Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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aus, werden Bandwurm-Finnen in das umliegende Gewebe gespült. Schwere allergische Reaktionen können die Folge sein.« Wenn sie nur daran dachte, wurde ihr übel. »Ich bin sehr froh, auf meine innere Stimme gehört zu haben.« Felicitas Norden nickte den Eltern zu. »Jetzt muss ich aber zurück in den Operationssaal. Wir haben später noch genug Zeit, uns zu unterhalten.« Sie schenkte den Eltern ein letztes Lächeln, ehe sie sich im Laufschritt auf den Rückweg machten.

      Rita und Josef Schindler blieben zurück. Sie brauchten noch Zeit, um die frohe Botschaft zu verarbeiten.

      *

      Die Geräte zur Überwachung der Vitalfunktionen piepten leise vor sich hin. Gemeinsam mit Dr. Matthias Weigand und Dr. Bernhard Kohler stand der Klinikchef Daniel Norden am Operationstisch. Er war hochkonzentriert, führte die Instrumente mit ruhiger Hand.

      »Absaugen!«, verlangte er und sah der Schwester dabei zu, wie sie seinen Befehl ausführte. Er ließ sich eine Pinzette reichen.

      Ein schriller Ton zerriss die Luft. »Massiver Blutdruckabfall«, warnte der Anästhesist Dr. Klaiber.

      Daniel sah hoch zum Monitor. Verwunderung lag in seinem Blick.

      »Ich kann nichts dafür. Der Blutverlust ist minimal.«

      »Ich gebe Adrenalin«, teilte Klaiber seinen Kollegen mit. »Beeilt euch. Der Druck fällt weiter.«

      Mit fliegenden Fingern arbeitete Dr. Norden weiter.

      »Wird es besser?«, erkundigte er sich.

      Arnold Klaiber schüttelte den Kopf. Ein weiteres Signal warnte das OP-Team. Der Kontrollmonitor des EKGs schlug Alarm. Alles wussten, was das bedeutete.

      »Herzstillstand!«

      »Runter mit dem Tisch!«, befahl Dr. Weigand. Im nächsten Moment begann er mit der Herz-Druck-Massage. »Defibrillator. Schnell!«

      Bernhard Kohler setzte das Gerät an.

      »Zurück! Und los!«

      Elfriedes Körper bäumte sich auf und fiel mit einem dumpfen Geräusch zurück auf den Tisch. Alle starrten gebannt auf das EKG. Die Linie blieb flach.

      »Noch mehr Adrenalin!«, verlangte Daniel. »Nun mach schon!« Damit meinte er Elfriede Lammers’ Herz. »Na los!«

      »Noch einmal?« Dr. Kohler hielt den Finger an den Auslöser des Defibrillators.

      »Natürlich. Worauf warten Sie noch?«

      Wieder zuckte ein Stromstoß durch den Körper.

      »Sie kommt wieder!«, verkündete Dr. Klaiber gleich darauf.

      Daniel atmete auf.

      Feine Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.

      »Wir brechen ab. Naht, schnell!«, befahl er.

      Matthias Weigand zögerte nicht. Mit sicheren Handgriffen versorgte er die Wunde. Daniel blieb noch einen Moment, um sich zu vergewissern, dass die Krise überstanden war. Erst dann verließ er den Operationssaal, um direkt in Lammers’ Arme zu laufen.

      »Was machen Sie denn hier?«, fragte er überrascht und stellte sich ans Waschbecken. Das Wasser spritzte ins Becken. »Haben Sie nicht gesagt, dass Ihre Mutter bleiben kann, wo der Pfeffer wächst?«, erinnerte er den Kollegen an die Worte, die er kurz vor dem Eingriff losgeworden war.

      »Was ist mit meiner Mutter?«, fragte Lammers statt einer Antwort.

      »Wir mussten abbrechen. Sie wird gerade auf die Intensivstation verlegt.«

      »Na bravo! Da haben Sie ja ganze Arbeit geleistet.«

      Daniel stellte den Wasserhahn ab und fuhr zu Volker herum.

      »Ich verbitte mir diesen Ton!«, fauchte er. »Sie wissen selbst, dass eine OP immer ein Restrisiko birgt. Dass es ausgerechnet bei Elfriede passieren musste, tut mir außerordentlich leid.«

      »Wenn Sie auf mich gehört hätten, wäre das nicht passiert«, behauptete Volker. »Aber Sie mussten sich ja unbedingt als Heiland aufspielen.«

      »Ach ja? Im Gegensatz dazu hätten Sie Ihrer Mutter lieber ein Leben mit grauenhaften Schmerzen zugemutet. Das sieht Ihnen ähnlich.« Wütend trocknete sich Dr. Norden die Hände ab und machte Anstalten, den OP-Bereich zu verlassen.

