Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
das beste Verhältnis zu haben.«
»Das wundert mich nicht wirklich«, gestand Matthias Weigand. »Aber ehrlich gesagt habe ich keine Lust, mir an meinem wohlverdienten Feierabend den Kopf darüber zu zerbrechen. Morgen ist auch noch ein Tag.« Er hob die Hand zum Gruß und verließ das Büro in dem Moment, als Fee hereinkam.
»Ist mein Göttergatte zu sprechen?«, erkundigte sie sich bei Matthias.
»Wenn ich mich nicht irre, wartet er schon sehnsüchtig auf dich.« Er sah Felicitas nach, wie sie lachend in Daniels Büro verschwand.
Ein kleiner, eifersüchtiger Stich fuhr ihm ins Herz. Es gab nichts, was er sich sehnlicher wünschte, als eine Frau an seiner Seite, mit der er das Leben teilen konnte. In guten wie in schlechten Tagen. Doch das Schicksal schien anderes mit ihm vorzuhaben. So blieb ihm nichts anderes übrig, als seiner Wege zu gehen. Unterwegs beschloss er, sein Vorhaben wahr zu machen und mit Adrian ein Bier trinken zu gehen.
Unterdessen begrüßte Fee ihren Mann mit einem Kuss.
»Na, mein Liebster? Wie geht es dir?« Sie versuchte, einen Blick auf den Computer zu erhaschen. »Das sieht aber nicht nach der Buchung eines Pauschalurlaubs am Gardasee aus«, neckte sie ihn.
Ertappt zuckte Daniel zusammen. Das hatte er völlig vergessen.
»Ich habe noch jede Menge Zeit, mein Versprechen einzulösen«, behauptete er schnell und schielte auf die Uhr.
»Es ist kurz nach sieben, und kein Reisebüro der Welt hat jetzt noch offen.« Fee machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung.
»Ich könnte online buchen.«
»Diese Reise gibt es nur im richtigen Leben.«
»Dann kann ich nur von Glück sagen, dass auch Anwälte um diese Uhrzeit nicht mehr arbeiten.« Daniel stand auf und wollte Fee in die Arme schließen.
Sie ahnte sein Vorhaben und wich ihm geschickt aus.
»Das könnte dir so passen, mein Lieber. Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen.« Beleidigt verschränkte sie die Arme vor der Brust.
»Schon gut. Ich habe verstanden. Was kann ich tun, damit du mir verzeihst?«
Auf diese Frage hatte Felicitas nur gewartet.
»Für jeden Tag, den du später buchst, bleiben wir einen Tag länger im Urlaub.«
»Das ist Erpressung.«
»Du wolltest es nicht anders«, lächelte Fee verschlagen.
Daniel ahnte, dass er keine Wahl hatte. Diesmal wich sie ihm nicht aus und ließ sich widerstandslos in die Arme schließen.
»Du hast gewonnen«, raunte er ihr ins Ohr. »Aber eines verspreche ich dir: Im nächsten Leben bleibe ich Single. Wie Matthias. Der muss sich nicht mit Erpressungen, Liebesentzug und anderen Gemeinheiten auseinandersetzen«, gab er zu bedenken, während er ihren Hals mit kleinen Küssen bedeckte. Fee gluckste vor Wonne.
»Und du denkst, er ist glücklich damit?«
Eine Antwort bekam sie nicht. Bevor er sich um Kopf und Kragen redete, beschloss Daniel, die Unterhaltung mit einem innigen Kuss zu beenden.
*
Die Kerzen waren herunter gebrannt. Neben leer gegessenen Tellern und zerknüllten Servietten stand eine leere Flasche Wein. Den Rest der zweiten verteilte Joshua auf die beiden Gläser.
»Nicht so viel! Ich bin schon ganz betrunken!«, wehrte sich Paola halbherzig und mit verwaschener Stimme. »Das ist nicht gesund.«
»Schon Seneca wusste: Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück.« Mit dem Glas Wein in der Hand drehte Joshua eine vollendete Pirouette und blieb direkt vor seiner Mutter stehen. Er kniete vor ihr nieder und hielt ihr das Glas hin. »Es kommt nicht darauf an, wie lang es ist, sondern wie bunt.«
Paolas Lachen vermischte sich mit dem hellen Klang der Gläser.
