Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

Die Eroberung von Plassans - Emile Zola


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in dem ein Schimmer bürgerlicher Spottlust hervorbrach, fiel ihr nicht ein Wort ein, und sie machte sich davon.

      Mouret ging auf die Terrasse hinunter, wo er, ohne sich hinzusetzen, umherstapfte. Er begnügte sich damit, Désirée, die ihm zulächelte, mit den Fingerspitzen einen leichten Klaps auf die Wange zu geben. Marthe hatte aufgeblickt; nachdem sie ihren Gatten angesehen hatte, schickte sie sich an, ihr Nähzeug in ihren Tisch zu räumen.

      „Sind Sie nicht müde?“ fragte Octave, der auf die weißbestaubten Schuhe seines Vaters sah.

      „Doch, ein bißchen“, antwortete Mouret, ohne weiter von dem langen Weg zu sprechen, den er eben zu Fuß zurückgelegt hatte. Aber er erblickte mitten im Garten einen Spaten und eine Harke, die die Kinder wohl dort vergessen hatten. „Warum werden die Geräte nicht wieder reingebracht?“ schrie er. „Ich habe es hundertmal gesagt. Wenn es geregnet hätte, wären sie verrostet.“ Er ärgerte sich nicht weiter. Er ging in den Garten hinunter, holte selber den Spaten und die Harke, die er hinten in dem kleinen Gewächshaus sorgsam aufhängte. Während er wieder zur Terrasse hinaufstieg, durchstöberte er mit den Augen alle Winkel der baumbestandenen Gartenwege, um zu sehen, ob alles schön aufgeräumt war.

      „Lernst du deine Schulaufgaben?“ fragte er, als er an Serge vorbeikam, der nicht von seinem Buch abgelassen hatte.

      „Nein, Vater“, antwortete der Junge. „Das ist ein Buch, das mir Abbé Bourrette geliehen hat, der Bericht über die ,Missionen in China‘.“

      Mouret blieb plötzlich vor seiner Frau stehen.

      „Was ich fragen wollte“, begann er, „ist niemand gekommen?“ „Nein, niemand, mein Freund“, sagte Marthe mit überraschter Miene.

      Er wollte weitersprechen, schien sich aber anders zu besinnen. Er stapfte noch eine Weile umher, ohne irgend etwas zu sagen, ging dann zur Freitreppe vor und rief:

      „Na, Rose! Und das Abendessen, das anbrennt?“

      „Wahrhaftig!“ schrie hinten aus dem Hausflur die wütende Stimme der Köchin. „Jetzt ist nichts mehr fertig, alles ist kalt. Sie müssen warten, Herr Mouret!“

      Mouret lachte still vor sich hin; er blinzelte mit dem linken Auge und schaute dabei seine Frau und seine Kinder an. Roses Zorn schien ihn sehr zu ergötzen. Dann vertiefte er sich in den Anblick der Obstbäume seines Nachbars.

      „Es ist verblüffend“, murmelte er, „Herr Rastoil hat dieses Jahr prächtige Birnen.“

      Marthe, die seit einer Weile unruhig war, schien eine Frage auf den Lippen zu liegen. Sie entschloß sich und sagte schüchtern:

      „Hast du heute jemanden erwartet, mein Freund?“

      „Ja und nein“, antwortete er und fing an, auf und ab zu wandern.

      „Hast du etwa das zweite Stockwerk vermietet?“

      „Ja, in der Tat, ich habe es vermietet.“ Und da ein verlegenes Schweigen entstand, fuhr er mit friedfertiger Stimme fort: „Heute früh, ehe ich nach Les Tulettes aufbrach, bin ich zu Abbé Bourrette hinaufgegangen. Er hat mir sehr zugesetzt, und, meiner Treu, da habe ich zugesagt . . . Ich weiß wohl, daß es dich verdrießt. Denk bloß mal ein bißchen nach, du bist unvernünftig, meine Gute. Wir brauchen diesen zweiten Stock überhaupt nicht; er verfällt. Das Obst, das wir in den Zimmern aufbewahrten, hat dort eine Feuchtigkeit aufkommen lassen, die die Tapeten ablöste . . .Weil ich gerade daran denke, vergiß nicht, das Obst gleich morgen wegschaffen zu lassen: unser Mieter kann jeden Augenblick eintreffen.“

      „Wir fühlten uns doch so wohl, allein in unserem Haus“, ließ sich Marthe mit halblauter Stimme entschlüpfen.

