Das Dekameron. Джованни Боккаччо
und sagte, als alle aufmerkten und die Diener der drei jungen Männer nebst den vier Dienerinnen der Mädchen auf ihren Befehl erschienen waren: „Um euch allen zum Anfang eine Probe zu geben, auf welchem Wege wir, vom Guten zum Besseren fortschreitend, unsere Gesellschaft in Anstand und Vergnügen, und ohne daß unser guter Ruf darunter leidet, so lange aufrechterhalten können, wie es uns gefallen wird, ernenne ich zuerst Parmeno, den Diener des Dioneo, zu meinem Seneschall; ihm übertrage ich Sorge und Aufsicht über die ganze Dienerschaft, über Küche und Keller. Sirisco, des Panfilo Diener, sei unter des Parmeno Oberbefehl unser Rechnungsführer und Schatzmeister. Tindaro mag Filostrato, seinem Herrn, und den beiden anderen Männern in ihren Gemächern aufwarten, wenn deren Diener durch ihre neuen Pflichten daran gehindert sind. Meine Misia und Filomenas Licisca können ausschließlich den Küchendienst besorgen und die Speisen sorgfältig bereiten, wie Parmeno es ihnen auftragen wird. Laurettas Chimera und Fiammettas Stratilia bleibe es überlassen, die Zimmer von uns Mädchen in Ordnung zu halten und für die Sauberkeit der Gesellschaftszimmer Sorge zu tragen. Alle insgemein aber sollen sich auf unseren ausdrücklichen Befehl, wenn ihnen unsere Gnade lieb ist, wohl in acht nehmen, uns andere als gute Nachrichten von draußen zu bringen.“
Kaum hatte Pampinea diese Befehle, die allgemeinen Beifall fanden, kurz und bündig erteilt, als sie munter aufstand und sagte: „Hier gibt es Gärten und frische Wiesen, hier sind anmutige Plätze in Menge. So möge denn ein jeder nach Gefallen lustwandeln gehen, sich aber wieder hier einfinden, wenn die dritte Morgenstunde schlägt, damit wir noch im Kühlen speisen können.“
So gingen denn die jungen Männer, nachdem die neue Königin solcherart die muntere Gesellschaft beurlaubt hatte, in ergötzlichen Gesprächen mit den schönen Mädchen langsamen Schrittes im Garten einher, wanden sich bunte Kränze aus mancherlei Blumen und sangen Liebeslieder. Als die Zeit verstrichen war, welche die Königin ihnen gewährt hatte, kehrten sie zum Hause zurück und fanden, daß Parmeno sein Amt voll Eifer angetreten hatte. In einem Saal des Erdgeschosses waren die Tafeln mit schneeweißem Linnen gedeckt, Trinkgläser, die wie Silber blinkten, standen umher, und alles war mit Ginsterblüten zierlich geschmückt. Das Wasser zum Händewaschen ward auf Befehl der Königin herumgereicht, und dann setzten sich alle in der von Parmeno bestimmten Ordnung. Leckere Speisen wurden aufgetragen und der Tisch mit köstlichen Weinen besetzt, worauf die drei Diener, ohne viel Worte zu verlieren, den Tafeldienst versahen. Die gute Zubereitung und Anordnung der Mahlzeit erheiterte jeden, gefällige Scherze und gemeinsame Heiterkeit würzten die Gerichte.
Die Mädchen und nicht minder die jungen Männer verstanden sich sämtlich auf den Reigentanz. Einige unter ihnen aber besaßen besondere Geschicklichkeit in Spiel und Gesang. Darum ließ die Königin, als die Tische abgeräumt waren, Musikinstrumente herbeibringen, und Dioneo nahm auf ihren Befehl die Laute, Fiammetta eine Geige, und sie begannen, anmutig miteinander einen Tanz zu spielen. Die Königin schickte die Diener zum Essen und tanzte dann mit den anderen Damen und den zwei jungen Männern nach dieser Musik langsamen Schrittes einen Reigen. Dem Tanz folgten anmutige, muntere Lieder. In dieser Art abwechselnd, vergnügte sich die Gesellschaft so lange, bis die Königin glaubte, es sei Zeit zur Mittagsruhe. Darauf entließ sie alle. Die Jünglinge fanden ihre Zimmer von denen der Mädchen getrennt. Dort standen feingedeckte Betten, und alles war mit Blumen bestreut, wie im Speisesaal, und ebenso war es in den Gemächern der Damen. So entkleideten sich denn alle und legten sich schlafen.
