Der rätselhafte Doppelgänger - Kinder-Krimi. Kirsten Holst
gab, was er nicht konnte, dann war es, sich entspannen und Ruhe bewahren. Er tat nur immer so.
Sie schob eine Hand in ihren Beutel und fühlte das viereckige Päckchen.
Zum Teufel, was da wohl drin war?
2. Kapitel
Der Campingplatz lag mitten im einzigen Dorf der Insel. Man fuhr direkt von der Hauptstraße auf ihn zu, und er erstreckte sich ganz bis zum Strandweg, der halb um die Insel herumführte. Der Platz war umgeben von hohen, schattenspendenden Bäumen, und zum Weg hin bot eine fast undurchdringliche Dornenhecke Windschutz.
„War einst ein kleines Segelschiffchen, war einst ein kleines Segelschiffchen“, summte Louis, während er sein Schiff anschubste, „das war noch nie, nie, nie auf hoher See – BANG!“ Er gab dem Schiff einen ordentlichen Stoß, so daß es kenterte und die roten Segel unter die Wasseroberfläche tauchten.
Im gleichen Augenblick kam Manette mit einem Tablett voll schmutzigen Geschirrs aus dem Campingwagen. Vor dem Mittagessen hatte es nach Regen ausgesehen, deshalb hatten sie drinnen gegessen, aber jetzt hatte es zum Glück wieder aufgeklart. Sie sah sich traurig um. Wenn Stina und Bengt heute nicht kämen, würde es schwer sein, ihnen den Platz hier zu reservieren. Sie hatten ihn zwar bestellt, aber der Campingwart hatte gesagt, daß er den Platz nicht länger als bis heute freihalten könnte. Sie balancierte vorsichtig mit dem Tablett in den Händen die Stufen hinunter und entdeckte Louis und sein Schiff erst, als sie auf Gras trat.
„Nein, jetzt ist aber ...! Louis, was zum Teufel machst du hier, du verdammtes Dreckschwein!“
Louis hatte gerade sein Lied von vorn begonnen. Er hielt inne und schaute sie verständnislos an.
„Was ist denn?“
Lis nahm das Buch herunter. „Was ist denn los?“
„Ach, Louis, dieses alte Dreckschwein!“ begann Manette anklagend.
„Vorhin hast du gesagt, ich bin ein verdammtes Dreckschwein“, warf Louis ein.
„Halt die Klappe“, fuhr Manette ihn wütend an. „Ich habe grade das Wasser zum Abwaschen geholt, und da steckt dieses Ferkel sein dreckiges Schiff rein.“
„Das ist überhaupt nicht dreckig“, protestierte Louis hartnäckig. „Es ist funkelnagelneu.“
„Dann ist ja nichts passiert“, sagte Lis und nahm ihr Buch wieder hoch.
„Oh, Mama! Man kann doch verdammt noch mal nicht in so dreckigem Wasser abwaschen!“
„Dann kipp es weg und hol neues. Und hör auf, so zu fluchen.“
„Wieso ich? Louis ist das Schwein mit seinem blöden Dreckschiff. Ich hole doch nicht noch mal Wasser. Immer ich.“
Ihre Mutter nahm wütend das Buch wieder herunter. „Dann laß es bleiben und nimm das hier. Aber mach um Himmels willen kein Problem daraus. Ich will hier keine Probleme haben. Zu Hause habe ich verdammt noch mal genug davon.“
„Und hör auf, so zu fluchen“, äffte Manette sie halblaut nach und verdrehte die Augen.
„Außerdem bist du es gar nicht immer, die das Wasser holt. Das letzte Mal hab’ ich es geholt.“ Louis warf Manette einen wütenden Blick zu.
„Stimmt doch nicht“, ging Manette sofort darauf ein. „Du ...“
Lis schlug mit einer Hand auf ihr Buch. „Jetzt haltet ihr alle beide euren Mund. Ich will mir nicht die Ferien durch eure ewigen Streitereien verderben lassen.“
Manette blinzelte zu ihr hinüber. „So, du bist schuld, daß sie sauer ist“, zischte sie.
„Du hast angefangen“, entgegnete Louis halblaut. „Außerdem war sie schon vorher sauer.“
„Das ist sie immer an den ersten Ferientagen“, sagte Manette.
