Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt

Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl - Jan Quenstedt


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standen während der römischen Prinzipatszeit in einem Verhältnis von vier zu eins: vier Asse ergaben eine Sesterz.3 Der in der Inschrift angegebene Monatsbetrag von fünf Assen entsprach also 1,25 Sesterzen. Um die für den Todesfall festgelegte Summe von 300 Sesterzen zu erreichen, musste ein Mitglied theoretisch 13 Jahre und vier Monate Mitglied der Vereinigung sein, um die nach Zahlung des Beitrittsgeldes übrige Summe von 200 Sesterzen anzuhäufen.4 Die Aussage in Z. 17 macht deutlich, dass sowohl die Vereinigung als auch ihre MitgliederMitglied auf ein längerfristiges Bestehen ihrer Gruppe angewiesen sind, da andernfalls der VereinigungszweckVereinigungszweck nur in wenigen Fällen erfüllt werden kann.

      Um die angegebenen Summen adäquat einordnen zu können, sind sie ins Verhältnis zu Einkünften und Lebenshaltungskosten zu bringen. Nach Mt 20,2Mt 20,2 soll der Tageslohn eines Arbeiters ein Denar betragen haben, was vier Sesterzen bzw. 16 Assen entspricht.5 Zur Deckung des täglichen Bedarfs benötige ein Lohnarbeiter in Palästina im ersten Jahrhundert etwa drei Asse pro Tag, in anderen Teilen des Imperium Romanums differierte diese Summe erheblich nach oben.6 In dieser Perspektive darf angenommen werden, dass die Lebenshaltungskosten in der urbanen Umgebung LanuviumsLanuvium deutlich höher waren als im ländlichen Raum Palästinas.7 Für Palästina jedoch ist weiterzuführen, dass 13 Asse nach Abzug der Kosten für Nahrungsmittel pro Tag übrig bleiben, wenn der Lohnarbeiter keine Familie zu versorgen hatte, was jedoch die Ausnahme sein dürfte. Aus dieser Summe sind die Kosten für Unterkunft, Steuern und sogenannte non-food Artikel8 zu begleichen gewesen. Für eine vierköpfige Familie sind im ländlichen Raum also jährlich 250 bis 300 Denare (entspricht 1000 bis 1200 Sesterzen, bzw. 4000 bis 4800 Asse) zur Sicherung des Existenzminimums anzunehmen, für städtische Gebiete bzw. RomRom selbst dürfte die Summe um ein vielfaches höher anzusetzen gewesen sein.9 Der Arbeiter, der damit die Versorgung seiner Familie sicherstellen konnte, ist bereits nicht mehr zu den ärmsten Schichten der römischen Gesellschaft zu zählen. Zugleich kann ihm damit aber auch kein Wohlstand attestiert werden.10 Es ist aber anzunehmen, dass der angenommene Tagessatz von einem Denar für viele Gruppen der Bevölkerung nicht zu erreichen war und sie in ihren Möglichkeiten der Existenzsicherung limitiert waren.

      Appliziert auf die Aussagen der Vereinigungsinschrift aus LanuviumLanuvium sind mehrere Aspekte festzuhalten. Zunächst entspricht der monatliche MitgliedsbeitragMitgliedsbeitrag in etwa dem Betrag, den eine einzelne Person in anderen Teilen des Imperium Romanums zur grundlegenden Deckung ihrer Ernährungskosten für zwei Tage benötigte. Für einen alleinstehenden Lohnarbeiter mit einem angenommenen Verdienst von einem Denar pro Tag wäre die Leistung dieses Betrages aber durchaus denkbar. Darüber hinaus ist jedoch festzuhalten, dass der genannte Tageslohn nicht als Mindestlohn zu verstehen ist und sich deswegen der Wert der Vergleichbarkeit relativiert.

      Auch wenn durch einen Vergleich mit der Situation in Palästina kein ausreichendes Bild für LanuviumLanuvium gezeichnet werden kann, wird doch deutlich, dass die MitgliederMitglied der Vereinigung über ein Mindestmaß an finanziellen Möglichkeiten verfügt haben müssen, um die geforderten Beträge aufzubringen. Diese scheinen jedoch nach Selbstaussage der Vereinigungsinschrift so gestaltet gewesen zu sein, dass auch Sklaven, deren Status nicht grundsätzlich mit Mittellosigkeit gleichzusetzen war, sie aufzubringen in der Lage waren (vgl. Pag II. Z. 7). Jedoch stellt sich die grundsätzliche Frage, wie schnell ein Sklave oder auch ein Arbeiter in der Lage gewesen ist, das mit 100 Sesterzen festgesetzte EintrittsgeldEintrittsgeld aufzubringen.11 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Zweck der Vereinigung, die Sorge um ein würdiges BegräbnisBegräbnis und dessen finanzielle Absicherung, nur für einen bestimmten Personenkreis Relevanz besaß. Personen, die aufgrund ihrer Arbeits- bzw. Lebensumstände ein ausreichend hohes Einkommen bzw. Vermögen besaßen, dürften von dem VereinigungszweckVereinigungszweck nur in geringem Maße angesprochen worden sein. Unter diesen Perspektiven kann vermutet werden, dass weder Randgruppen im Sinne von Menschen mit keinem bis geringem regelmäßigen Einkommen, noch im Sinne von Menschen mit sehr hohen regelmäßigen Einkünften zur Zielgruppe der Vereinigung gehörten, denn „[…] [i]ndem ihre Familie dafür [d.h. für die BestattungBestattung, JQ] Sorge trug, verdeutlichte[n] sie gegenüber anderen Mitbürgern ihren Wohlstand und ihre soziale Unabhängigkeit.“12 Die Teilhabe an der Vereinigung geht also einher mit einer Verbindung aus pragmatischer Notwendigkeit (im Sinne der Schaffung einer finanziellen Basis für ein BegräbnisBegräbnis) und ökonomischer Möglichkeit (im Sinne eines ausreichenden Einkommens) und ist nicht allen Bevölkerungsgruppen möglich. Eine Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen und Schichten ist vor diesem Hintergrund mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Handlungen, die sich möglicherweise gruppenintern vollziehen und dem Konzept diakonischen Handelns zugeschrieben werden können, erfordern zunächst die Überwindung von finanziellen Eingangsvoraussetzungen und stehen keinem uneingeschränkten Personenkreis offen.13