      »Wo wollen Sie hin?«

      »Zu Ihrer Mutter, für die Sie sich angeblich brennend interessieren.« Damit ließ Daniel den Kollegen stehen und stapfte aus dem Vorraum des OPs.

      *

      Gestärkt vom Frühstück machten sich Paola und Joshua zum Aufbruch bereit.

      Adrian sah ihnen sehnsüchtig dabei zu.

      »Ihr habt es gut«, seufzte er. »Ich würde auch lieber mit euch durch die Stadt bummeln, anstatt mir die muffige Klinikluft um die Nase wehen zu lassen.«

      Joshua schnitte eine Grimasse.

      »Das ist allein dein Verdienst«, sagte er zu seiner Mutter. »So hat er noch nie über seinen Arbeitsplatz gesprochen. Bis jetzt hatte ich immer das Gefühl, er könne nicht genug von der ›muffigen Klinikluft‹ bekommen.«

      Adrian gab seinem Sohn einen Klaps.

      »Etwas mehr Respekt vor dem Alter, wenn ich bitten darf!«, verlangte er lächelnd. Paolas durchdringender Blick machte ihn nervös.

      Sie lächelte von einem zum anderen.

      »Geh schon mal vor zum Taxi, sonst fährt es ohne uns davon. Ich muss noch etwas mit deinem Vater besprechen.«

      Joshua meinte zu ahnen, was Paola vorhatte, und das Glück sprang ihm aus den Augen.

      »Lasst euch Zeit. Ich kenne ein paar lustige Taxi-Witze, mit denen ich unseren Chauffeur unterhalten kann.« Er schnappte sich den Hut von der Garderobe, setzte ihn schief auf den Kopf und war im nächsten Moment verschwunden.

      Seine Eltern blieben zurück. Karin rumorte irgendwo im hintersten Eck der Wohnung. Diese Gelegenheit nutzte Paola und trat auf ihren Ex-Mann zu. Ihr lasziver Blick raubte Adrian den Atem.

      »Schade, dass du uns nicht begleiten kannst«, raunte sie ihm zu und legte die Arme um seinen Nacken. »Bevor ich gehe, möchte ich dir noch etwas sagen.«

      Adrian schluckte.

      »Ja?«, krächzte er. Er zögerte, legte aber dann doch die Arme um ihren schmalen Rücken. Durch das dünne Shirt spürte er die Wärme ihrer Haut. Er erinnerte sich daran, wie sie sich angefühlt hatte. Ob ihre Haut immer noch so weich und samtig war wie früher?

      »Es tut mir leid, was ich euch damals angetan habe«, murmelte Paola dicht an seinen Lippen. »All die verlorenen Jahre …«

      »Das waren sie nicht. Nicht für mich.«

      »Aber vielleicht für mich.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, hob leicht das Kinn, tauchte ein in seinen Blick. Wie magisch angezogen beugte sich Adrian über Paola und küsste sie. Diesmal war der Kuss alles andere als unschuldig. Er presste sie an sich, seine Hände zeichneten die Linien ihres Körpers nach. Paola wehrte sich nicht. Ganz im Gegenteil.

      »Du hast nichts verlernt«, lachte sie leise, als sie sich voneinander lösten. »Ein Glück, dass Joshua unten wartet. Sonst könnte ich für nichts garantieren.« Sie schob ihn von sich, streichelte seine Wange und ging zur Tür. Die Hand auf der Klinke, drehte sie sich noch einmal um und schickte ihm eine Kusshand. Dann war sie auch schon verschwunden. Vom Fenster aus beobachtete Adrian, wie sie zu Joshua ins Taxi stieg. Er hörte Schritte hinter sich, drehte sich aber nicht um.

      »Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich es mich macht, dass Paola hier ist«, sagte Karin. »Ihr scheint euch ja blendend zu verstehen.« Sie zögerte. »Wenn sie bleiben will: Ich habe nichts dagegen und werde euch nicht stören.«

      Adrian stand noch ganz unter dem Eindruck des Kusses. Gerührt legte er den Arm um die Schultern seiner Mutter. Ohne sie


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