Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      Fee Norden war auf dem Weg zu Raphael Schindler, als ihr Volker Lammers über den Weg lief. Er wollte grußlos an ihr vorbei hasten.

      »Die Nähe Ihrer Mutter scheint Ihnen nicht allzu gut zu bekommen«, rief sie ihm nach.

      Lammers machte keinen Hehl daraus, dass er nicht gerade erpicht auf ein Gespräch mit seiner Chefin war.

      »Seit wann verfügen Sie über hellseherische Fähigkeiten?«, ätzte er schlecht gelaunt.

      Damit kam er ihr gerade recht.

      »Seit Sie zwei Mal eine falsche Diagnose gestellt haben.«

      Volker musste nicht lange darüber nachdenken, über wen Felicitas sprach.

      »Ich sagte doch schon, dass mich die kleine Rotznase nichts angeht.«

      »Ich hatte Sie um Ihre Meinung gefragt, weil ich Ihren Fähigkeiten als Arzt vertraut habe. Aber selbst das werde ich mir in Zukunft drei Mal überlegen. Hätte ich auf Sie gehört, hätte ich heute Raphaels Leben aufs Spiel gesetzt.« Diesen Vorwurf konnte sie ihm nicht ersparen.

      Zu ihrem großen Ärger grinste Lammers frech.

      »Zum Glück strahlen Ruhm und Glanz Ihres Göttergatten auf Sie ab und haben offenbar für die nötige Erleuchtung gesorgt.« Er deutete eine Verbeugung an. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen. Ich hatte heute schon genug Erleuchtete um mich. Mehr verkrafte ich nicht.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und eilte davon.

      Felicitas sah ihm nach. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie sich über ihn ärgern sollte, entschied sich aber dagegen. Sie dachte nicht daran, sich ihr Erfolgserlebnis kaputt machen zu lassen.

      »Dieser Mensch, ach was, dieses Monster ist es nicht wert!«, beschwichtigte sie sich selbst. Vor Raphaels Krankenzimmer machte sie Halt und holte tief Luft, ehe sie mit einem Lächeln auf den Lippen eintrat.

      Seine Eltern waren bei ihm. Das Misstrauen war wie weggeblasen, und sie begrüßten die Ärztin mit strahlenden Gesichtern.

      »Wir wissen gar nicht, wie wir Ihnen danken sollen.«

      »Am besten, indem Raphael wieder ganz gesund wird.« Felicitas zwinkerte dem Jungen im Bett zu.

      Die Narkose war nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Der Achtjährige war noch recht blass um die Nase.

      Doch aus seinen Augen blitzte schon wieder der Schalk.

      »Wenn es Schokocreme zum Frühstück gibt, muss ich unbedingt ganz lange hierbleiben«, verkündete er.

      »Warum das denn?«

      »Weil ich die zu Hause nicht essen darf.«

      Fee legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Zu ihrer Erheiterung trug auch die Erleichterung bei, Raphael wieder so munter zu sehen. Nur sie allein konnte ermessen, wie knapp er einer Katastrophe entkommen war.

      »Ich bin mir nicht sicher, ob wir Schokocreme haben. Wenn du willst, frage ich später mal nach. Aber ob du sie auch essen darfst, musst du mit Mama und Papa besprechen.«

      »Die sind so froh, dass ich kein Bauchweh mehr habe, dass ich alles darf«, erwiderte der Junge im Brustton der Überzeugung.

      »Ganz schön selbstbewusst, junger Mann«, tadelte Josef schmunzelnd.

      Es tat Fee leid, das scherzhafte Gespräch in eine ernstere Richtung lenken zu müssen. Doch die Eltern mussten alles erfahren, was wichtig war.

      »Bei der Operation haben wir ganz besonders darauf geachtet, dass es uns gelingt, alle Finnen – das sind Bandwürmer in einem sehr frühen Entwicklungsstadium – zu entfernen. Wie vermutet, handelte es sich bei dem veränderten Gewebe in der Leber um kleine Zysten, die wir ebenfalls entfernt haben.«

      »Dann ist er jetzt wieder ganz gesund?«, fragte Rita hoffnungsvoll. Sie konnte den Blick kaum von ihrem einzigen Sohn wenden.

