Das Dekameron. Джованни Боккаччо

Das Dekameron - Джованни Боккаччо


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erscheinen kann, zu den Schicksalen und Handlungen der Menschen herniederzusteigen, so will ich euch diese Geschichte erzählen, die euch vielleicht lehren wird, vorsichtiger zu sein, wenn ihr auf vorgelegte Fragen zu antworten habt. Ihr müßt nämlich wissen, daß, wie die Torheit gar manchen aus seiner glücklichen Lage reißt und in tiefes Elend stürzt, so den Weisen seine Klugheit aus großer Gefahr errettet und ihm vollkommene Ruhe und Sicherheit gewährt. Wie der Unverstand oft vom Glück zum Elend führt, zeigen viele Beispiele, die wir gegenwärtig nicht zu erzählen gesonnen sind, weil deren täglich sich unter unseren Augen zutragen. Wie aber die Klugheit helfen kann, werde ich euch, meinem Versprechen gemäß, in dem folgenden kurzen Geschichtlein zeigen.

      Saladin, dessen Trefflichkeit so groß war, daß sie ihn nicht nur von einem geringen Manne zum Sultan von Babylon erhob, sondern ihm auch vielfach Siege über sarazenische und christliche Fürsten gewährte, hatte in zahlreichen Kriegen und in großartigem Aufwand seinen ganzen Schatz geleert und wußte nun, da neue und unerwartete Bedürfnisse wieder eine große Geldsumme erheischten, nicht, wo er sie so schnell, wie er ihrer bedurfte, auftreiben sollte. Da erinnerte er sich eines reichen Juden namens Melchisedech, der in Alexandrien auf Wucher lieh und nach Saladins Dafürhalten wohl imstande gewesen wäre, ihm zu helfen, aber so geizig war, daß er es aus freien Stücken nie getan hätte. Gewalt wollte Saladin nicht gebrauchen; aber das Bedürfnis war dringend, und es stand bei ihm fest, auf die eine oder andere Art sollte der Jude ihm helfen. So sann er denn nur auf einen Vorwand, ihn unter einigem Scheine von Recht zwingen zu können.

      Endlich ließ er ihn rufen, empfing ihn auf das freundlichste, hieß ihn neben sich sitzen und sprach alsdann: „Mein Freund, ich habe schon von vielen gehört, du seiest weise und habest besonders in göttlichen Dingen tiefe Einsicht. Darum wüßte ich gern von dir, welches unter den drei Gesetzen du für das wahre hältst, das jüdische, das sarazenische oder das christliche.“ Der Jude war in der Tat ein weiser Mann und erkannte wohl, daß Saladin ihm solcherlei Fragen nur vorlegte, um ihn in seinen eigenen Worten zu fangen. Auch sah er, daß, welches von diesen Gesetzen er auch vor den andern loben möchte, Saladin immer seinen Zweck erreichte. So bot er denn schnell seinen ganzen Scharfsinn auf, um eine unverfängliche Antwort, wie sie ihm not tat, zu finden. Schon fiel ihm auch ein, wie er sprechen mußte, und er sagte:

      „Mein Gebieter, die Frage, die Ihr mir vorlegt, ist schön und tiefsinnig. Soll ich aber meine Meinung darüber sagen, so muß ich Euch eine kleine Geschichte erzählen, die Ihr sogleich vernehmen sollt. Ich erinnere mich, oftmals gehört zu haben, daß vor Zeiten ein reicher und vornehmer Mann lebte, der vor allen anderen auserlesenen Juwelen, die er in seinem Schatz verwahrte, einen wunderschönen und kostbaren Ring wert hielt. Um diesen seinem Werte und seiner Schönheit nach zu ehren und ihn auf immer im Besitz seiner Nachkommen zu erhalten, ordnete er an, daß derjenige unter seinen Söhnen, der den Ring, als ihm vom Vater übergeben, vorzeigen könnte, für seinen Erben gelten und vor allen anderen als der vornehmste geehrt werden sollte. Der erste Empfänger des Ringes traf unter seinen Kindern eine ähnliche Verfügung und verfuhr dabei wie sein Vorfahre. Kurz, der Ring ging von Hand zu Hand auf viele Nachkommen über. Endlich aber kam er in den Besitz eines Mannes, der drei Söhne hatte, die sämtlich schön, tugendhaft und ihrem Vater unbedingt gehorsam waren, daher auch gleich zärtlich von ihm geliebt wurden. Die Jünglinge wußten, welche Bewandtnis es mit dem Ringe hatte, und da ein jeder der Geehrteste unter den Seinigen zu werden wünschte, baten alle drei einzeln den Vater, der schon alt war, inständig um das Geschenk des Ringes. Der gute Mann liebte sie alle gleichmäßig und wußte selber keine Wahl unter ihnen zu treffen. So versprach er denn den Ring einem jeden und sann über ein Mittel nach, um alle zu befriedigen. Zu diesem Ende ließ er heimlich von einem geschickten Meister zwei andere Ringe fertigen, die dem ersten so ähnlich waren, daß er selbst, der doch den Auftrag gegeben hatte, den rechten kaum zu erkennen wußte. Als er auf dem Totenbette lag, gab er heimlich jedem der Söhne einen von den Ringen. Nach des Vaters Tod nahm ein jeder Erbschaft und Vorrang für sich in Anspruch, und da einer dem andern das Recht dazu bestritt, zeigte jeder, um seine Forderung zu begründen, den Ring vor, den er erhalten hatte. Da sich nun ergab, daß die Ringe einander so ähnlich waren, daß niemand erkennen konnte, welcher der echte sei, blieb die Frage, welcher von ihnen des Vaters echter Erbe sei, unentschieden, und bleibt es noch heute.

