Die Amazonas-Detektive - Verschwörung im Dschungel. Antonia Michaelis

Die Amazonas-Detektive - Verschwörung im Dschungel - Antonia  Michaelis


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schläft er. Guck es dir an, das träge Wasser. Das sieht man doch.«

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      Sie sah sich um und Pablo folgte ihrem Blick. Eine sehr ordentlich gekleidete junge Dame war ein paar Meter weiter dabei, mit einem schmutzigen kleinen Jungen zu feilschen, der Topfschrubber verkaufte. »Die ist für den Moment abgelenkt«, sagte Ximena und grinste. »Sag mal, was ist das für ein Hund?«

      Pablo seufzte schon wieder. »Er ist verletzt. Seine Pfote. Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Er gehört dem Freund eines Freundes und der Freund hat ihn mir geschickt.«

      »Eine Menge Freunde«, sagte Ximena, kniete sich hin und nahm vorsichtig die Pfote des Hundes in ihre Hand. »Das ist ein Schnitt. Er hat sich an etwas Scharfem verletzt, einem Draht oder so etwas. Die Wunde muss desinfiziert und verbunden werden.« Sie sah zu Pablo auf. »Komm nachher vorbei, wenn es dunkel ist, und pfeif unter dem Badezimmerfenster. Ich versuche rauszukommen.«

      imageXimena wohnte in derselben Straße, in der Pablos marode Villa stand. Sie wohnte in einer richtigen Villa, einer mit Blumentöpfen vor dem Eingang und einem Zaun und einer blank polierten Messingklingel. Die Villa gehörte Ximenas Großvater, einem griesgrämigen alten Herrn, den man nur selten auf der Straße sah. Ximena wohnte bei ihm, da ihre Eltern nicht mehr lebten.

      Wenn sie bei Pablo vorbeikam, schenkte sie ihm jedes Mal ein paar Münzen.

      »Also. Warum hat dir der Freund des Freundes einen Hund geschickt?«, fragte Ximena.

      Aber jetzt kam die ordentlich gekleidete junge Dame auf sie zu.

      Pablo konnte nur noch »Später!« flüstern, ehe sie Ximena missbilligend ansah und mit sich wegzog.

      Die ordentliche Dame war die Haushälterin von Ximenas Großvater und ohne sie durfte Ximena nicht auf die Straße.

      »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du nicht mit diesem Jungen reden sollst«, hörte Pablo sie rufen und dann lotste sie Ximena über die Straße zur alten Markthalle hinüber. Ximena drehte sich einmal um und winkte, ehe sie im Gewühl der bunten Menschen verschwanden.

image ZWEITES KAPITEL,
in dem jemand bei Mondlicht verarztet wird, der Silberbaron gefährliche Zeitungen versteckt und ein Betrunkener die Kinder warnt

      imagePablo wartete, bis es ganz dunkel war.

      imageDer Hund neben ihm auf der Treppe der alten Villa war eingeschlafen. Pablo hatte von Ximenas Geld ein Sandwich gekauft und es mit ihm geteilt und nun lag er da wie ein großer, erschöpfter Fellhaufen. Pablo streichelte ihn eine Weile gedankenverloren und sah dem Mond zu, wie er über die Häuser von Manaus am Nachthimmel hinaufkroch. Die Blätter der Ranken, die die Villa umgaben, wippten im leisen Nachtwind. Grillen zirpten, Autos rauschten in der Ferne vorbei, irgendwo lief Musik. Pablo wippte mit dem Fuß im Takt: Samba, der Rhythmus der Stadt.

      image»Wenn ich erwachsen bin«, flüsterte er dem schlafenden Hund zu, »und ein richtiger Held, dann werde ich ein Mädchen haben und ich werde es in eine dieser Bars führen und mit ihm Samba tanzen. Ich werde eine schickere Mütze haben als jetzt, oder besser noch einen Hut, und eine Blume am Kragen und ich werde den Musikern eine Handvoll Münzen zuwerfen und mit meinem Mädchen über die Tanzfläche wirbeln – sie wird die Schönste von allen sein, natürlich …«

      Er seufzte. »Aber noch bin ich kein Held. Vielleicht werde ich einer, wenn ich Miguel finde und ihn zurückhole. Wo immer er ist.«

      Er rüttelte den Hund sacht. »Komm! Kümmern wir uns um deine Pfote! Der alte Herr schläft jetzt bestimmt. Ximena wartet auf uns!«