Louis warf ihr einen einschmeichelnden Blick zu. Er konnte es nicht ertragen, sich mit Manette zu streiten. „Du, das Schiff war wirklich ganz sauber. Großes Ehrenwort. Dann können wir doch einfach das Wasser benutzen, oder?“
„Na gut, machen wir’s so. Aber du hilfst mir auf jeden Fall beim Abwasch. Hier!“ Sie gab ihm ein Geschirrhandtuch. „Du kannst abtrocknen.“
„Saustark, ey! Ich bin absolut geil drauf, abzutrocknen!“
„Wer’s glaubt, wird selig!“ Manette gab ihm ein Glas.
„Aber es stimmt wirklich“, behauptete Louis, während er so wild losrieb, daß er fast das Glas dabei zerdrückte. „Es gibt kaum was Geileres, es kommt gleich nach Spinat und Mülleimer ausleeren. Das ist echt das tollste an den Ferien.“
Manette grinste. „O Mann, du darfst sicher jeden Tag abtrocknen, wenn du willst. Auch nach den Ferien. Wir brauchen ja die Geschirrspülmaschine nicht zu benutzen.“
Louis verzog sein sommersprossiges Gesicht zu einer Grimasse. „Dann wäre es nicht mehr so lustig.“
Manette schaute ihn verwundert an. „Das klingt ja, als ob du wirklich gerne abtrocknest. Ist das echt wahr? Du hast wohl ’ne Meise.“
Louis sah sie todernst an. „Auf jeden Fall geht es leichter, wenn ich sage, ich mag es, als wenn ich sage, ich mag es überhaupt nicht, auch wenn ich es nicht so gern mag, wie ich sage.“
Manette schüttelte den Kopf. „Davon habe ich jetzt kein Wort verstanden.“
Louis grinste begeistert. „Gratuliere! Ich auch nicht. Aber ich glaube, es war sauklug.“
„Ganz sicher“, stimmte Manette ihm zu. „Bestimmt.“
Louis war dabei, den letzten Teller abzutrocknen. „Wollen wir noch ’ne Runde mit dem Fahrrad drehen, wenn wir fertig sind?“
Manette zögerte. Sie war kurz davor zu sagen, daß sie keine Lust hatte, aber was sollte sie sonst tun? Es machte keinen Spaß, allein zu baden oder in der Sonne zu liegen. O verdammt, wie freute sie sich auf Stina, dann hatte sie endlich jemanden, mit dem sie was unternehmen konnte. Aber bis dahin mußte sie mit Louis vorliebnehmen.
„Können wir machen“, antwortete sie. „Aber ich denke, dein Fahrrad hat ’nen Platten?“
„Hat es auch, aber scheiß drauf. Wir fahren eben auf deinem.“
„Alle beide?“
„Klar. Ist doch auch viel lustiger.“
„Dann sitz’ ich aber hinten“, sagte Manette schnell. Sie hatte keine Lust, Louis herumzukutschieren. „Wohin wollen wir denn?“
„Zuerst nach oben und dann in den Ort“, schlug Louis vor. „Vielleicht treffen wir ja deinen Liebsten.“
„Meinen Liebsten!“ Manette starrte ihn an. „Ich soll einen Liebsten hier haben? Davon wußte ich ja gar nichts. Wen denn?“
„Anders!“
Manette grinste. „Ach, hör bloß auf. Das ist doch nicht mein Liebster.“
„Jedenfalls war er letztes Jahr ein bißchen dein Liebster.“
„Jaaa, letztes Jahr. Das war ja auch was anderes.“
„Wieso?“
„Weil ich da erst 12 war. Und jetzt bin ich 13.“
Louis sah sie fragend an. „Aber er ist doch auch älter geworden.“
„Nicht so viel wie ich.“
Louis schüttelte den Kopf. Aus Manette wurde man nicht immer richtig klug. Sicher, weil sie ein Mädchen war.
Er hatte eine freche Bemerkung auf der Zunge, aber in dem Augenblick brummte ein kleines Flugzeug über den Platz. So niedrig, daß es fast aussah, als würde es gleich die Baumwipfel berühren.
Louis winkte eifrig und rief: „Das ist Tommy! Hallo, Tommy!“
„Hör