Der letzte Schluck Corona. Nina Schindler

Der letzte Schluck Corona - Nina Schindler


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strahlte ihn an. »Sie haben mich gewiss falsch verstanden, Herr Kommissar. Das würde ich behaupten, wenn ich ein Lästermaul wäre. Aber selbstverständlich bin ich das nicht.« Sie zwinkerte ihm zu. Die Frau gefiel ihm. Er quittierte das Zwinkern mit einem Lachen. Es hörte sich an, als rolle ein alter Felsbrocken in einem leeren Bierfass. Er schob sich vom Stuhl hoch, bedankte sich.

      Nein, Frau Drexel sei heute nicht im Büro erschienen, erfuhr er wenig später. Nein, von Auswärtsterminen sei nichts bekannt. Er bat die verantwortliche Sekretärin, die Marketingchefin zu erreichen und ihm dann Bescheid zu geben. Dann machte er sich auf den Weg zum Sudhaus, um mit einigen Technikern zu reden. Aber auch da erfuhr er nichts Wesentliches. Und dass es der Gruppe aus vier Herren und zwei Damen eben gelungen war, einen wesentlichen Fortschritt in der Energierückgewinnung für das Würzekochen zu erzielen, interessierte ihn wahrlich einen feuchten Dreck. Auf dem Rückweg bemerkte er, dass Adalbert Schromm immer noch neben dem Eingang zur Halle 4 wartete. Sie rühren sich nicht von der Stelle. Das hatte Schaum natürlich nicht wortwörtlich gemeint. Vielleicht hätte er den Alten nicht so anschnauzen sollen. Er steuerte auf den Hausmeister zu.

      »Hallo, Herr Kommissar. Wie ich sehe, waren Sie eben bei unseren Technikern im Sudhaus.« Schaum versuchte eine halbwegs freundliche Miene aufzusetzen.

      »Ja, und jetzt weiß ich alles über das Würzekochen.«

      »Und zum Hergang des schrecklichen Unglücks? Wissen Sie dazu auch etwas?«

      »Leider noch nichts Genaues. Dafür weiß ich aus dem Gespräch mit den Technikern, was sich in dem Behälter befindet, in dem Sie die Leichen fanden. Sweet Foam. Eine neue Marke. Bier mit Lakritzegeschmack.«

      Die Augen des alten Hausmeisters weiteten sich ein wenig. »Ja, das wird dann wohl stimmen.«

      »Also mein Geschmack wäre das nicht«, knurrte Schaum. »Lakritze! Pfui Teufel! Aber wie man mir sagte, habt ihr hier auch Bier, das nach Pfeffer schmeckt. Das hat sich alles Herr Wuggler ausgedacht, wie ich erfuhr. Auch Biere, die nach Erdbeere schmecken, nach Schokolade, Vanille, sogar nach Leberwurst! Bähhh. Ich mag nur Bier, das nach Bier schmeckt. Hefe, Malz, Wasser, Hopfen.« Er wies mit dem Arm in die Runde. »So wie es diese alte Klosterbrauerei über Jahrhunderte geschaffen hat.« In den Augen des Hausmeisters begann es zu leuchten. »Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Vielleicht besuchen Sie mich einmal, Herr Kommissar. Ich habe noch ein Fass altes Klosterbräu Kronenbronn im Keller.«

      »Gerne.« Er klopfte dem alten Mann auf die Schulter. »Sobald ich den Fall abgeschlossen habe. Und jetzt, Herr Schromm, können Sie wieder Ihrer Arbeit nachgehen und sich gern überall frei bewegen.« Dann trottete Gustav Schaum davon. Der Hausmeister blickte ihm lang nach.

      »Herr Kommissar!« Es war der Ruf des Assistenten, der Schaum stoppte.

      Der junge Mann eilte auf ihn zu. Ein Leuchten im Gesicht. Ist das jetzt der Durchbruch?, schoss es Schaum durch den Kopf. Lieferte sein grinsender Mitarbeiter mit dem grässlichen Vornamen jetzt den entscheidenden Hinweis? Phileas Flick bremste vor ihm ab. »Herr Kommissar. Ich habe einen Zeugen. Der sagt aus, er habe gestern erst gegen 23:00 Uhr das Büro verlassen. Dabei bemerkte er eine Frauengestalt, die auf das Gebäude zuging, in dem später der Tote lag.«

      »Hat er die Frau erkannt?«

      »Er ist sich nicht sicher. Es könnte vielleicht die Marketingchefin gewesen sein. Ihr Name ist …« Er zückte das Tablet. »Einen Moment …«

      »Polina Drexel«, knurrte Schaum. Der Assistent blickte erstaunt auf seinen Chef.

      »Kommen Sie Flick, hopp, hopp!«

      Dann ging alles sehr schnell. Nein, sie habe Frau Drexel leider noch nicht erreicht, zirpte die Sekretärin. Die Polizisten ließen sich die Adresse geben. Zwanzig Minuten später erreichten sie die Villa. Sie stürmten eben die Steinstufen zum Eingang hinauf, als ein Auto durch die Einfahrt schoss. In dem schwarzen Porsche saß eine blonde Frau. Als sie die beiden Beamten mit dem Polizeiauto bemerkte, bremste sie abrupt.

