Pizarro. Reimar Paul

Pizarro - Reimar Paul


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der Ausländer mit den meisten Einsätzen (58) und den meisten Toren (34) im DFB-Pokal

      Imageist der ausländische Spieler, der den DFB-Pokal am häufigsten (sechsmal) gewonnen hat und am häufigsten im Finale stand (achtmal)

      Claudio Pizarro – die unendliche Geschichte. Ein Märchen

      Es war einmal ein kleiner Junge, der in einem fernen Land voller grüner Berge und blauem Wasser aufwuchs. Der kleine Junge hatte einen großen Traum. Jedes Mal, wenn seine Mutter wieder sauer war, weil er zu spät vom Fußballplatz nach Hause kam, sagte er: „Mama, sei nicht böse. Ich möchte am liebsten mein ganzes Leben lang Fußball spielen.“ Für diesen Traum arbeitete der kleine Claudio unermüdlich.

      Eines Tages kam der äußerst stattliche und überaus gutaussehende Hirsch Bornie in sein Land gereist. Der Hirsch sah Claudio und war sofort überwältigt von dem außergewöhnlichen Talent des Jungen. Er sagte zu ihm: „Komm mit nach Bremen. Die Bremer sind herzensgute Menschen, sie werden dich reichlich belohnen.“ „Werde ich dort mein ganzes Leben lang Fußball spielen können?“, fragte Claudio. „Wir werden es sehen“, sagte der Hirsch.

      So flogen die beiden über tiefe Ozeane und riesige Berge, bis sie dort ankamen, wo die Weser einen großen Bogen macht, der Wind weht und vier Tiere musizieren. Dort war alles anders als in dem fernen Land mit den grünen Bergen und dem blauen Wasser. Gott sei Dank aber lernte Claudio das schlaue Scha(a)f Thomas kennen, das ihm alles beibrachte, was er über das Fußballspiel wissen musste. Und als er zum ersten Mal den grünen Rasen direkt am Fluss betrat, der frische Nordwind um seine Nase wehte und er die Gesänge der Menschen hörte, fühlte er sich plötzlich zu Hause. Wenn Claudio nun mit seiner Mutter sprach, sagte er: „Mama, hier möchte ich am liebsten mein ganzes Leben lang Fußball spielen.“

      Claudio schoss Tor um Tor, und die Menschen liebten ihn. So wäre es wohl für alle Zeiten weitergegangen, wenn da nicht der böse Drache Ulrich gewesen wäre. In einer fremden Stadt mit bizarren Bräuchen und einer merkwürdigen Sprache saß er in seinem Turm aus purem Gold. Er blickte in seinen magischen Spiegel und grunzte:

      „Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer hat den besten Stürmer im ganzen Land?“ Der Spiegel antwortete: „Herr Uli, Ihr habt den besten hier. Aber Werder mit den Flutlichttürmen in der Stadt mit den starken Stürmen hat einen tausendmal besseren als Ihr.“

      Da erschrak er, denn er wusste, dass der Spiegel keine Unwahrheit sprach. Also flog Ulrich los und suchte die Stadt der Stürme. Dort schritten das Scha(a)f, der Hirsch und Claudio gerade über den grünen Rasen, als ihnen ein lauter Schrei durch Mark und Bein ging. Vor ihnen landete der riesige Drache. Aus seinen Nasenlöchern drangen Rauchschwaden, zwischen seinen scharfen Zähnen hingen halb aufgegessene Weißwürste, und sein Atem roch nach Weißbier. Ulrich stellte einen riesigen Sack voll Gold in den Mittelkreis und öffnete ihn. „Sieh nicht dort rein“, rief das schlaue Scha(a)f noch, doch da war es schon zu spät.

      Der Glanz des Goldes hatte Claudio in den Bann gezogen, und er folgte dem bösen Drachen in die Stadt der Weißwürste. Auch dort schoss er Tor um Tor und wurde mit riesigen Trophäen belohnt, aber eines Tages wollte er mehr von der Welt sehen. Claudio zog los und strandete jenseits des stürmischen Meeres auf einer seltsamen Insel. Statt Weißbier tranken dort alle Tee. Claudio war unglücklich. Wenn er jetzt mit seiner Mutter sprach, sagte er: „Mama, hier möchte ich nicht mein ganzes Leben lang Fußball spielen.“

      Das schlaue Scha(a)f spürte in der Ferne, dass Claudio sich nicht wohl fühlte. Es lockte ihn zurück in die schöne Stadt an der Weser. Dort schoss Claudio wieder Tor um Tor, und niemand konnte sich vorstellen, dass er noch mal weggehen würde. Als der böse Drache in dem fernen Land jedoch wieder seinen magischen Spiegel befragte, erfuhr er, dass Claudio zurückgekommen war. Sofort machte sich der Drache auf den Weg zu ihm und nahm dieses Mal einen noch größeren Sack voll Gold mit. So zog er Claudio erneut in seinen Bann.

