wohl mehr als sie. Was kein Wunder war, da er ja hier lebte, während Dale bis zum gestrigen Tage praktisch alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte.

      »Wie gesagt: Geht mich nichts an«, wiederholte Jings. »Dachte nur, du solltest es wissen. Was machst du denn jetzt?«

      »Ich bin bei Matrix International, einer Computerfirma in Miami«, sagte Dale. »CSO.«

      »Soso. Vizepräsidentin für Sicherheit. Passt ja.« Jings grinste wieder. »Mit deinen Erfahrungen aus der Army.«

      »Ist mehr ein Schreibtischjob.« Dale seufzte. »Was ich nie haben wollte.«

      »Dann solltest du vielleicht zurückkommen«, sagte Jings.

      »Zurückkommen?« Jetzt war Dale verwundert. »Das hatte ich eigentlich nicht vor. Ich bin nur hergekommen, um –« Sie zuckte die Schultern. »Na ja, um mal wieder herzukommen.« So genau wollte sie da nicht ins Detail gehen.

      »Ach übrigens: Herzliches Beileid«, sagte er. »Ich habe Kathy ja damals nur kurz kennengelernt, als ihr hier wart, aber ich fand sie sehr nett.«

      Dale drehte ihr Gesicht in die Sonne, weil man dann nicht sehen konnte, wie ihre Augen feucht wurden. »Danke«, sagte sie. »Ist auch schon eine Weile her.«

      »Tut mir leid.« Jings betrachtete sie etwas schuldbewusst. »Aber ich wusste nicht, wie ich dich erreichen konnte. Du warst ja immer in irgendeinem Krieg.«

      »Schon okay.« Dale winkte ab. »Das hat jetzt keine Bedeutung mehr. Wie gesagt bin ich nicht mehr im Dienst. Nur noch Reserveoffizier.« Sie drehte sich zu ihm zurück und lächelte ihn an. »Wie sieht es denn bei dir aus? Ich meine, abgesehen von deiner Ölpumpe hier – hast du da nicht auch noch eine andere Gefährtin?«

      Auf einmal schien Jings wieder zwanzig Jahre jünger zu sein. Er griff in seine Gesäßtasche, zog das ölverschmierte Tuch heraus und drehte es in den Fingern. »Ich habe einer Frau nicht viel zu bieten.« Das klang ausweichend.

      Dale wusste, dass sie jetzt nicht lachen sollte, aber sie musste sehr dagegen ankämpfen. »Du hast also jemand?«, fragte sie.

      »Sie . . . Sie . . .« Er wandte sich abrupt von Dale ab. »Ich kann sie nicht heiraten, solange ich kein Geld habe. Für mich reicht das hier, aber für eine Frau . . . Für sie . . .«

      »Hat sie dir das so gesagt?« Dale blieb hinter ihm stehen. Er sollte sich nicht bedrängt fühlen.

      »Sie . . .« Er räusperte sich. »Sie sagt, es wäre ihr egal. Sie würde überall mit mir wohnen. Und sie hat ja auch noch ihren Job als Kellnerin. Da verdient sie ganz gut mit den Trinkgeldern.«

      »Aber du willst ihr etwas bieten, hm?« Das verstand Dale sehr gut. Und sie verstand es noch besser, seit sie mit so vielen Männern zusammen gedient hatte. Männer hatten eine bestimmte Art von Stolz, von dem sie nicht abgehen wollten, nicht abgehen konnten, ohne ihre Männlichkeit in Frage zu stellen.

      Er nickte in die Luft hinein, in eine leere Richtung, da Dale ja hinter ihm stand. »Ihr fördert doch jetzt auch wieder eine Menge«, sagte er und drehte sich wieder zu ihr um. »Da muss doch hier auch mal wieder etwas herauskommen.«

      »Ich weiß nicht genau, wie das funktioniert«, sagte sie. »Ich glaube, das ist jetzt eine ganz andere Technik als früher. Aber ich kann mich da bei Wayne schlaumachen, wenn du willst.«

      Fast entsetzt hob er die Hand. »Bloß nicht! Ich will nicht, dass er mehr über mich weiß, als er wissen muss. Er ist sowieso schon immer drauf und dran, mich hier von dem Land zu vertreiben.«

      »Bitte was?« Ungläubig beugte Dale sich vor. »Das Land hier hat Dad dir geschenkt. Es ist dein Land. Und das deiner Familie, deiner Kinder. Zwar hat Dad immer gehofft, dass du es verkaufst und von dem Erlös zur Schule gehst, aber du kannst damit machen, was du willst. Wayne hat da überhaupt nichts zu sagen.«

      »Da frag ihn


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