Der letzte Schluck Corona. Nina Schindler
Nicht wahr, Perdita?
Jetzt hör endlich auf, mit dieser Frau zu charmieren, das geht mir echt gegen den Strich. Die hat doch überhaupt keine Ahnung von Bier oder Männern.
Was soll das nun wieder heißen, Elfie? Ich weiß schon …
Was weißt du, Henny? Meinst du, ich hätte keine Augen und Ohren …
Können wir zum Bier-Tasting zurückkommen, versucht Markus die Wogen zu glätten. Wir sind auch bald zu Ende.
Wird aber auch Zeit, Markus, zischt Elfie. Ihre Einwürfe lassen an Schärfe nichts zu wünschen übrig.
In der Tat gibt es Biere, die nach Krankenhaus und nach Pflastern riechen. Diese Aromen kommen von der Hefe und dem meist höheren Alkoholgehalt des Bieres. Dadurch entsteht ein an Phenol erinnernder Geruch.
Das will ich probieren, sagen Henny und Elfie, fast gleichzeitig. Ein Krankenhaus-Bier, her damit, trompetet Henny, und auch was für Zuckerkranke, setzt Elfie nach.
Nein, nein, soweit wollte ich dann doch nicht gehen, antwortet Markus, wir begnügen uns mit … halt, vorher noch etwas, was die Aromen angeht: Da gibt es Biere, die nach Seife schmecken, nach Tabak, nach Leberwurst, nach Salami, nach Teer, nach Heu, nach Obstkuchen …
Ich will Obstkuchen, ruft Elfie. Obstkuchen, Obstkuchen, bitte jetzt sofort. Sie ruft hysterisch nach dem Kuchen-Bier.
Henny hält seiner Frau schnell den Mund zu.
Lass es gut sein, Markus, sagt Perdita, du wirfst hier Perlen vor die …
Säue, sag es ruhig, Perdi. Wir sind alles Banausen, tumbe Trinker, ignorante Säufer …
Das hab ich nicht gemeint, Henny. Ich wollte nur Markus den Abend nicht verderben, er hat so lange an diesem Thema geforscht.
Gesoffen, meinst du, Perdi, hat sich einen reingetan und behauptet, er würde was erforschen oder für die Wissenschaft, was weiß ich … Nur, dass es jetzt gar nichts mehr zu trinken geben soll, finde ich … Kommt schon, erwidert Markus, keine Sorge. Er nimmt eine von den silbern eingepackten Flaschen und schenkt dem Herrn Professor ein volles Glas ein. Der leert es umgehend und fordert den Mittelbauern auf nochmals einzuschenken.
Willst du dir mal wieder die Kante geben?, fragt Elfie ihren Mann.
Das bestimme immer noch ich.
Aber so lasse ich dich nicht mehr ans Steuer.
Es gibt Taxen, jede Menge Taxen. Henny lallt vor sich hin.
Plötzlich geht das Licht aus, ein Vorhang wird zur Seite gezogen und an der Wand erscheint ein großes Bild. Überschrift: Der Bier-Aromen-Baum. Auf schwarzem Grund ist ein Stammbaum zu sehen. Aus dem Wasser, dem Körper des Bieres, führen Linien. Zum Hopfen, der Würze des Bieres – zum Malz, der Seele des Bieres – zur Hefe, dem Geist des Bieres. Daraus entstehen weitere Linien, die zu den einzelnen Noten führen: Grüner Apfel, Flieder, Klebstoff, Kohlgemüse, Schwefeldioxid …
Ein lautes Aufstöhnen. Henny kippt mit dem Stuhl nach hinten und schlägt mit dem Kopf auf dem Parkettboden auf.
Perdita ist als Erste bei ihm. Henny, bist du …
Markus schaltet das Licht wieder an. Hat er was abgekriegt? Er kippelte ja schon früher gerne auf den Hinterbeinen des Stuhles.
Keine Angst, mein Henny steht schon wieder auf. So leicht haut den nichts um, sagt Elfie und schiebt Perdita zur Seite.
Markus zieht den Vorhang wieder zurück und lässt so den Bier-Aroma-Baum verschwinden. Das Beste kommt zum Schluss, sagt er und schenkt eine weitere Runde ein. Henny würdigt er keines Blickes.
Wenn Biere töten könnten. War das nicht dein Spruch, Thomas? Auf der Rückfahrt von diesem denkwürdigen Geburtstagsfest. Aber da wussten wir ja noch nicht, was wirklich passiert war.
