Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

Die Eroberung von Plassans - Emile Zola


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uns getroffen haben . . . Der Große, der Junge, der, der zwischen den beiden Fräulein Rastoil geht, ist Abbé Surin, der Sekretär unseres Bischofs. Ein sehr liebenswürdiger Bursche, wie es heißt. Im Sommer sehe ich ihn mit diesen Fräulein Federball spielen . . . Der Alte, den Sie ein bißchen dahinter erblicken, ist einer unserer Generalvikare, Herr Abbé Fenil. Er leitet das Seminar. Ein schrecklicher Mann, flach und spitz wie ein Säbel. Ich bedauere, daß er sich nicht umdreht; Sie würden seine Augen sehen . . . Es überrascht mich, daß Sie diese Herren nicht kennen.“

      „Ich gehe wenig aus“, antwortete der Abbé, „ich verkehre mit niemanden in der Stadt.“

      „Und das ist nicht recht von Ihnen! Sie müssen sich oft langweilen . . . Oh! Herr Abbé, man muß Ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen: Sie sind nicht neugierig. Wie! Seit einem Monat sind Sie hier, und Sie wissen nicht einmal, daß Herr Rastoil jeden Dienstag ein Essen gibt! Aber das springt einem an diesem Fenster doch in die Augen!“ Mouret lachte leicht auf. Er machte sich über den Abbé lustig. Dann fuhr er in vertraulichem Ton fort: „Sehen Sie den großen alten Herrn, der Madame Rastoil begleitet? Ja, den Mageren, den Mann mit dem breitkrempigen Hut. Das ist Herr de Bourdeu, der frühere Präfekt des Departements Drôme, ein Präfekt, den die Revolution von 1848 aus dem Sattel gehoben hat. Noch einer, den Sie nicht kennen, wette ich . . . Und Herr Maffre, der Friedensrichter? Dieser ganz weiße Herr mit den großen vorstehenden Augen, der mit Herrn Rastoil als letzter kommt. Zum Teufel! Bei dem da gibt es für Sie keine Entschuldigung. Er ist Ehrendomherr von Saint-Saturnin . . . Unter uns, man beschuldigt ihn, seine Frau mit seiner Härte und seinem Geiz ins Grab gebracht zu haben.“ Er hielt inne, sah dem Abbé ins Gesicht und sagte mit spöttischer Barschheit zu ihm: „Ich bitte Sie um Entschuldigung, Herr Abbé, aber ich bin nicht fromm.“

      Der Abbé machte abermals eine unbestimmte Handbewegung, die alles beantwortete und ihn enthob, sich deutlicher zu erklären.

      „Nein, ich bin nicht fromm“, wiederholte Mouret spöttisch. „Man muß jedermann gewähren lassen, nicht wahr? — Bei den Rastoils beachtet man die Kirchengebote. Sie müssen die Mutter und ihre Töchter in Saint-Saturnin gesehen haben. Sie sind Ihre Pfarrkinder . . . Diese armen Fräulein! Die Ältere, Angéline, ist gut sechsundzwanzig Jahre alt; die andere, Aurélie, wird vierundzwanzig. Und dabei nicht schön, ganz gelb, mit mürrischem Aussehen. Das schlimmste ist, daß man die Ältere zuerst verheiraten muß. Sie werden schließlich jemanden finden, wegen der Mitgift . . . Was die Mutter anbelangt, diese kleine üppige Frau, die anmutig wie ein Hammel einherschreitet, so hat sie dem armen Rastoil tüchtig zu schaffen gemacht.“ Er zwinkerte mit dem linken Auge, ein Tick, der ihm zur Gewohnheit geworden war, wenn er einen etwas gewagten Scherz zum besten gab.

      Der Abbé hatte die Augen niedergeschlagen und wartete auf die Fortsetzung; als der andere dann schwieg, öffnete er sie wieder und sah zu, wie sich die Gesellschaft nebenan unter den Bäumen rings um den runden Tisch niederließ.

      Mouret nahm seine Erklärungen wieder auf:

      „Sie werden dort bis zum Abendessen bleiben, um die kühle Luft zu genießen. Es ist jeden Dienstag dasselbe . . . Dieser Abbé Surin hat viel Erfolg. Da, er lacht schallend mit Mademoiselle Aurélie . . . Ah! Der Generalvikar hat uns bemerkt. He? Was für Augen! Er liebt mich nicht gerade, weil ich mit einem seiner Verwandten Streit gehabt habe . . . Aber wo ist denn Abbé Bourrette? Wir haben ihn nicht gesehen, nicht wahr? Das ist sehr seltsam. Er fehlt an keinem Dienstag bei Herrn Rastoil. Er muß sich nicht wohl fühlen . . . Sie kennen ihn. Und was für ein ehrenwerter Mann! Das Roß des lieben Gottes.“

      Aber Abbé Faujas hörte nicht mehr zu. Seine Blicke kreuzten sich fortwährend mit denen des Abbé Fenils. Er wandte den Kopf nicht ab, er hielt der Prüfung des Generalvikars mit vollendeter Kälte stand. Er hatte sich fester auf die Fensterbrüstung gestützt, und seine Augen schienen größer geworden zu sein.