      »Das wissen wir noch nicht so genau«, musste Felicitas zugeben. »Wenn Raphael sich von dem Eingriff erholt hat, können wir ihn entlassen. Es ist möglich, dass wir nicht alle Finnen erwischt haben. Deshalb muss er zu Hause noch eine Zeit lang Medikamente einnehmen, um auch den letzten Rest abzutöten.«

      »Im Gegensatz zu dem Leid der vergangenen Monate ist das bei Weitem das kleinere Übel«, erwiderte Rita aus tiefstem Herzen und wuschelte ihrem Sohn durch das Haar.

      Fee blieb noch eine Weile und plauderte mit der liebenswerten Familie, bis es schließlich Zeit für den Abschied wurde. Doch sie ging nicht ohne das Versprechen, am nächsten Morgen bei der Visite wieder wie gewohnt zur Stelle zu sein.

      *

      So glücklich wie seine Frau war Dr. Daniel Norden nicht. Bedrückt stand er am Bett seiner Patientin Elfriede Lammers, die vor kurzem aus der Narkose erwacht war. Obwohl er sich sicher war, keinen Fehler gemacht zu haben, fühlte er sich schuldig an dem Vorfall. In einfachen Worten erklärte er ihr, was passiert war.

      »Wie konnte das geschehen, Herr Doktor?«

      »Das müssen wir erst noch herausfinden. Wenn es uns gelungen ist, dem Grund auf die Spur zu kommen und die Ursache auszuschalten, würde ich gern einen weiteren Versuch wagen.« Er musterte sie ernst. »Natürlich nur, wenn Sie mir noch vertrauen. Andernfalls übergebe ich selbstverständlich an einen Kollegen.«

      Erschöpft von den Strapazen, hob Elfriede die Hand.

      »Ich bestehe darauf, dass Sie mich weiter behandeln.« Ihr Atem ging schwer. »Ist mein Sohn schon informiert?«

      Daniel nickte.

      »Er hat mir die Schuld gegeben.«

      »Typisch.« Sie schloss die Augen.

      »Er ist hier und will Sie sehen.«

      »Muss das sein?«, fragte Elfriede, ohne die Augen zu öffnen. »Sie könnten sagen, dass ich schlafe.«

      »Wenn möglich, erfülle ich meinen Patienten jeden Wunsch. Aber lügen gehört nicht zu meinem Repertoire.«

      »Sie sind so ein anständiger Mann.« Elfriede lächelte. »Schade, dass Sie schon verheiratet sind.« Sie blinzelte ihm zu, und Daniel lächelte.

      »Schon seit Menschengedenken. Und immer noch sehr glücklich.«

      »Beneidenswert. Bei Gelegenheit müssen Sie mir verraten, wie Sie das angestellt haben.« Obwohl Elfriede das Sprechen schwerfiel, konnte sie nicht schweigen. »Ich war schon vier Mal verheiratet. Geblieben ist mir keiner.«

      Unwillkürlich musste Daniel an ihren Flirt mit Dieter Fuchs denken.

      »Was nicht ist, kann ja noch werden«, versprach er ihr. »Ich hole jetzt Ihren Sohn herein.«

      »Bleiben Sie hier, um mich zu retten, wenn er über mich herfällt?«

      »Leider habe ich nebenbei auch noch eine Klinik zu leiten«, musste Daniel ihr Ansinnen ablehnen. »Aber ich bin sicher, dass er es nicht wagt, Ihnen in diesen heiligen Hallen etwas anzutun.«

      »Ihr Wort in Gottes Ohr!«, rief Elfriede ihm krächzend nach, ehe er das Intensivzimmer verließ.

      Bei Lammers’ Anblick verschwand das Lächeln von seinen Lippen. Bevor er den Kollegen eintreten ließ, nahm er ihn sich zur Brust.

      »Nur zu Ihrer Information: Ich habe Ihre Mutter gefragt, ob sie sich weiter von mir behandeln lassen will.«

      Volker musterte seinen Chef aus schmalen Augen.

      »Lassen Sie mich raten: Sie haben Sie ein weiteres Mal herum gekriegt.«

      Es war nicht leicht, Dr. Norden zu provozieren.

      Doch Volker Lammers gelang es schon zum zweiten Mal an diesem Tag.

      »Das war gar nicht nötig.« In Daniels Stimme lag eine deutliche Drohung. »Abgesehen davon haben Sie den Bogen heute deutlich überspannt. Wenn Sie nicht augenblicklich zur Vernunft kommen, vergesse ich, warum


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