Die gerichtsmedizinische Untersuchung ergab, dass der Verstorbene einen Alkoholwert von 1,5 Promille aufwies und dass einem der Biere ein Alkaloid des Oleanders beigemischt wurde. Ob das aber eine ausreichende Erklärung für das plötzliche Ableben des Professors Henny Wassermann war, konnte abschließend nicht geklärt werden.
Marita und Jürgen Alberts, beide Jahrgang 1946, leben und schreiben in Bremen. Ihre Spezialität sind Krimi-Duette, die sie in vielen Anthologien veröffentlicht haben. Auf ein Mord (KBV-Verlag) und Es muss nicht immer Mord sein (Edition Falkenberg) – so lauten die Titel ihrer gesammelten Kurzgeschichten. Außerdem haben sie gemeinsam acht Reiseromane verfasst.
Jürgen Alberts hat fast 50 Romane verfasst, in den Genres Kriminalroman, historischer Roman, Familiensaga.
Mehr dazu unter www.juergen-alberts.de
Manfred Baumann
Das schlägt dem Fass die Krone aus
D
ragoner?« Er schüttelte sein wuchtiges Haupt. Hätte Gustav Schaum noch ein paar seiner dunkelgrauen Haare statt seit Jahren eine Glatze, wären die Strähnen wohl nach allen Seiten geschwirrt. »Was meinst du mit Dragoner?«
Die Frau verschloss die Tasche mit den Instrumenten.
»Corona!« Sie erhob sich aus der Hocke. Ihr Blick war spöttisch. »Ich sagte ›Corona‹.«
Jetzt kapierte der Polizist gar nichts mehr. ›Dragoner‹ hätte er noch halbwegs einordnen können. Das hatte irgendetwas mit alten Kavalleriesoldaten zu tun. Aber was hatte sie in ihrer hingenuschelten Bemerkung mit ›Corona‹ gemeint?
»Bezieht sich das auf unseren Toten?« Er wies mit der Hand auf die Leiche. »Ist das wieder so ein Fachausdruck, den ich dann in deinem Bericht finde und ohnehin nicht verstehe?«
Sie kniff ihm in die Wange. »Nein, mein Lieber. Ich sagte: Donna buona vale una corona.«
Ach Gott! Wieder so ein verrücktes italienisches Zeug! Seit Frau Dr. Tabea Himmler vor fünf Monaten zum zehnjährigen Jubiläum als Gerichtsmedizinerin einen Volkshochschulkurs geschenkt bekommen hatte, nervte sie ihre Umgebung ständig mit irgendwelchen hingedroschenen italienischen Brocken.
»Und was heißt das?«
Sie bückte sich nach der kleineren Tasche, hob auch diese hoch. »Corona bedeutet Krone, mein Lieber. Donna buona vale una corona ist eine in Italien beliebte Redewendung und heißt sinngemäß: Eine gute Frau ist eine Krone wert.« In seinem kahlen Schädel dämmerte es allmählich.
»Verstehe. Und mit dieser donna buona meinst du natürlich dich selbst.«
»Esatto, signor commissario! Ich bin nicht nur buona sondern sogar noch bravissima. Denn ich habe jetzt schon einen entscheidenden Hinweis für dich. Ich gehe davon aus, dass der Tod tatsächlich durch Aspiration eintrat.«
Zumindest diesen Begriff verstand er.
»Er ist also ertrunken.«
»Ja.« Sie wies mit der Hand zum großen goldfarbenen Bottich. »Aber bevor er in dieser Brühe ersoff, hat man ihm vermutlich eine über den Schädel geknallt. Die Schwellung ist längst zurückgegangen, kaum noch zu sehen. Aber man kann sie noch feststellen. Zumindest wenn man eine donna buona ist.« Sie wandte sich grinsend zum Gehen.
»Womit hat man ihm eine verpassst?«
»Genaueres erfährst du, wenn ich ihn auf dem Tisch habe.« Sie zwinkerte ihm zu und rauschte davon.
Gustav Schaum stöhnte. Corona? Krone? Er befand sich in einer Brauerei und er hatte hier eine Leiche liegen. Da hätte er selbst wohl zu einer anderen Redewendung gegriffen. Das schlägt dem Fass die Krone aus! Oder so ähnlich. Oder heißt es Boden? Egal! Er blickte zum großen Metallbottich. Kann man dieses Ungetüm überhaupt als Fass bezeichnen? Wozu dient dieser eigenartige Kessel? Zur Gärung? Zur Lagerung? Er hatte keine Ahnung von den geheimnisvollen Vorgängen in einer Brauerei. Was ihn am Brauvorgang