Ein unerwartetes Geständnis. Christa Wagner

Ein unerwartetes Geständnis - Christa Wagner


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wollte, war es eine Riesenhilfe, einen Dolmetscher zu haben. Und einen so sympathischen dazu.

      In der von gedimmten Lampen und einigen Tischkerzen mäßig beschienenen Weinstube strahlte das Weiße seiner Augen, und wenn er redete und lächelte, hellten seine blendend weißen Zähne das dunkle Gesicht auf, als würde eine Kerze von innen seinen Kopf erleuchten.

      Jedes Mal, wenn ich etwas brachte, bedankte er sich in seinem lustigen Akzent, und ich konnte vor lauter Faszination kaum die Augen abwenden. Damals hatten wir noch nicht viele dunkelhäutige Leute gesehen.

      An der Theke raunte Fritz mir zu: »Pass auf, der Schwarze hat ein Auge auf dich geworfen!«

      »Du spinnst wohl!« Ich spuckte die Worte nur so aus, würdigte ihn keines Blickes und eilte mit meinem Tablett davon.

      Der Abend verging wie im Flug. Als die Amerikaner zahlen wollten, verlangten sie nur eine einzige Rechnung. Wie bequem für mich. Jeder legte seinen Teil auf den Tisch. Simon kontrollierte und zahlte. Er ließ ein hohes Trinkgeld liegen. »Für die sehr nette und aufmerksame Bedienung. Danke, Fräulein!«

      Mir wurde warm. »Danke auch!«, hauchte ich.

      Er stand auf, schlank und hochgewachsen, mehr als einen halben Kopf größer als ich, und streckte mir seine Hand entgegen. Mir ist noch heute vor Augen, wie seine große dunkle meine kleine bleiche Hand fast völlig umschloss. Der Händedruck war fest und warm.

      Ganz sicher konnten diese Finger zärtlich sein. Ein Gedankenblitz, ungewollt, unangemessen. Sofort zog ich meine Hand zurück, drehte Simon den Rücken zu und stellte die leeren Gläser aufs Tablett.

      Die Amerikaner gingen zur Garderobe, zogen ihre Jacken an und verließen die Weinstube.

      Simon machte kurz vor der Tür abrupt kehrt und kam noch einmal zu dem Tisch, an dem ich gerade mit den Gläsern hantierte. Er zeigte mir sein blendendes Lächeln und fragte mit weicher Stimme: »Würden Sie mir verraten, wie Sie heißen, mein Fräulein?«

      Mir schlug vor Freude das Herz schneller, ich musste es ihm einfach sagen.

      »Bärbel«, wiederholte er, und es hörte sich an wie »Barbel«. Ich verbesserte ihn. Wir lachten. Was für ein Mann!

      »Bis bald, Fräulein Bärbel!«

      Ich konnte gar nicht anders, als vor mich hin zu lächeln, als ich zur Theke zurückeilte.

      Fritz polierte gerade Gläser. »Oh, oh, oh. Das war ja ein heißer Flirt, Kleine! Und das mit einem Neger!« Er neigte sich zu mir herüber und senkte seine Stimme: »Dabei hast du doch Besseres verdient!« Dann lachte er heiser.

      Aber selbst Fritz’ Anzüglichkeiten konnten mir meine Freude an diesem Abend nicht trüben.

      Auf dem Nachhauseweg flüsterte ich seinen Namen vor mich hin. »Saimen!« Wie melodisch und verheißungsvoll das klang!

      »Saimen.«

      Damals war mein Englisch so dürftig, dass ich keine Verbindung zum deutschen Vornamen »Simon« erkannte.

      Beim Einschlafen sah ich noch einmal Simons Augen blitzen und sein Lächeln aufleuchten, lauschte seiner weichen Stimme nach und spürte wieder mit heißem Prickeln, wie seine Hand die meine umschloss. Schwarz und weiß. Was für ein erregendes Duo! Meine Fantasie ging mit mir durch. Simon kam voller Sehnsucht auf mich zu und schloss mich zärtlich in die Arme wie ein Märchenprinz seine Prinzessin.

      Bärbels Stimme war beim Erzählen immer leiser geworden. Jetzt schloss sie die Augen und lächelte selig vor sich hin.

