Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

Die Eroberung von Plassans - Emile Zola


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stämmigen Brust zu ersticken. Er murmelte:

      „Und diese Schwachköpfe, die heute abend lächelten, als sie sahen, wie ich ihre Straßen überquerte.“

      KAPITEL III

      Am nächsten Tag verbrachte Mouret den Morgen damit, seinen neuen Mieter zu belauern. Dieses Nachspionieren füllte die leeren Stunden aus, die er sonst in der Wohnung damit zu verbringen pflegte, daß er sich mit Kleinigkeiten abgab, herumliegende Sachen aufräumte, Streitereien mit seiner Frau und seinen Kindern suchte. Von nun an würde er eine Beschäftigung haben, einen Zeitvertreib, der ihn aus seinem alltäglichen Leben herauszog. Er liebte die Pfarrer nicht, wie er sagte, und der erste Priester, der in sein Dasein hereinplatzte, interessierte ihn in ungewöhnlichem Maße. Dieser Priester brachte einen geheimnisvollen Geruch, ein beinahe beunruhigendes Unbekanntes in sein Heim. Obwohl er den Freigeist spielte, sich als Voltairianer hinstellte, empfand er dem Abbé gegenüber ein Erstaunen, einen spießbürgerlichen Schauder, in dem eine Spitze kecker Neugier durchbrach.

      Kein Geräusch kam aus dem zweiten Stock. Mouret lauschte im Treppenhaus; er wagte es sogar, auf den Dachboden hinaufzusteigen. Als er den Schritt verlangsamte, während er den Flur entlangging, erregte ihn ein Pantoffelschlurfen aufs äußerste, das er hinter der Tür zu hören glaubte. Da er nichts Genaues hatte erhaschen können, ging er in den Garten hinab, spazierte hinten unter der Gartenlaube umher, blickte hoch und trachtete, durch die Fenster hindurchzusehen, was in den Zimmern geschah. Aber er gewahrte nicht einmal den Schatten des Abbé. Frau Faujas, die zweifellos keinerlei Vorhänge besaß, hatte einstweilen Bettlaken hinter den Scheiben aufgehängt.

      Beim Mittagessen wirkte Mouret sehr verärgert.

      „Sind die da oben gestorben?“ fragte er, während er den Kindern Brot schnitt. „Hast du nicht gehört, wie sie sich bewegen, Marthe?“

      „Nein, mein Freund, ich habe nicht darauf geachtet.“

      Rose rief aus der Küche:

      „Sie sind schon eine ganze Weile nicht mehr im Hause; wenn sie immer noch laufen, sind sie weit.“

      Mouret rief die Köchin und fragte sie ganz genau aus.

      „Sie sind weggegangen, Herr Mouret; die Mutter zuerst, der Pfarrer danach. Ich hätte sie nicht gesehen, so leise gehen sie, wären ihre Schatten nicht über den Fliesenfußboden meiner Küche gehuscht, als sie die Tür geöffnet haben. Ich habe auf die Straße geschaut, um nachzusehen; aber sie waren auf und davon, und zwar blitzschnell, versichere ich Ihnen.“

      „Das ist sehr überraschend . . . Aber wo war ich denn?“

      „Ich glaube, der Herr war hinten im Garten, um nach den Trauben im Laubengang zu sehen.“

      Das versetzte Mouret vollends in eine abscheuliche Laune. Er zog über die Priester her: Das seien alles Geheimniskrämer; sie führen so viele Sachen im Schilde, in denen sich der Teufel nicht auskenne; sie heuchelten eine lächerliche Prüderie, und zwar derart, daß niemand je gesehen habe, wie sich ein Pfarrer das Gesicht wasche. Schließlich bereute er, an diesen Abbé, den er nicht kannte, vermietet zu haben.

      „Das ist auch deine Schuld“, sagte er zu seiner Frau und erhob sich vom Tisch.

      Marthe wollte sich dagegen verwahren, wollte ihn an ihre Auseinandersetzung vom Vorabend erinnern, aber sie blickte auf, sah ihn an und sagte nichts.

      Er entschloß sich indessen, nicht auszugehen, wie es seine Gewohnheit war. Er ging hin und her, vom Wohnzimmer zum Garten, schnüffelte herum, behauptete, daß alles herumliege, daß im Haus alles drunter und drüber gehe; dann ärgerte er sich über Serge und Octave, die, wie er sagte, eine halbe Stunde zu früh zum Gymnasium aufgebrochen seien.

      „Geht Papa heute nicht fort?“ fragte Désirée ihre Mutter ins Ohr. „Er wird uns schön ärgern, wenn er bleibt.“ Marthe hieß sie schweigen.

