Die Blondjäger. Hans Leip

Die Blondjäger - Hans Leip


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Haar einer besonders engelhaften Wirkung für gewiß hielt, namentlich bezüglich Afrikas.

      Kurz und gut, besonders unangenehm war dabei, daß die Stiftungen plötzlich magerer flossen und auch der Andrang heilsdurstiger Mädchen spärlicher wurde. Wohl ließ sich das Neuyorker Haus nach wie vor gut füllen, aber an Nebengründungen zu denken, hatte wenig mehr Sinn. Es galt nun wenigstens das Heim zu Neuyork unter gewissem Pomp zu halten. Nur daher kam es, daß sich der große Missionar den heftigen Einspruch verbiß, als seine Mama nach Neuyork übersiedelte. Es fesselte sie nichts an den Ort jener Bluttat, die zum zweitenmal eine Witwe aus ihr gemacht hatte. Zudem empfand sie Sehnsucht, in der Nähe ihres berühmtgewordenen Kindes zu verweilen, und da ihr Vermögen kaum den Zielen ihres Sohnes gewachsen schien, setzte sie kurzerhand ihr einträgliches Gewerbe fort, ihre Salonmischung aus Spielklub und zarten Möglichkeiten. Der „Nachtfalter“, in einer stillen Seitenstraße Harlems gelegen, und Madame Silk selber waren in jenen Kreisen, deren ungeschriebenes Einvernehmen nicht nur von Chikago nach Neuyork, sondern um den ganzen Erdball reicht, bald in hohem Grade angesehen und besucht.

      Der Schwarzen Sonne flossen nun wieder reichliche Mittel zu, ohne daß jemand von der Beziehung der beiden so gegensätzlichen Einrichtungen etwas ahnte. Nur dem Missionsarzte Dr. Connel hatte Burn für den Fall, daß ihm etwas zustoße, mitgeteilt, wo seine Mutter in Neuyork wohne. Und Connel war später der erste von der Schwarzen Sonne, der das elegante Haus Madame Silks betrat, um Auskunft über den Verbleib ihres Sohnes zu geben (und aus innerster Freundschaft zu Burn nicht ohne Wissensdrang). Aber selbst der Reeder Smithson, einer der besten Kunden des „Nachtfalters“, der sich schmeichelte, auf Grund alter Erfahrungen ein bißchen in das innere Getriebe des Hauses eingeweiht zu sein, kam erst nach seinem schmerzlichen Abenteuer und seiner Genesung in der Mission hinter das nahe verwandtschaftliche Verhältnis. (Worüber noch berichtet wird.)

      Das hübsche Geld füllte die Stiftungsspalten auf der Bank. Burn hegte unruhige Gewißheit, heuchelte sich dennoch vor, er wisse nichts, und ließ für den ungenannten Spender beten. Heimlich fürchtete er Entlarvung seines eigenen Gewissens, fürchtete seine innere Auflehnung, dann erst äußere Schmach und Störung, Zerstörung des Werkes, dem er sein Leben in wahrhafter Inbrunst gewidmet hatte. Er war kindlich genug, an Flucht zu denken, um dem Geraune seiner Einbildung und seiner Selbsttäuschung zu entrinnen. Auch sagte er sich einfachen Gemütes, daß man das dunkle Freudengeld heiligen könne und müsse, indem man Ungewöhnlicheres damit zu Gottes Wohlgefallen begleiche: eine Kreuz- und Wallfahrt etwa, mit der die endlich notwendige Inaugenscheinnahme des eigentlichen Zielfeldes seiner Mission zu verbinden sei. Zugleich würde man der heimischen Presse längere Zeit entzogen sein, und vielleicht konnte man einer gänzlichen Übersiedlung der Schwarzen Sonne nach drüben vorarbeiten. Somit faßte er seine Absichten zusammen und machte sich auf eine Reise nach Mittel- und Südafrika.

      Einige Schwestern begleiteten ihn und sollten den ersten, versuchsweisen Missionstransport bilden. Er wählte, weise genug, solche Mädchen, die keinerlei nennenswerten Familienanhang in den Staaten besaßen.

      Die Kriegsereignisse raubten dem Unternehmen fast jede öffentliche Beachtung, und auch die Rückkehr des großen Verkünders hatte vorerst kein Aufsehen erregt.

      *

      Schlüpf wie ein Stein

      Der Schleuder ein,

      Sein sind die großen Würfe.

      IX

      Josua Burn war allein zurückgekommen, nur begleitet von seinem treuen Diener Sabsai. Er hatte die Huldigungen seiner Mitarbeiter und ihre Berichte entgegengenommen, hatte dem Chore der „Funken“ und der Ehrenmusik bei seinem Einzuge gelauscht, das kleine Festmahl geleitet, alle Räume durchschritten und hatte sodann im Ostflügel des dritten Stockes in seinem alten Zimmer Wohnung bezogen. Er ließ die Abrechnungen aus der Verwaltung heraufkommen, verwies aber Besuche auf den Nachmittag, da er die abendliche Begrüßungs- und Werberede noch vorzubereiten gedachte.

      Schon vor der verabredeten Nachmittagsstunde meldete sich der Hausmeister, der zugleich Leiter des gemischten Chores und jener erwähnte Russe war, in dringlicher Sache.