      Kurz darauf krochen sie durch eine ziemlich dichte Hecke und standen zwischen Rosenbüschen hinter einem hoch aufragenden Gebäude voller Verzierungen und Erkern: Das große Haus war ein Schmuckstück und aus altem, glänzend grauem, fast silbernem Stein. »Das Silberhaus«, flüsterte Pablo dem Hund zu. »So nennen es die Leute hier. Und den alten Herrn nennen sie den Silberbaron. Er hat silbernes Haar und einen schwarzen Spazierstock mit silberner Spitze und silbernem Griff. Aber jetzt schläft er …«

      Pablo schlich näher an das Haus heran, hob einen kleinen runden Kieselstein auf, einen von vielen Tausend runden Kieseln, die den Boden zwischen den Bäumchen bedeckten. Er warf ihn an eines der Fenster im zweiten Stock des Silberhauses, wo er mit einem kaum hörbaren »Pling« gegen die Scheibe schlug, und zehn Minuten später öffnete sich die Hintertür. Eine kleine Gestalt mit Nachthemd, bloßen Füßen und einer Taschenlampe trat hinaus, etwas außer Atem vom Treppenlaufen. Ihr braunes Haar fiel jetzt offen um ihr helles Gesicht, niemand zwang es mehr nach hinten zu einem Zopf.

      »Da seid ihr also«, sagte Ximena, schloss behutsam die Tür und setzte sich auf die Treppe, neben sich eine kleine, verbeulte Aluminiumkiste mit einem roten Kreuz darauf. Der Erste-Hilfe-Kasten.

      »Dann lass mal sehen«, sagte sie ruhig und leise und nahm die verletzte Vorderpfote des Hundes in die Hand, um sie eingehend im Licht ihrer Taschenlampe zu betrachten. Dann nahm sie eine Flasche Desinfektionsspray und eine weiße Binde aus der Kiste und der Hund zuckte leicht.

      »Keine Angst«, wisperte Pablo und streichelte ihn. »Sie kann das, glaub mir. Mich hat sie auch schon verarztet.«

      »O ja«, sagte Ximena und begann, mit einem Stück weißen Stoff die Wunde des Hundes zu säubern. »Als Pablo sich mal wieder geprügelt hatte mit den anderen Jungs auf der Straße, aber das sollte er lassen, hörst du, Hund? Ich werde zwar später Ärztin, aber er muss sich wirklich nicht extra grün und blau schlagen lassen, nur damit ich ihn verbinde!«

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      »Ich habe mich nicht extra …«, knurrte Pablo, doch in diesem Moment ging drinnen im Silberhaus das Licht an und sie zuckten alle drei zusammen.

      »Das ist mein Großvater«, wisperte Ximena, kaum hörbar. »Er schläft doch nicht! Er ist in der Bibliothek. Das ist gleich das Fenster da drüben. Schaut, da brennt eine Leselampe!« Sie zuckte mit den Schultern. »Immer wenn er nicht schlafen kann, geht er nachts in die alte Bibliothek und liest, bis er einschläft, und dann findet Marina ihn, mit dem Kopf auf seinem Buch, und macht ›tz, tz, tz‹.«

      Pablo lachte. »Du hörst dich genauso an wie sie, wirklich.«

      Ximena nickte und wickelte den Verband um die Pfote des Hundes. »Ich muss es mir ja auch jeden Tag anhören. Schnalz hier, Schnalz da … ›Also dieses Kiiind, Senhor, was tue ich nur mit diesem Kiiind, ständig träumt es nur … Iss dein Essen auf, Ximena. Lies abends nicht mehr so lange, Ximena, diese wilden Abenteuergeschichten sind sowieso nichts für junge Damen, geh nicht alleine hinaus, Ximena! Wasch dir die Hände, was hast du da draußen schon wieder angefasst?‹« Sie steckte den Verband mit einer kleinen Metallklammer fest und nickte zufrieden. »So, fertig. Du bist so gut wie neu.«

      Der Hund legte seinen großen Kopf auf Ximenas Knie und Ximena kraulte ihn und sah Pablo an.

      »Also? Was ist mit deinem Freund? Er ist … verschwunden?«

      »Ungefähr«, sagte Pablo.

      imageUnd dann holte er den Zettel aus der bunten Umhängetasche und gab ihn Ximena. Sie überflog ihn, für sie war Lesen kein Problem, sie hatte Privatunterricht im silbernen Haus


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