      Simone musste grinsen. »Jetzt fehlt nur noch das weiße Pferd, auf dem dein schwarzer Märchenprinz dahergeritten kommt, seine Prinzessin Bärbel zu sich auf den Sattel zieht und mit ihr heim in sein Königreich galoppiert.«

      »Du machst dich über die Schwärmereien einer alten Frau lustig.« Sie lächelte Simone nachsichtig an. »Kann ich verstehen. Jetzt bin ich müde, werde etwas schlafen. Am Nachmittag kann ich dir dann weitererzählen.«

      Nach dem langen Sitzen am Bett ihrer Mutter kribbelte es in Simones Beinen. Ihr Bewegungsdrang verlangte nach einem flotten Spaziergang. Glücklicherweise hatte sie Anorak und Gummistiefel dabei. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, sogar die Sonne blitzte ab und zu zwischen den Wolken hervor und ließ für Minuten die nasse Welt glitzern. Wie schön! Simone atmete begierig die frische, klare Luft ein.

      Schnell ließ sie das Dorf hinter sich. Sie dachte noch einmal über das nach, was ihr Bärbel mitgeteilt hatte. Seltsam. Ihre Mutter hatte bisher kaum über ihre Zeit in Würzburg gesprochen. Sie hatte bei seltenen Nachfragen immer so getan, als wären die paar Monate dort nicht so wichtig, nicht wert gewesen, groß darüber zu reden.

      Und jetzt, kurz vor ihrem Tod, schilderte sie ihre Jungmädchenerlebnisse in Würzburg in einer epischen Breite, die ihnen ein ungewöhnliches Gewicht gaben. Nach Jahrzehnten in der Eintönigkeit des Dorflebens mussten ihr die aufregenden Monate in der Stadt, die Kino- und Theaterbesuche, die harmlosen Nachstellungen von Fritz, der Umgang mit den Gästen und sogar mal ein kleiner Flirt mit einem Farbigen wie tolle Ereignisse vorgekommen sein, die es einfach wert waren, ihrer Tochter noch einmal zu schildern.

      Ist in Ordnung, Mama, dachte Simone. Ich kann mir alles gut vorstellen und langweile mich nicht. Gott weiß, ob ich noch einmal die Gelegenheit erhalte, so viel von dir zu hören.

      Da war sie wieder, die bittere Realität. Simone musste schlucken. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Dann riss sie sich von der bleiernen Lähmung des trüben Gedankens los und trat absichtlich in die Pfützen, wie sie es als Kind mit großem Vergnügen getan hatte.

      Das Wasser spritzte hoch.

      Noch einmal wild gestampft. Was für eine Befreiung!

      Etwas verschwitzt, aber mit leichterem Kopf kehrte sie in ihr Elternhaus zurück.

      Nach ihrem Mittagsschlaf sah Bärbel erholter aus, sogar ihre Wangen hatten etwas Farbe angenommen.

      Sie war begierig danach weiterzuerzählen.

       7

      Eines Abends, es war schon etwas später, und die Weinstube bereits halb leer, betrat Simon das Lokal. Ich stand gerade an der Theke und bemerkte ihn sofort. Er war allein und in Zivil, schaute sich suchend um.

      Wie groß er war! Was für breite Schultern er hatte!

      Mein Herz klopfte schneller.

      Als er mich erkannte, erhellte sein blendend weißes Lächeln das dunkle Gesicht.

      Ich deutete auf einen leeren kleinen Tisch, der zu meinem Bereich gehörte, und Simon nahm Platz. Er drehte die Getränkekarte in seiner Hand hin und her. »Guten Abend, Fräulein Bärbel, ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen.«

      »Guten Abend, Simon. Ich freue mich auch.«

      Mein Gesicht wurde heiß, auch das noch, es verfärbte sich dann rot, das wusste ich aus Erfahrung, und verriet meine Aufregung.

      Er bestellte den gleichen Schoppen Wein wie beim letzten Mal.

      Fritz hatte von der Theke die Szene bereits beobachtet und raunte mir zu: »Dein Verehrer ist wieder da. Diesmal allein. Das wird gefährlich. Oh, oh, oh Bärbelchen!« Er grinste und verdrehte die Augen.

      Als ich Simon den Schoppen mit dem üblichen »Wohl bekomm’s!« servierte, fragte er mich, wann mein Dienst zu Ende sei. Er wolle auf mich warten.

      Mein Herzschlag setzte aus. Es ist genauso, wie ich es mir in meinen Tagträumen gewünscht habe, schoss es mir durch den Kopf, war aber völlig unmöglich. Er konnte niemals hier auf mich warten. Fritz würde sich das Maul über mich zerreißen, auch Frau Hartmann wäre das sicher nicht recht.

      Unauffällig raunte ich ihm zu: »Bin zwar schon in etwa einer Stunde fertig, aber hier können


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