      Herr Pjoff füllte Burns stilles Arbeitszimmer alsbald mit eilfertiger Unruhe. Es sei von seiten einer der Schwestern, der Tochter des Maklers Dulbort, die Befürchtung ausgesprochen worden, der Ku Klux Klan, durch die Tagesereignisse aufs höchste völkisch entflammt, werde die Versammlung der Schwarzen Sonne stören wollen. Das Wiedererscheinen des großen Verkünders sei also doch nicht so spurlos im Strudel des Kriegsgeschreis untergegangen. Und schon fürchtete man in einigen Familien aufs neue für die Töchter, von denen ja ein beträchtlicher Teil gestern sofort aus dem Dienste der Schwarzen Sonne ausgetreten sei, oder milder gesagt, sich für die freiwillige Samariterschaft in diesem unsinnigsten aller Feldzüge beurlaubt habe. Herr Dr. Burn sei bedauerlicherweise einen Tag zu spät eingetroffen, man habe ihm, dem Hausmeister und Musikleiter Pjoff, die endliche Heimkehr des Missionsdirektors und ungekrönten Bischofs von Afrika einfach nicht mehr geglaubt.

      Burn wandte bei der pompös vorgebrachten Nennung des ungewöhnlichen Titels sein noch vom Manuskriptlesen bebrilltes breites Gesicht dem weißhäutigen, nach Coldcream duftenden Sprecher mit dem byzantinischen Christusbarte zu. Er nahm die dicke schwarze Zigarre aus dem Munde und lächelte. Die gut geschliffenen, fast amerikanisch geformten Züge verloren die freundliche Gefaßtheit des allen Erschütterungen mit bewußter Demut gewachsenen Welt- und Gottesmannes. Er berührte mit streichelndem Finger die bernsteinfarbenen, seltenen Orchideen, die ihm eine der reichsten unter den Zöglingen auf seinen Schreibtisch hatte stellen lassen. Eine kindliche Pfiffigkeit zuckte über die erdnußdunkle Beize seiner Haut, und in dieser Minute sah man, daß er die Mitte Dreißig kaum erreicht habe. Das Gebiß, vorgewölbt zwischen den mächtigen Kiefern hängend, entblößte sich wie eine vor dem Zuschnappen blitzende Marderfalle.

      „Pjoff!“ sagte Burn leise, und es klang schillernd, als platze eine Seifenblase. Er betrachtete den Mann, der wie ein weißes Gespenst vor ihm stand. Er war erschreckend ätherisch geworden, dieser Russe. Aber Burn verschob das Persönliche. Sachlich fuhr er fort, die Brille zusammenlegend. Seine Verspätung und der Austritt der Mädchen bedeute nichts. Andere würden kommen. Und wenn der K.K.K. es wagen solle, gut. Es werde Aufsehen erregen, das zu nutzen, die Schwarze Sonne sich nicht entgehen lassen könne. Immerhin solle Pjoff die Polizei auf die richtige Weise, nicht zu früh und nicht zu spät, bestellen. Anderweitig solle die abendliche Versammlung von früheren in nichts abweichen.

      „Wir stehen in Gottes Hand!“ endete Burn das Gespräch.

      „Und in der Lebensversicherung!“ fügte Pjoff hinzu, sich mit seinen dünnen Händen bekreuzigend. „Aber Ihre schwarze zu Chikago ist besser als unsere weiße allhier, Väterchen!“ Damit verneigte er sich seufzend und zog sich leise aus der Tür.

      Burn nahm eine Mappe aus dem Schreibtisch, welche die Listen der Neuyorker Femeklubs enthielt. Er fand den Makler Dulbort als „Fackelträger des Großen Türken“ verzeichnet, als Großen Türken selber aber einen Reeder namens Smithson.

      Nach kurzer, etwas müder Überlegung klingelte Burn seinem Diener Sabsai, einem geschmeidigen nordafrikanischen Burschen, der auch seinen Wagen lenkte, und ließ die Oberin Maria bitten.

      Diese erschien mit dem Rascheln angestärkten Leinens, mit einem steifen Klappkragen über dem schwarzen Kleide, einem gefalteten Häubchen, einem goldenen Kneifer und dem Symbol der Schwarzen Sonne als kostbare Brosche. Sie war eine ältliche, säuerlich strenge Dame, ärmlichen Verhältnissen entsprossen, mit ehrgeizigem Fleiße nacheinander Lehrerin, Heilsarmeeoffizier, Schriftleiterin eines Sonntagsblattes und Evangelistin einer kleineren, nicht unbegüterten Sekte gewesen, nach dem erblosen Tode von deren Hauptgönner eine der ersten und begeisterten Anhängerinnen Josua Burns. Zutiefst überzeugt von der Notwendigkeit und Herrlichkeit des afrikanischen Zieles, waren ihr aber seit Burns Abwesenheit Bedenken gekommen bezüglich dieser angeblich gottgefälligen Davidstänze, des Pomps der Kleidung, der sündhaften Körperpflege und dieser übermodernen Musik, zu was allem Burn nicht nur seine Zustimmung gegeben hatte, sondern eine innerste Zuneigung zu hegen schien. Von den Zöglingen wurde sie insgeheim und sinngemäß „Korona“ genannt.

      Burn


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