»Du hast wirklich Talent, mein wunderbarer Sohn.« Ihr verliebter Blick klebte förmlich an Joshua. »Hast du schon einmal darüber nachgedacht, Spau … Schaup … Schauspieler zu werden?«
Schlagartig verging Joshua das Lachen. Ernüchtert kehrte er an seinen Platz zurück. Er schlug die Beine übereinander und dachte nach.
»Ehrlich gesagt ist das schon lange mein Traum«, gestand er endlich. »Aber bisher habe ich nicht gewagt, mit Papa darüber zu sprechen.«
»Warum nicht?« In einer der Schüsseln hatte Paola eine einsame Olive entdeckt. Mit spitzen Fingern steckte sie sie in den Mund.
»Na ja.« Joshua druckste herum. »Adrian ist nicht gut auf die Schauspielerei zu sprechen. Immerhin gibt er deinem Beruf die Schuld daran, dass das mit euch nicht geklappt hat.«
Paola wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, und schwieg. Die Grillen zirpten, irgendwo in der Nachbarschaft spielte jemand leise Klavier.
Der Duft nach gemähtem Gras und Sommerblumen wehte sanft durch den Garten.
»Hat dein Vater eine Freundin?«, fragte Paola endlich.
Eine plötzliche Hoffnung blitzte in Joshua auf. Was, wenn sein Vater und seine Mutter es noch einmal miteinander versuchten? So etwas passierte ständig in Filmen. Warum nicht auch im richtigen Leben?
»Nein«, erwiderte er ehrlich. »Ab und zu geht er mal mit einer Frau aus. Aber bis jetzt war offenbar keine dabei, die dir das Wasser reichen konnte.«
»Interessant.« Eingehüllt in eine wattweiche Wolke aus Rotwein, wurde Paola müde. Sie hielt die Hand vor den Mund und gähnte herzhaft. »Sei nicht böse, Josh. Aber ich glaube, ich muss mich jetzt verabschieden.« Träge kämpfte sie sich hoch, um im nächsten Augenblick wieder in den Stuhl zurückzufallen. »Hoppla.« Sie kicherte albern. »Ich glaube, ich bin ein bisschen betrunken.«
»Warum bleibst du nicht einfach hier? Du musst doch erst morgen nach Zürich«, machte Joshua einen Vorschlag.
Paola wackelte mit dem Zeigefinger hin und her.
»Ich glaube nicht, dass das deinem Vater gefallen würde.«
Blitzschnell dachte Joshua über die richtige Antwort nach.
»Papa ist manchmal ein bisschen spießig. Ich glaube, ihm tun ein paar Überraschungen ganz gut.«
Als die Augen seiner Mutter aufblitzten, wusste Joshua, dass sie angebissen hatte.
»Ach ja?«, fragte sie gedehnt.
»Ja«, wiederholte Joshua bestimmt. »Du weißt doch, was Seneca gesagt hat.«
Sie nickte langsam.
»Es kommt nicht darauf an, wie lang das Leben ist, sondern wie bunt.« Ein vielsagendes Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie Joshua in die Wohnung folgte und sich das Gästezimmer zeigen ließ, das direkt neben dem Schlafzimmer lag.
*
Mit verzweifelter Miene saß Elfriede Lammers am Tisch und ließ sich ein Glas Früchtetee nachschenken.
»Ich leide unter einer Krankheit, bei der die Knochen im Sprunggelenk absterben«, klagte sie ihrem Besucher ihr Leid. »Können Sie sich das vorstellen? Als wäre ich eine alte Frau.« Sie betupfte die geröteten Augen mit einem Taschentuch.
Dieter Fuchs schenkte sich selbst Tee nach, ehe er die Kanne zurück auf den Tisch stellte.
»Erstens wirken Sie ganz und gar nicht wie eine alte Frau. Und zweitens sind wir beide nicht mehr die Jüngsten. Da geht schon einmal das eine oder andere kaputt.« Seine monotone Stimme hatte etwas Tröstliches.
»Aber eine Prothese!«
»Wir sollten froh sein, dass es solche Ersatzteile für Menschen unseres Alters gibt«, gab Dieter Fuchs zu bedenken. Mahnend hob er den Zeigefinger. »Das erlaubt uns, noch lange unsere Arbeit zu tun.«
»Arbeit!« Elfriede schnaubte verächtlich.