      2.2.2.2 Lektüre der Inschrift

      Die Inschrift1 schildert die Stiftung und Gründung einer Vereinigung mit der Zielsetzung der BegräbnisfürsorgeBegräbnisfürsorge. Die Gründung beruht auf einer Initiative des Stadtpatrons bzw. Diktators (vgl. Z. 9) L. Caesennius Rufus, der durch die Bereitstellung finanzieller Mittel die Grundlagen für die Gründung schafft (vgl. Z. 1–4). Der QuinquennalisQuinquennalis der Verehrer der Diana und des Antinous versammelt ein entsprechendes Publikum für die Gründung2 und stellt damit eine Verbindung zwischen der kultischen Vereinigung der Diana und des Antinous und der Vereinigung zum Zweck der BegräbnisfürsorgeBegräbnisfürsorge her. Die Vereinigung zur BegräbnisfürsorgeBegräbnisfürsorge hat also ihre Ursprünge in kultischen Vollzügen, die sie entsprechend des StatutsVereinigungsstatut weiter pflegt (vgl. u.a. Pag. II, Z. 29–31). Bedingung für die finanzielle ZuwendungZuwendung des PatronsPatron ist die Erstellung eines VereinigungsstatutsVereinigungsstatut und dessen Veröffentlichung auf dem „Tetrastyl des Antinous“ (Z. 7), also im Porticus des entsprechenden Tempels, in dem sich auch die Gründungsversammlung zusammenfindet (vgl. Z. 1). Die Veröffentlichung der Statuten3 ist neben der Möglichkeit für Interessenten, die Regelungen der Vereinigung vor Eintritt zu studieren (vgl. Z. 17–18.), auch als Referenz für die Generosität der PatroninPatronin bzw. des PatronsPatron zu verstehen. Die Gründung der Vereinigung und ihre Datierung werden bereits zuvor in Z. 8 genannt. Möglich wird die Gründung des collegiumCollegium salutare Dianae (Z. 8) durch einen Senatsbeschluss, der die Gründung der Vereinigungen in LanuviumLanuvium zur Begräbnisvorsorge mit regelmäßigen monatlichen Treffen ermöglicht und der innerhalb der Inschrift zitiert wird (vgl. Z. 10–13).4 Auf diesen Beschluss folgt eine Art captatio benevolentiae im Sinne einer Loyalitätsbekundung, die die Vereinigung in ein positives Verhältnis zum Kaiserhaus stellt und darüber hinaus den Eifer und Gemeinschaftssinn der MitgliederMitglied der Vereinigung hervorhebt, mit dem Ziel der Schaffung einer langewährenden Institution (vgl. Z. 14–17).5 Damit verbunden ist die Aufforderung an potentielle Interessenten, die Statuten zu lesen und zu prüfen, um möglichen Konflikten und Irritationen vorzubeugen (vgl. Z. 17–19). Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Veröffentlichung des StatutsVereinigungsstatut im öffentlichen Raum auch im Sinne einer Werbung verstanden werden kann, die vor dem Hintergrund der finanziellen Absicherung des VereinigungszwecksVereinigungszweck und der Vermeidung von Streitigkeiten plausibel erscheint. Die Aufforderung zur Prüfung wird dem eigentlichen Statut der Vereinigung vorangestellt.

      Als Urheber des StatutsVereinigungsstatut wird die Gesamtheit der Vereinigung, also eine Art Vollversammlung (vgl. Z. 20) benannt, die zunächst die AufnahmegebührenEintrittsgeld regelt (vgl. Z. 21) und die zu entrichtenden Beiträge festlegt (vgl. Z. 21). Die finanziellen Verbindlichkeiten verteilen sich für die MitgliederMitglied der Vereinigung auf zwei Teile: Bei Eintritt sind 100 Sesterzen und eine Amphore guten Weines zu entrichten, darüber hinaus sind monatlich fünf Asse in die gemeinsame Kasse zu bezahlen.6 Unmittelbar mit diesen Regelungen werden auch die Konsequenzen dargelegt, die aus einer Missachtung der Beitragsregelung resultieren: Bleibt der MitgliedsbeitragMitgliedsbeitrag in sechs7 aufeinanderfolgenden Monaten aus, verwirkt das entsprechende Mitglied sein Anrecht auf die Übernahme der Kosten seines BegräbnissesBegräbnis durch die Vereinigung (vgl. Z. 21–22). Dem Mitglied würden damit 300 Sesterzen verwehrt bleiben, die die Vereinigung in seinem Todesfall an seine Hinterbliebenen auszahlen würde (vgl. Z. 24), bzw. von denen die BeerdigungBestattung finanziert werden wird und von denen der Verstorbene selbst bereits einen gewissen, wenn nicht bereits den gesamten,


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