      So sage ich Euch denn, mein Gebieter, auch von den drei Gesetzen, die Gottvater den drei Völkern gegeben und über die Ihr mich befraget. Jedes der Völker glaubt seine Erbschaft, sein wahres Gesetz und seine Gebote zu haben, damit es sie befolge. Wer es aber wirklich hat, darüber ist, wie über die Ringe, die Frage noch unentschieden.“

      Als Saladin erkannte, wie geschickt der Jude den Schlingen entgangen war, die er ihm in den Weg gelegt hatte, beschloß er, ihm seine Not geradewegs zu entdecken. Dabei verschwieg er ihm nicht, was er im Sinne getragen, wenn jener ihm nicht mit soviel Geistesgegenwart geantwortet hätte. Der Jude diente ihm nun bereitwillig mit jeder Summe, die er verlangte, und Saladin erstattete ihm nicht nur das Darlehen vollständig zurück, sondern überhäufte ihn auch mit Geschenken und behielt ihn immerdar als Freund unter denen, die ihm am nächsten standen.

      VIERTE GESCHICHTE

      Ein Mönch befreit sich von einer schweren Strafe, die er verwirkt hat, indem er seinem Abte dasselbe Vergehen auf geschickte Weise vorhält.

      Kaum war Filomena am Ende ihrer Geschichte angelangt und schwieg, als Dioneo, der neben ihr saß, erkannte, daß die Reihe, der begonnenen Ordnung gemäß, jetzt an ihm sei. Darum begann er, ohne einen besonderen Befehl der Königin abzuwarten, also:

      Holdselige Damen! Habe ich eure gemeinsame Absicht richtig verstanden, so sind wir hier, um einander wechselseitig durch Erzählungen zu ergötzen. Darum denke ich, solange jenem Zwecke nicht zuwidergehandelt wird, wie auch unsere Königin zuvor ausdrücklich betont hat, muß es einem jeden erlaubt sein, zu erzählen, was seiner Meinung nach am meisten Vergnügen machen wird. Wir haben schon gehört, wie die guten Ermahnungen des Jeannot von Sevigné dem Abraham zur Seligkeit verhalfen und wie Melchisedech durch Geistesgegenwart seine Reichtümer vor den Nachstellungen Saladins rettete, und so hoffe ich, ihr werdet mich nicht tadeln, wenn ich euch mit wenigen Worten erzähle, auf wie schlaue Weise ein Mönch sich von schwerer Strafe befreite.

      In der Lunigiana, einer nicht weit von hier gelegenen Landschaft, besaß ein Kloster vorzeiten größere Heiligkeit und mehr Mönche, als dies heute der Fall ist. Hier lebte unter anderm ein junger Mönch, dessen Männlichkeit und Jugendfrische weder Nachtwachen noch Fasten zu bändigen vermochten. Als dieser eines Tages um die Mittagszeit, wo alle andern Mönche schliefen, bei der Kirche, die gar einsam gelegen war, umherging, trafen seine Augen auf eine ganz hübsche Bauerndirne, die einem der Landarbeiter zugehören mochte und jetzt auf den Feldern Kräuter sammeln ging. Kaum hatte er sie gesehen, als die Lüsternheit ihm gewaltig zusetzte. Er machte sich an sie heran, begann mit ihr zu plaudern, ein Wort gab das andere, bis sie endlich einig wurden und er sie, ohne von jemand bemerkt zu werden, auf seine Zelle führte. Während er nun, von allzu großer Lust hingerissen, etwas unvorsichtig mit ihr scherzte, geschah es, daß der Abt, der inzwischen aufgestanden war und leise an der Zelle unseres Mönchs vorüberging, das Geflüster dieser beiden vernahm. Um die Stimmen besser zu unterscheiden, näherte er sich behutsam der Zellentür, und als er nun deutlich erkannte, daß ein Weib drinnen sei, war er im Begriff, Einlaß zu fordern. Dann beschloß er aber, es anders damit zu halten, und kehrte in sein Gemach zurück, um dort zu warten, bis der Mönch herauskäme.

      Obgleich dieser inzwischen in dem Genusse des Mädchens das höchste Behagen gefunden, hatte ihn doch die Angst niemals verlassen, und da es ihm so vorgekommen war, als hörte er vom Schlafsaal her Tritte, so legte er das Auge an eine kleine Öffnung in der Tür und sah deutlich den Abt dastehen und ihn belauschen. Er begriff nun leicht, der Abt werde innegeworden sein, daß er das Mädchen bei sich habe, und da die schwere Strafe, die darauf stand, ihm nicht unbekannt war, wurde er sehr betrübt. Ohne indes dem Mädchen seine Besorgnisse zu zeigen, dachte er schnell hin und wider, ob sich nicht irgendein Rettungsmittel finden ließe, und in der Tat fiel ihm eine wohlersonnene List ein, die sicher zum gewünschten Ziel zu führen versprach. Er tat nämlich, als habe er sich zur Genüge an dem Mädchen ergötzt, und sagte zu ihm: „Ich gehe, um auszukundschaften, wie ich dich ungesehen herausschaffen kann. Halte dich also ruhig,


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