Neue Technologien in der Pflege. Группа авторов

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der auch hier vielfältige Fragen aufwirft: Wie lässt sich etwa das Urheberrecht auf neue Mediendienste übertragen? Wie verändern digitale Dienste unsere Privatsphäre? Inwiefern bedrohen soziale Netzwerke, sog. Fake-News, die demokratische Meinungsbildung? Brauchen wir ethische Leitplanken für Algorithmen und wenn ja, wie lassen sich diese gestalten?

      4.3 Technik hat Potenzial – und Grenzen

      Wir alle kennen die vieldiskutierten Herausforderungen der Zukunft. Dazu gehört allen voran die demografische Veränderung, die dazu führt, dass der Anteil älterer Menschen stetig zu-, der Anteil Jüngerer abnimmt. Daneben zeigen sich epidemiologische Veränderungen, d. h. gesundheitliche Zustände in der Bevölkerung verändern sich. Zum Beispiel kommt es zu einer erhöhten Multimorbidität, chronische Erkrankungen und dementielle Erkrankungen nehmen in der älteren Generation zu. Und auch bei den Jüngeren zeigen sich Veränderungen. Chronische Erkrankungen greifen vermehrt um sich, wie z. B. Diabetes mellitus. Andererseits können Erkrankungen, die noch vor einigen Jahrzehnten zum frühzeitigen Tod führten, heute bis ins hohe Erwachsenenalter überlebt werden, z. B. Cystische Fibrose. Dazu kommen soziale Veränderungen, die unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben massiv beeinflussen. Beispielsweise zeigen sich veränderte Strukturen im Zusammenleben. Dyadische Konstellationen (1 Kind – 1 Elternteil), sog. Patchwork-Familien und Einzelhaushalte nehmen zu. Beruflich verändert sich unsere Mobilität. Wir werden insgesamt mobiler und pendeln mitunter täglich von Stadt zu Stadt. »Steigende Frauenerwerbstätigkeit«, der »mündige Patient« oder »zunehmende Ökonomisierung« sind weitere beispielhafte Schlagworte. Hinzu kommt das negative Image sorgender Berufe in Deutschland und der auch und nicht nur damit zusammenhängende Fachkräftemangel. Und auch neuartige Veränderungen, wie COVID-19 sind an dieser Stelle zu nennen. Viele dieser Veränderungen haben Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung der Bevölkerung im Allgemeinen und auf sorgende Tätigkeiten im Besonderen. Die damit verbundenen Herausforderungen gilt es zu bedenken und gesellschaftlich zu lösen. Neue Technologien und ihr Beitrag zur Problemlösung werden in diesem Zusammenhang als Hoffnung und Erwartung gleichermaßen gesehen. Viele politische Initiativen sind auf Digitalisierung in diesem Zusammenhang ausgerichtet. Gleichzeitig hat Deutschland in Bezug auf die lückenhafte Breitbandversorgung noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Insgesamt sind in den letzten Jahren gleichwohl Millionen in die Forschungsförderung geflossen. Daraus resultierten die unterschiedlichsten technischen Systeme, die heute teilweise als Produkte erwerbbar sind. Gleichzeitig haben eher wenige technische Produkte Eingang in die reguläre Versorgung gefunden. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Sicher ist, dass technische Produkte ein Treiber für Veränderungen in Pflege und Versorgung sind. Zu den besonderen Herausforderungen der Technikentwicklung im Gesundheitswesen siehe Kunze (image Teil I, Kap. 4).

      Insgesamt kämpft das Gesundheits- und Pflegesystem in Deutschland mit vielen Herausforderungen. Gute Pflege ist gefährdet. Technik hat Potenzial. Gleichwohl ist nicht jedes technische System wirksam und sinnvoll für und in der Pflege. Es gilt, »die guten ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen« zu sortieren. Nicht jede digitale Innovation hat auch beim Hilfe- oder Pflegebedürftigen anzukommen. Schließlich kann am Ende des Tages die Erkenntnis auch lauten, dass das technische System eben nicht das richtige ist, entgegen vorheriger Annahmen und Hypothesen. Insgesamt sollten die Vorstellungen »guter« Pflege und Versorgung verstärkt in die Diskussion aufgenommen werden. Welche Vorstellungen haben wir von »guter« Pflege und Versorgung in Deutschland? Welche politischen Rahmenbedingungen unterstützen die Umsetzung dieser Vorstellung? Und, welcher Technik bedarf es, um diese »gute« Pflege und Versorgung unter bekannten Herausforderungen zukünftig leisten zu können?