      Endlich sprach Mouret von einem Geschäft, das er im Laufe des Tages zum Abschluß bringen müsse. Er habe keinen freien Augenblick, er könne sich nicht einmal einen Tag zu Hause ausruhen, wenn er das Bedürfnis dazu empfinde. Untröstlich darüber, nicht auf der Lauer bleiben zu können, brach er auf.

      Als er am Abend heimkam, hatte er ein regelrechtes Neugierfieber.

      „Und der Abbé?“ fragte er, noch ehe er seinen Hut abgenommen hatte.

      Marthe arbeitete an ihrem gewohnten Platz auf der Terrasse. „Der Abbé?“ wiederholte sie mit einiger Überraschung. „Ach ja, der Abbé . . . Ich habe ihn nicht gesehen, ich glaube, er hat sich eingerichtet. Rose hat mir gesagt, daß Möbel gebracht worden sind.“

      „Da haben wir, was ich befürchtete“, rief Mouret. „Ich hätte dasein wollen; denn schließlich sind die Möbel meine Sicherheit . . . Ich wußte genau, daß du dich nicht von deinem Stuhl wegrühren würdest. Du bist nicht ganz bei Trost, meine Gute . . . Rose! Rose!“ Und als die Köchin da war: „Für die Leute vom zweiten Stock sind Möbel gebracht worden?“

      „Ja, mein Herr, auf einem Wägelchen. Ich habe das Wägelchen von Bergasse, dem Trödler, erkannt. Ich sage Ihnen, schwer beladen war’s nicht. Madame Faujas ging hinterher. Bei der Steigung in der Rue Balande hat sie dem Mann, der hinten schob, sogar ein bißchen geholfen.“

      „Haben Sie die Möbel wenigstens gesehen, haben Sie sie gezählt?“

      „Gewiß, Herr Mouret; ich hatte mich an die Tür gestellt. Sie haben alles an mir vorbeigetragen, was selbst Madame Faujas kein Vergnügen gemacht zu haben schien. Warten Sie . . . Zuerst hat man ein eisernes Bett hinaufgebracht, dann eine Kommode, zwei Tische, vier Stühle . . . Meiner Treu, das ist alles . . . Und keine neuen Möbel. Ich würde dafür keine dreißig Taler geben.“

      „Aber Sie hätten meiner Frau Bescheid sagen müssen; unter solchen Bedingungen können wir nicht vermieten . . . Ich werde mich auf der Stelle mit Abbé Bourrette aussprechen.“

      Er ärgerte sich und wollte hinausgehen; da gelang es Marthe, ihn plötzlich aufzuhalten, indem sie sagte:

      „Hör doch, ich vergaß . . . Sie haben sechs Monate im voraus bezahlt.“

      „Ach! Sie haben bezahlt?“ stammelte er in fast verärgertem Ton.

      „Ja, die alte Dame ist heruntergekommen und hat mir das hier überreicht.“ Sie kramte in ihrem Nähtisch und gab ihrem Gatten fünfundsiebzig Francs in Hundertsousstücken, die sorgfältig in ein Stück Zeitung eingewickelt waren.

      Mouret zählte das Geld und murmelte dabei:

      „Wenn sie zahlen, können sie tun, was sie wollen . . . Einerlei, das sind komische Leute. Es kann nicht jeder reich sein, das stimmt; nur ist das kein Grund, sich auf solche Art und Weise ein verdächtiges Benehmen zuzulegen, wenn man kein Geld hat.“

      „Ich wollte dir auch sagen“, begann Marthe wieder, als sie sah, daß er beruhigt war, „die alte Dame hat mich gefragt, ob wir geneigt seien, ihr das Gurtbett zu überlassen; ich habe ihr geantwortet, daß wir es nicht brauchen, daß sie es behalten könne, solange sie wolle.“

      „Das hast du gut gemacht, man muß sie sich verpflichten . . . Ich habe es dir gesagt, es ärgert mich an diesen verteufelten Pfarrern, daß man nie weiß, was sie denken noch was sie tun. Abgesehen hiervon, gibt es unter ihnen oft sehr ehrenwerte Menschen.“

      Das Geld schien ihn getröstet zu haben. Er scherzte, quälte Serge mit dem Bericht der „Missionen in China“, den dieser gerade las. Während des Essens tat er so, als kümmere er sich nicht mehr um die Leute vom zweiten Stock. Als aber Octave erzählt hatte, er habe Abbé Faujas aus der bischöflichen Residenz kommen sehen, konnte sich Mouret nicht mehr halten. Beim Nachtisch nahm er das Gespräch vom Vorabend wieder auf. Dann schämte er sich irgendwie. Unter der Unbeholfenheit eines Kaufmanns im Ruhestand hatte er einen klugen Geist; vor allem hatte er einen gesunden Menschenverstand, eine Geradheit des Urteils, die ihn inmitten der Provinzklatschereien meistens das rechte Wort finden ließ.

      „Alles in allem“, sagte er beim Schlafengehen, „ist es nicht


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