      „Ach was!“ entgegnete Mouret. „Ein Priester, der stört nicht sehr. Er lebt für sich und wir für uns. Diese Schwarzröcke, die verstecken sich, um ein Glas Wasser hinunterzugießen . . . Du weißt, wie gerne ich sie habe. Faulenzer größtenteils . . . Na ja! Das hat mich ja gerade zum Vermieten bewogen, daß ich einen Priester gefunden habe. Bei denen ist nichts wegen des Geldes zu befürchten, man hört sie nicht einmal den Schlüssel ins Schloß stecken.“

      Marthe blieb untröstlich. Sie betrachtete um sich her das glückliche, in der scheidenden Sonne badende Haus, den Garten, in dem der Schatten grauer wurde; sie betrachtete ihre Kinder, ihr eingeschlafenes Glück, das dort in diesem engen Winkel lag. „Und weißt du, wer dieser Priester ist?“ begann sie wieder. „Nein, aber Abbé Bourrette hat in seinem Namen gemietet, das genügt. Abbé Bourrette ist ein biederer Mann . . . Ich weiß, daß unser Mieter Faujas heißt, Abbé Faujas, und daß er aus der Diözese Besançon kommt. Er wird sich mit seinem Pfarrer nicht haben verstehen können; man wird ihn hier an der Kirche Saint-Saturnin zum Vikar ernannt haben. Vielleicht kennt er unseren Bischof, Monsignore Rousselot. Schließlich sind das nicht unsere Angelegenheiten, verstehst du . . . Ich, ich verlasse mich in alldem auf Abbé Bourrette.“

      Marthe beruhigte sich allerdings nicht. Sie bot ihrem Gatten Widerpart, was bei ihr selten vorkam.

      „Du hast recht“, sagte sie nach kurzem Schweigen, „der Abbé ist ein ehrenwerter Mann. Nur erinnere ich mich, daß er mir, als er gekommen ist, um die Wohnung zu besichtigen, gesagt hat, er kenne denjenigen nicht, in dessen Namen zu mieten er beauftragt sei. Das ist einer von diesen Aufträgen, wie man sie sich unter Priestern von einer Stadt zur anderen erteilt . . . Es scheint mir, du hättest nach Besançon schreiben, dich erkundigen können, um schließlich zu wissen, wen du bei dir aufnimmst.“ Mouret wollte sich nicht aufregen; er lachte selbstgefällig.

      „Es ist nicht der Teufel, vielleicht . . . Du zitterst ja am ganzen Körper. Ich wußte nicht, daß du so abergläubisch bist. Du glaubst doch wenigstens nicht, daß die Priester Unglück bringen, wie man sagt. Sie bringen auch kein Glück, das stimmt. Sie sind wie andere Menschen . . . Na schön! Wenn dieser Abbé da ist, wirst du sehen, ob mir eine Soutane Angst einjagt!“

      „Nein, ich bin nicht abergläubisch, das weißt du“, murmelte Marthe. „Ich bin irgendwie sehr betrübt, das ist alles.“ Er pflanzte sich vor ihr auf, er unterbrach sie mit einer barschen Handbewegung.

      „Das genügt, nicht wahr?“ sagte er. „Ich habe vermietet, sprechen wir nicht mehr davon.“ Und im spöttischen Ton eines Bürgers, der ein gutes Geschäft abgeschlossen zu haben glaubt, fügte er hinzu: „Klipp und klar ist jedenfalls eines, ich habe für hundertfünfzig Francs vermietet. Das sind hundertfünfzig Francs mehr, die jedes Jahr ins Haus kommen.“

      Marthe hatte den Kopf gesenkt, erhob nur noch durch ein unbestimmtes Wiegen der Hände Einspruch, wobei sie sacht die Augen schloß, wie um die Tränen, von denen ihre Lider ganz geschwollen waren, nicht herabrinnen zu lassen. Sie warf einen verstohlenen Blick auf ihre Kinder, die während der Auseinandersetzung, die sie eben mit ihrem Vater hatte, nicht zugehört zu haben schienen, weil sie zweifellos an solche Auftritte gewöhnt waren, in denen sich Mourets spottsüchtige Laune gefiel.

      „Wenn Sie nun essen wollen, können Sie kommen“, sagte Rose mit ihrer mürrischen Stimme und trat dabei auf die Freitreppe vor.

      „Recht so. Zum Essen, Kinder!“ rief Mouret fröhlich und schien nicht die geringste schlechte Stimmung zu behalten.

      Die Familie erhob sich. Da brach in Désirée, die in ihrer armen Einfalt ernst geblieben war, der Schmerz gleichsam wieder auf, als sie jedermann sich bewegen sah. Sie warf sich ihrem Vater an den Hals und stammelte:

      „Papa, mir ist ein Vogel weggeflogen.“

      „Ein Vogel, mein Liebling? Wir werden ihn wieder einfangen.“ Und er liebkoste sie, er gab sich sehr schmeichlerisch. Aber auch er mußte hingehen und sich den Käfig ansehen.

      Als er das Kind zurückbrachte, befanden sich Marthe und ihre beiden Söhne bereits im Wohnzimmer. Die untergehende Sonne, die durch das Fenster schien, machte die Porzellanteller, die Becher der Kinder, das weiße Tischtuch ganz heiter. Das Zimmer war lau, andächtig, mit dem grünen Hintergrund des Gartens.

      Als Marthe, durch diesen Frieden beruhigt, lächelnd den Deckel der Suppenschüssel abnahm, entstand ein Geräusch im


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