      4.4 Pflegerisches Handeln

      Technik soll dazu beizutragen, dass »gute« Pflege geleistet werden kann und dies einem »guten« Leben zuträglich ist, Technik damit lebensdienlich ist. Welche Teile von Pflege können technische Systeme nun also (gut) übernehmen? Grundsätzliche Überlegungen sind notwendig.

      Pflege ist eine personenbezogene Dienstleistung. Interaktionsarbeit ist Bestandteil jeder personenbezogenen Dienstleistung. In der Pflege wiederum ist die soziale Interaktion ein elementares »Arbeitsmittel«. Im pflegerischen Alltag ist dabei kontinuierlich mit Unwägbarkeiten und Grenzen der Planung umzugehen. Böhle et al. (2015) nennen das Resultat subjektivierendes Arbeitshandeln. Der Erfolg der Dienstleistung hängt maßgeblich von der Kooperation der Beteiligten untereinander ab, z. B. gehören dazu sowohl die pflegeabhängige Person als auch Zugehörige genauso wie Angehörige der Gesundheitsberufe und je nach Setting auch weitere, z. B. Verwaltungsmitarbeitende. Wechselseitiger Respekt ist dabei Voraussetzung, genauso wie die Arbeit an und mit Gefühlen (Böhle, Weihrich & Stöger 2015; Dunkel & Weihrich 2010; Hülsken-Giesler & Daxberger 2018). Als Pflegende gilt es bspw. eigene Emotionen mitunter situationsangemessen zu unterdrücken, z. B. Ekel oder Scham, oder auch diese zu explizieren und zu reflektieren. Ferner sind mitunter eigene Emotionen zu offenbaren, z. B. Freundlichkeit, Aufrichtigkeit, Sanftheit. Daneben gilt es, die Gefühle der Betroffenen zu erkennen und mit diesen umzugehen, wenn nötig auf sie einzuwirken, immer mit dem Ziel den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Pflege ist dabei nicht allein auf dieser Ebene anzusiedeln und ein rein empfindungsbezogenes pflegerisches Handeln findet eher selten statt. Vielmehr sind die durchgeführten pflegerischen Maßnahmen auf der instrumentell-aufgabenbezogenen Ebene anzusiedeln. Und diese instrumentell-aufgabenbezogenen Tätigkeiten werden immer von einer empfindungsbezogenen Ebene begleitet (vgl. Hülsken-Giesler & Daxberger 2018). Um den Versorgungsauftrag zu erfüllen, ist Kooperation nötig. Belange von Betroffenen, Zugehörigen, Beschäftigten und beteiligten Wirtschaftsunternehmen können schließlich miteinander im Konflikt stehen.

      Die instrumentell-aufgabenbezogenen pflegerischen Tätigkeiten lassen sich augenscheinlich operationalisieren. Die empfindungsbezogene Tätigkeit dagegen ist weder vertraglich zu regeln noch standardisierbar und zudem »endlos«. Denn letztlich kann immer noch mehr Zuwendung erwartet, verlangt oder gegeben werden. Grundsätzlich ist jede personenbezogene Dienstleistung Interaktionsarbeit. Dazu gehören folgerichtig auch die Tätigkeiten anderer Gesundheitsberufe wie z. B. die logopädischen oder ärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Durch die gelebte Nähe in allen Lebensbereichen des Alltags ist die pflegerische Arbeit jedoch in besonderer Ausprägung durch diese Eigenheiten der Interaktionsarbeit beansprucht. Der Kontext, so Böhle (2015) ist maßgeblich. Die folgende Abbildung (image Abb. I.4.1) zeigt die Merkmale pflegerischen Handelns als Interaktionsarbeit unter Zugrundelegung des Kontextes (hier: Pflegeberufegesetz und Pflegebedürftigkeitsbegriff) auf.

Images

      Bei der Gestaltung technischer Systeme und deren Implementierung in Versorgungsprozesse ist es daher wichtig, pflegerisches Handeln ganzheitlich zu betrachten und nicht etwa auf instrumentell-aufgabenbezogene Aspekte zu reduzieren – nur dann kann Technik zu »guter« Pflege beitragen.

      4.5 Technik nutzen und Techniknutzen

      Die Diskussion um Ziele und Wirksamkeit, Kosten-Nutzen, mögliche Auswirkungen und moralische Fragen kann nicht allgemein für alle Technologien der Welt gemeinsam geführt werden. Schließlich stellen sich bspw. im Zusammenhang mit emotionaler Robotik (vgl. Meißner; image Teil II, Kap. 2) völlig andere Fragen als im Zusammenhang mit digitalen Plattformen in der Pflege (vgl. Hegedüs et al.; image Teil II, Kap. 5). Gleichwohl betreffen die folgenden Aspekte den erfolgreichen Einsatz eines jeden technischen


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