Die dritte Nachmittagsstunde hatte noch nicht lange geschlagen, als die Königin aufstand und die anderen Damen, desgleichen die jungen Männer wecken ließ, weil das lange Schlafen bei Tage, wie sie versicherte, der Gesundheit nachteilig wäre. Als alle beieinander waren, suchten sie sich einen Rasenplatz aus, der gar hohes und frisches Gras hatte, der Sonne unzugänglich war und von einer sanften Brise gekühlt wurde. Hier setzten sie sich nach der Königin Geheiß auf dem Rasen in die Runde, und sie begann zu sprechen: „Ihr seht, die Sonne steht noch hoch, die Hitze ist drückend, und nur das Zirpen der Grillen von den Olivenbäumen her unterbricht die schwüle Stille. So wäre es denn offenbare Torheit, jetzt ausgehen zu wollen. Hier ist es, wie ihr seht, kühl und angenehm zu weilen, auch sind Brett- und Schachspiele zur Hand, und jeder kann hier seinem Vergnügen, wie es ihm am besten dünkt, nachgehen. Wolltet ihr jedoch in diesem Punkte meinem Rate folgen, so vertrieben wir uns diese heißen Tagesstunden nicht mit Spielen, wobei der eine Teil verdrießlich wird, ohne dem anderen oder dem Zuschauer besonderes Vergnügen zu gewähren, sondern mit Geschichtenerzählen, da, wenn deren einer erzählt, die ganze Gesellschaft, die ihm zuhört, sich daran ergötzen kann. Noch ehe wir alle an die Reihe gekommen sein werden, eine Geschichte zu erzählen, wird die Sonne sich geneigt und die Hitze nachgelassen haben, und dann können wir lustwandeln gehen, wohin es uns gefällt. Seid ihr nun mit dem zufrieden, was ich euch vorgeschlagen habe, so wollen wir danach tun; doch will ich hierin ganz eurer Meinung folgen. Gefällt euch also mein Vorschlag nicht, so mag jeder bis zum Abend tun, was ihm gefällt.“ Mädchen und Männer erklärten sich einstimmig für das Erzählen. „Nun wohl“, sagte die Königin, „da ihr denn wollt, möge für diesen ersten Tag jeder eine Geschichte von beliebigem Inhalt erzählen.“ Darauf wandte sie sich zu Panfilo, der zu ihrer Rechten saß, und forderte ihn freundlich auf, mit einer Geschichte aus seinem Vorrat den Anfang zu machen. Kaum hatte er den Befehl vernommen, so hob Panfilo, während alle aufmerkten, also zu reden an:
ERSTE GESCHICHTE
Herr Chapelet täuscht einen frommen Pater durch eine falsche Beichte und stirbt. Trotz des schlechten Lebenswandels, den er geführt, kommt er nach seinem Tode in den Ruf der Heiligkeit und wird Sankt Chapelet genannt.
Es ziemt sich, ihr liebwerten Damen, ein jedes Ding, das der Mensch unternimmt, mit dem heiligen und wunderbaren Namen dessen zu beginnen, der alle Dinge geschaffen hat. Darum denke ich denn, der ich als erster bei unseren Erzählungen den Anfang machen soll, mit einer jener wunderbaren Fügungen zu beginnen, deren Kunde unser Vertrauen auf ihn als den Unwandelbaren bestärken und uns lehren wird, seinen Namen immerdar zu preisen. Es ist offenbar, daß die weltlichen Dinge insgesamt vergänglich und sterblich sowie nach innen und nach außen reich an Leiden, Qual und Mühe sind und unzähligen Gefahren unterliegen, welchen wir, die wir mitten unter ihnen leben und selbst ein Teil von ihnen sind, weder widerstehen noch uns ihrer erwehren könnten, wenn uns Gottes besondere Gnade nicht die nötige Kraft und Fürsorge verliehe. Was diese Gnade anbetrifft, so haben wir uns keineswegs einzubilden, daß sie um irgendeines Verdienstes willen, das wir hätten, über uns komme, vielmehr geht sie nur von seiner eigenen Huld aus und wird den Bitten derer gewährt, die einst wie wir sterblich waren, jetzt aber, weil sie während ihres Erdenwallens seinem Willen folgten, mit ihm im Himmel der ewigen Seligkeit teilhaftig sind. An sie, als an Fürsprecher, die unsere Schwäche und Gebrechlichkeit aus eigener Erfahrung kennen, richten wir vor allem jene Bitten, die wir vielleicht nicht wagten, unserem höchsten Richter gegenüber laut werden zu lassen. Um so überschwenglichere Gnade haben wir aber in ihm zu erkennen, wenn wir, deren sterbliches Auge auf keine Weise in das Geheimnis des göttlichen Willens eindringen kann, durch falschen Wahn betrogen, einen zu unserem Fürsprecher vor der Majestät Gottes erwählen, den er von seinem Angesicht verbannt hat, und wenn er, vor dem nichts verborgen ist, dessen ungeachtet mehr auf die reine Gesinnung des Bittenden als auf dessen Unwissenheit oder auf des Angerufenen Verdammung sieht und das Gebet ebenso erhört, als ob der vermeintliche Fürsprecher die Seligkeit, ihn zu schauen, genösse. Daß es sich so verhält, wird aus der Geschichte offenbar werden, die ich euch erzählen will. Offenbar nach menschlichem Dafürhalten, sage ich, da Gottes Ratschlüsse uns verborgen bleiben.
Es wird nämlich berichtet, daß Musciatto Franzesi, als er von einem reichen und angesehenen Kaufherrn zum Edelmanne geworden war und nun mit dem Bruder des Königs von Frankreich, dem vom Papst Bonifaz herbeigerufenen und unterstützten Karl ohne Land, nach Toskana ziehen sollte, sich entschloß, seine Geschäfte, welche, wie es bei Kaufleuten der Fall zu sein pflegt, äußerst verwickelt waren, mehreren Bevollmächtigten zu übertragen. Für alles fand er Rat, nur blieb ungewiß, wo er jemanden auftreiben wollte, der geschickt wäre, jene Schulden einzutreiben, die er bei einigen Burgundern ausstehen hatte. Der Grund seines Bedenkens lag darin, daß ihm wohlbekannt war, was für ein wortbrüchiges, händelsüchtiges und abscheuliches Volk die Burgunder sind, und daß er sich auf niemand besinnen konnte, der abgefeimt genug gewesen wäre, um ihrer Bösartigkeit