      „Da ist die Jugend“, fuhr Mouret fort, als er drei junge Leute ankommen sah. „Der Älteste ist Rastoils Sohn; er ist gerade als Rechtsanwalt zugelassen worden. Die zwei anderen sind die Kinder des Friedensrichters, die noch auf das Gymnasium gehen . . . Nanu, warum sind denn meine zwei Schlingel noch nicht nach Hause gekommen?“

      Gerade in diesem Augenblick erschienen Octave und Serge auf der Terrasse. Sie lehnten sich an das Geländer und neckten Désirée, die sich eben zu ihrer Mutter gesetzt hatte. Als die Kinder ihren Vater im zweiten Stock sahen, senkten sie die Stimme und scherzten mit unterdrücktem Gelächter.

      „Meine ganze kleine Familie“, murmelte Mouret selbstgefällig. „Wir, wir bleiben bei uns; wir empfangen keine Gäste. Unser Garten ist ein verschlossenes Paradies, wo es der Teufel gerne bleiben läßt, uns in Versuchung zu führen.“ Er lachte, während er dies sagte, weil er sich im Grunde weiterhin auf Kosten des Abbé lustig machte.

      Dieser hatte den Blick langsam auf die Gruppe zurückgelenkt, die die Familie seines Hauswirtes genau unter dem Fenster bildete. Er verweilte dabei einen Augenblick, betrachtete den alten Garten mit den von hohem Buchsbaum umgebenen viereckigen Gemüsebeeten; dann besah er noch Herrn Rastoils anspruchsvolle Gartenwege und ging, als wolle er einen Plan der Örtlichkeiten aufnehmen, zum Garten der Unterpräfektur über. Dort gab es nur eine große Rasenfläche in der Mitte, einen weichgewellten Grasteppich; immergrüne Sträucher bildeten dichte Büsche; hohe, dichtbelaubte Kastanienbäume verwandelten dieses zwischen den benachbarten Häusern eingepferchte Stückchen Erde in einen Park.

      Abbé Faujas schaute indessen nachdrücklich unter die Kastanienbäume. Er entschloß sich zu murmeln:

      „Das ist sehr hübsch, diese Gärten . . . Auch in dem zur Linken sind viele Leute.“

      Mouret blickte auf.

      „Wie jeden Nachmittag“, sagte er gelassen. „Das sind die engsten Freunde von Herrn Péqueur des Saulaies, von unserem Unterpräfekten . . . Im Sommer kommen auch sie abends zusammen rings um das Wasserbecken, das Sie da links nicht sehen können . . . Ah! Herr de Condamin ist zurück. Dieser schöne Greis mit dem guterhaltenen Äußeren und der kräftigen Gesichtsfarbe; das ist unser Oberforstmeister, ein fideler Kerl, den man stets zu Pferde trifft, mit Handschuhen und enganliegenden Hosen. Und dabei ein Lügner! Er ist nicht aus der Gegend; vor kurzem hat er eine ganz junge Frau geheiratet . . . Kurzum, das ist glücklicherweise nicht meine Sache.“ Er senkte wieder den Kopf, als er hörte, wie Désirée, die mit Serge spielte, ihr Kleinmädchenlachen lachte.

      Aber der Abbé, dessen Gesicht ein wenig Farbe bekam, brachte ihn mit einem Wort zurück:

      „Ist das der Unterpräfekt?“ fragte er. „Der dicke Herr mit der weißen Krawatte?“

      Diese Frage belustigte Mouret außerordentlich.

      „O nein!“ antwortete er lachend. „Man sieht wohl, daß Sie Herrn Péqueur des Saulaies nicht kennen. Er ist keine vierzig Jahre alt. Er ist groß, ein hübscher Bursche, sehr vornehm . . . Dieser dicke Herr ist Doktor Porquier, der Arzt, der die bessere Gesellschaft von Plassans behandelt. Ein glücklicher Mann, versichere ich Ihnen. Er hat nur einen Kummer, seinen Sohn Guillaume . . . Jetzt sehen Sie die beiden Leute, die auf der Bank sitzen und uns den Rücken zukehren. Das ist Herr Paloque, der Richter, und seine Frau. Das häßlichste Ehepaar der ganzen Gegend. Man weiß nicht, wer scheußlicher ist, die Frau oder der Mann. Zum Glück haben sie keine Kinder.“ Und Mouret begann lauter zu lachen. Er geriet in Hitze, ereiferte sich und schlug mit der Hand auf die Fensterbrüstung. „Nein“, begann er wieder und wies mit je einer Kopfbewegung auf den Garten der Rastoils und den Garten der Unterpräfektur, „ich kann diese beiden Gesellschaften nicht ansehen, ohne daß mich das vergnügt macht . . . Sie befassen sich nicht mit Politik, Herr Abbé, sonst würde ich Sie schon zum Lachen bringen . . . Stellen Sie sich vor, daß ich, zu Recht oder Unrecht, als ein Republikaner gelte. Ich komme wegen meiner Geschäfte viel durch das Land; ich bin ein Freund der Bauern; man hat sogar davon gesprochen, mich für den Generalrat zu nominieren; kurzum, mein Name ist bekannt . . . Nun ja! Ich habe hier rechts bei den Rastoils die Blüte der Legitimität und dort links beim Unterpräfekten die großen Tiere des Kaiserreichs. Na! Ist das drollig genug? Mein armer alter Garten, der so ruhig ist, mein kleines Fleckchen Glück zwischen diesen beiden feindlichen Lagern. Ich habe immer Angst, daß sie sich über


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