Hasse mich nicht. Jessa James
drehe mich ebenfalls um in dem Bemühen, mir nicht die Hand von ihm zerquetschen zu lassen. Ich werfe meinem Vater über meine Schulter einen alarmierten Blick zu, doch er ist bereits davon geschlendert.
„Wenn du nichts dagegen hast –“, beginne ich.
„Komm, lass uns nach draußen gehen“, sagt Rich, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Ich bin mir ehrlich nicht sicher, ob er meine Reaktion überhaupt registriert hat. „Dein Vater hat erzählt, dass du Jura studierst. Das muss schwer sein.“
„Ähhh… ja?“, ist alles, das mir einfällt.
Er führt mich aus dem Wohnzimmer, durch die breiten Terrassentüren und die Steintreppe hinab zu den weitläufigen Gärten. Die Sonne scheint noch, was der einzige Grund ist, dass ich das hier überhaupt zulasse.
Wenn die Sonne untergeht, werde ich verdammt nochmal besser wieder drinnen sein. Ich verziehe finster das Gesicht, doch Rich ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er es nicht einmal bemerkt.
„Ich habe auch darüber nachgedacht, Jura zu studieren, aber beschloss dann stattdessen einen MBA zu machen. Ich bin natürlich nach Wharton gegangen. Und davor Harvard…“
Er lässt sich über seine gesamte Lebensgeschichte aus, wobei er sich viel Zeit dafür nimmt, mir seinen Stammbaum zu erläutern. Seine Geschichte ist lang, gewunden und stinklangweilig. Ich verliere ziemlich schnell das Interesse. Ich konzentriere mich auf die Blumen, die gerade blühen, während wir den Gartenweg entlangschlendern.
Beim Reden gestikuliert Rich, um zu untermalen, was er gerade erzählt. Seine Hand fällt mir ins Auge und mir wird bewusst, dass er eine Maniküre hatte. Und noch dazu keine subtile… er hat tatsächlich eine Schicht durchsichtigen Nagellack auf seinen Nägeln.
Während ich mich zwar bemühe, niemanden zu verurteilen, verdeutlicht mir dieses Detail doch, wie lächerlich es ist, dass ich meinen Eltern erlaubt habe, mich in diese Situation zu manövrieren. Asher und Jameson würden Rich dafür hassen, dass er so geckenhaft ist, so viel ist mal sicher.
Wenn ich ehrlich bin, fühlt sich das alles allmählich sehr wie ein längst verlorener Plot aus Stolz und Vorurteil an. Ich stelle mir mich in einem aufwändigen Kleid der damaligen Zeit vor, wie ich mit einem meiner vielen Verehrer durch die Gärten spaziere. Ja, das entspricht für meinen Geschmack etwas zu sehr der Realität.
„Also, wie sieht es bei dir aus?“, fragt Rich.
Oh, er stellt mir eine Frage. Ich erröte, denn ich habe ihm nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, um antworten zu können.
„Äh… was meinst du?“, frage ich.
Er blickt hochmütig auf mich hinab und drückt mitleidig meinen Arm. „Ich meine, du bist ein wunderschönes Mädchen. Aber ich möchte alles über deine Schulbildung, deine Vergangenheit und so weiter wissen. Du kannst nicht hoffen, nur aufgrund des Namens deiner Eltern einen Ehemann zu ergattern, würde ich doch meinen.“
Ich wölbe meine Brauen. „Mir war nicht bewusst, dass ich versuche, einen Ehemann zu ergattern.“
Er verdreht seine Augen über mich. „Wir sind alle auf der Suche nach einem Partner. Ich möchte nur die bestmögliche Partnerin für mich finden, was der Grund dafür ist, warum ich dich nach deinem Hintergrund frage.“
Ich bleibe abrupt stehen und ziehe meinen Arm aus seinem Griff. Ich hebe meine Hand und schirme meine Augen vor Sonne ab. „Um ehrlich zu sein, interessieren mich deine Wünsche und Bedürfnisse nicht sonderlich. Ich bin hier, weil meine Eltern wollen, dass ich an ihrer Party teilnehme.“
„Ja, aber –“, beginnt er zu erklären.
„Ja, nein“, sage ich und schüttle den Kopf. „Ich gehe jetzt zurück ins Haus.“
Ich wende mich ab und fange an, zurückzulaufen. Er holt mich mit zwei langen Schritten ein.
„Warte, warte“, sagt er. „Das läuft gar nicht, wie ich es geplant habe.“
„Oh?“ Ich laufe weiter, weigere mich, meine Schritte zu verlangsamen.
„Ich… ich denke nur, du bist sehr hübsch –“
„Das ist kein guter Grund, um zu versuchen, jemanden zu daten“, erwidere ich.
„Nun, du bist auch klug und du kommst aus der richtigen Sorte Familie –“
Ich stoppe abermals und wirble zu ihm herum. Er sieht den wütenden Ausdruck auf meinem Gesicht und weicht einige Zentimeter zurück.
„Du weißt rein gar nichts über mich, nur wer mein Vater ist. Du machst dir schon Gedanken darüber, ob du und ich in deiner Kompatibilitäts-Matrix zusammenpassen oder nicht, bevor du überhaupt irgendetwas über mich weißt!“
„Ich gehe einfach nur praktisch an die Sache ran“, verteidigt sich Rich. „Ich möchte meine Zeit nicht verschwenden, oder deine.“
„Das ist genau der Grund, warum ich meinen Eltern nicht erlaube, Verabredungen für mich auszumachen“, sage ich und werfe die Hände in die Luft. „Wenn du nichts dagegen hast, werde ich jetzt einen Spaziergang machen. Allein.“
Er wirkt verblüfft, aber das ist mir wirklich schnuppe. Ich bin wütend auf meine Eltern, wütend auf diese ganze kleine Elitewelt, die sie für mich erschaffen haben. Es macht mich fuchsteufelswild, in dem Hamsterrad festzustecken, das sie erfunden haben.
Ich verlasse den Pfad und steuere auf das Gästehaus zu. Ich muss mich ein wenig abkühlen, ohne dass ich von meiner Mutter oder irgendwelchen der Möchtegernverehrern bedrängt werde.
Der Pfad ist zunehmend von Grünzeug überwuchert, je weiter ich laufe. Grüne Bäume erheben sich in den Himmel, als ich unsere Grundstücksgrenze erreiche. Obgleich ich auf dem Weg zum Gästehaus bin, verlangsame ich meine Schritte, als ich mich meiner Lieblingsstelle im Garten nähere.
Eine kleine Lichtung, die zur ältesten Eiche auf dem Grundstück führt. Sie ist gigantisch, ihre Äste breiten sich mindestens drei Meter in alle Richtungen aus. Vor dem Baum steht eine kleine Betonbank. Nichts Edles, nur eine gute Stelle, um seinen Gedanken nachzuhängen.
Ich laufe zu der Bank und setze mich mit einem Seufzen. Diese Bank hat schon vieles gesehen und der Baum hat im Verlauf seines Lebens sogar noch mehr gesehen.
Ich fange an, an Asher und Jameson zu denken, daran, wie lange ihre Freundschaft schon andauert. Es ist fast schon nobel, dass Jameson das, was auch immer zwischen uns hätte entstehen können, aufgegeben hat, um Asher nicht wehzutun. Ich meine, es ist nach wie vor beschissen, aber es ist beinahe verständlich.
Ich gebe mich meinen Tagträumen hin, einer Party, die nur ein Echo weit in der Ferne ist.
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