      Schon machte sie im Sportwagen kehrt. »Los, Flick, hinterher!«

      Der Porsche erhöhte das Tempo. Doch sie ließen sich nicht abschütteln. Im kleinen Waldstück schlossen sie sogar ein wenig auf. Den entgegenkommenden LKW bemerkte die Fahrerin offenbar zu spät. Sie verriss den Wagen, streifte einen Baumstamm. Der Porsche überschlug sich. Dann verschwand er. Die Polizisten bremsten abrupt ab. Gleich hinter dem Baum erstreckte sich eine kleine Schlucht. Der Kommissar alarmierte sofort die Rettungskräfte. Diesw trafen bereits nach zwölf Minuten ein. Aber es war zu spät. Die Feuerwehrleute konnten nur mehr die tote Polina Drexel aus dem Wrack bergen.

      Drei Stunden später war so ziemlich alles klar.

      »Ja«, bestätigte ihm die Gerichtsmedizinerin. »Die Fingerabdrücke der Toten stimmen überein mit jenen auf dem kurzen silberfarbenen Rohr.« Sie hielt es in die Höhe. »Das gehört zu all dem Zeug, das die Spurensicherung vom Tatort mitnahm.«

      Es passte also alles. Sie hatten in den letzten Stunden nochmals Leute aus dem Betrieb befragt. Ja, Herr Wuggler pflegte seine erotischen Stelldicheins gerne in der kleinen Kesselhalle abzuhalten. »Vielleicht gluckst es auch beim Sex besser, wenn gleichzeitig daneben das Bier gluckst«, hatte Frau Bibler bemerkt. Und von der Sekretärin erfuhren sie, dass es zwischen André Wuggler und Polina Drexler schon länger gekriselt hatte.

      »Ich habe es dir ja gleich gesagt.« Der triumphierende Tonfall in der Stimme von Tabea Himmler war nicht zu überhören. »Wuggler ist zwar in der Bierbrühe ertrunken. Aber vorher bekam er eins übergezogen. Danach hat sie ihn wohl in den Kessel geworfen.«

      »Ja ich weiß: Donna buona …«

       »… vale una corona!« Jetzt kreischte sie sogar.

      »Ja, ich hab’s kapiert!« Er blies hörbar die Luft aus.

      »Schön langsam entwickelt sich das bei dir zu einem Anfall und ich bekomme die Krise! Was hältst du von einem guten Bier als Belohnung? In meiner Stammkneipe. Jetzt gleich.«

      Sie lachte. »Angenommen. Cervisia statt Corona. Auch nicht schlecht.«

      »In jedem Fall mit viel Schaum.«

      Die Uhr am nahe gelegenen Kirchturm schlug an. Zwei mal. Die Brauerei lag im Dunkeln. Alles ruhig. Er ging langsam über den Hof. Er hatte ein kleines Zimmer hier am Gelände, in einem der älteren Gebäude. Der alte Brauereidirektor hatte ihm das zugestanden. Ein feiner Kerl. Manchmal übernachtete er hier. So wie gestern. Da war er auch spät nachts noch durch das Gelände gestreift. Die Brauerei war sein Leben. Er fühlte sich immer noch verantwortlich. Und dabei hatte er sie bemerkt, die Marketingchefin. Eher zufällig. Es tat dem alten Hausmeister leid, was Polina Drexel zugestoßen war. Sie war zwar eine widerliche Person gewesen, hochnäsig, bissig, eine ekelhafte Zicke. Aber so einen schrecklichen Tod hatte sie auch nicht verdient.

      Der Kommissar selber hatte es ihm berichtet. Wahrscheinlich hat Frau Drexel irgendwie erfahren, dass ihr Liebhaber tot war, mutmaßte er. Und da hatte die Frau wohl angenommen, sie trage Schuld daran. Immerhin hatte sie mit dem Rohr zugeschlagen. Vermutlich war sie deswegen in Panik geraten, als die Polizeibeamten bei ihr zu Hause auftauchten. Ihn fröstelte. Der Nachtwind frischte auf. So wie gestern näherte er sich langsam dem Gebäude. Sie hatten gestritten. Das hörte er schon aus der Ferne. Heftiges Gebrüll. Darauf ein schriller Aufschrei. Im nächsten Moment war sie durch die halb offene Tür nach draußen gestürmt. Ihn hatte sie gar nicht wahrgenommen. Sie hätte Adalbert Schromm wohl auch nicht bemerkt, wenn er direkt vor ihr gestanden wäre. Ein schlichter Hausmeister war für sie nicht einmal Luft. Ein Nichts. Lästiges Überbleibsel aus vergangener Zeit. Das übersah man einfach. Er griff nach der Tür, zog sie auf, blickte hinein. Ein kleines gelbes Schild mit der Ziffer 2 entdeckte er auf dem Boden. Das hatte die Polizei wohl vergessen. Er versuchte, sich die Szene von gestern Nacht nochmals vorzustellen. Als passiere sie eben jetzt. Wuggler kniet auf dem Boden, presst sich stöhnend die Hand an den Kopf. Er starrt zur Tür, bemerkt ihn. »Glotzen Sie nicht so blöd! Was treiben Sie überhaupt hier, mitten in der Nacht?« Ausspucken. Gelblicher Schleim. »Wenn Sie schon da sind, machen Sie sich gefälligst nützlich. Ich muss den Bottich wieder


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