      Claudio folgte dem Drachen, aber er merkte nach einiger Zeit, dass er sein Herz in der Stadt der vier Tiere gelassen hatte. Deshalb ging er zurück und wurde von jubelnden Massen empfangen. „Der wird sein ganzes Leben lang hier Fußball spielen“, riefen die Menschen. Doch das schlaue Scha(a)f war nicht mehr da, und nicht alle meinten es gut mit Claudio, der längst kein junger Mann mehr war und nicht mehr so viele Tore schoss wie früher. „Such dir einen anderen Platz, alter Torjäger. Hier kann man dich nicht mehr brauchen“, bekam er zu hören. Claudio war traurig. „Aber ich möchte doch mein ganzes Leben lang Fußball spielen“, dachte er.

      Claudio verließ Bremen und traf am Wegesrand einen alten Geißbock mit zerzaustem Fell, der seine besten Jahre hinter sich hatte. Der Geißbock flüsterte ihm zu, dass es eine Stadt gebe, in der er weiter Fußball spielen könne. „Dort sind alle närrisch und lustig und tragen witzige Kostüme“, erzählte er. Die Kostüme und die Feiern gefielen Claudio auch nur zu gut, doch richtig heimisch wurde er in der Stadt mit den großen Türmen nicht. „Hier möchte ich nicht mein ganzes Leben lang Fußball spielen“, sagte er zu seiner Mutter.

      Claudio haderte mit dem Schicksal. „Mama, meinst du, ich kann vielleicht gar nicht mein ganzes Leben lang Fußball spielen?“, fragte er. Seine Mutter wusste keine Antwort. Da stand plötzlich der schlaue Fuchs Frank vor der Tür. Er bat Claudio, doch noch einmal zurück in die Stadt der vier Tiere zu kommen. „Die Menschen warten auf dich“, sagte der Fuchs. Aber Claudio zweifelte. „Bin ich nicht schon zu alt?“, fragteer.

      Da offenbarte der Fuchs seinen listigen Plan und sagte: „Komm nach Bremen! Bei uns auf dem Domshof gibt es einen Jungbrunnen. Wenn du zu jedem vollen Monde daraus trinkst, wirst du bis in alle Ewigkeit Fußball spielen können.“ Claudio war glücklich und sagte: „Mama, jetzt werde ich mein ganzes Leben lang Fußball spielen.“ Er lächelte, und die Menschen lächelten mit.

      (Vanessa Just und Christoph Bähr, Redaktion „Mein Werder“) Image

      KAPITEL 1 „Legenden brauchen keine Noten“

      Weserstadion, 18. Mai 2019, kurz vor halb vier. Am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison tritt der SV Werder gegen RB Leipzig an. Bei einem Sieg können sich die Bremer noch für die Europa League qualifizieren, sofern 1899 Hoffenheim und der VfL Wolfsburg ihre gleichzeitig ausgetragenen Partien verlieren.

      Das Stadion ist natürlich komplett ausverkauft, die Stimmung bestens, die Sonne scheint bei 23 Grad. Vor wenigen Minuten ist Kapitän Max Kruse nach drei Jahren im Werder-Trikot verabschiedet worden, mit Blumen, freundlichem Applaus und auch ein paar Pfiffen. Kruse, bester Torschütze und Vorlagengeber der laufenden Spielzeit und Mannschaftskapitän, wird von den meisten Fans geschätzt, aber nicht unbedingt geliebt. Der von ihm mit betriebene, sich über Wochen hinziehende Vertragspoker hat ihn Sympathien gekostet.

      Kurz vor dem Anpfiff, gerade ist die Startaufstellung der Gastgeber bekanntgegeben worden, unterbricht der Stadionsprecher mit einer „frohen Botschaft unserer Nummer 4“ das Programm auf der Videowand. Es erscheint dort das Gesicht von Claudio Pizarro. „Wir werden noch ein Jahr weiter machen“, verkündet er, doch das ist in dem einsetzenden Jubel schon gar nicht mehr richtig zu verstehen. Zuschauer liegen sich in den Armen, viele fangen an zu singen. „Pi-za-rro oho, Pi-za-rro ohohoho!“ Ein Gänsehautmoment mit Ansage, perfekt kalkuliert und inszeniert von den Werder-Verantwortlichen. Und nicht so schnell zu vergessen für diejenigen, die dabei waren.

      Die Mannschaft will von all dem übrigens nichts mitgekriegt haben. Als die Videobotschaft läuft, hält Coach Florian Kohfeldt gerade seine Kabinenansprache. Auch Pizarro lauscht den Worten des Trainers. „Ich habe gar nicht mitbekommen, was draußen im Stadion passiert ist“, sagt er nach dem Spiel. „Ich wusste auch gar nicht, dass meine Videobotschaft gezeigt wurde.“

      Dass Claudio, eine viertel Stunde zuvor für Yuya Osako eingewechselt, in der 88. Minute den Siegtreffer zum 2:1 erzielt, veredelt den denkwürdigen Tag. Auch wenn der VfL Wolfsburg sein Heimspiel hoch


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