Das Dekameron. Джованни Боккаччо

Das Dekameron - Джованни Боккаччо


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viel zu spaßen sei, solch einen gewaltigen schwarzen Bart hatte er herunterhängen. Dabei gähnte er und rieb sich die Augen, als ob er aus dem Bett und von tiefem Schlafe aufgestanden wäre. Darum antwortete er nicht ohne Furcht: „Ich bin ein Bruder der Dame, die hier drinnen wohnt.“ Jener aber wartete nicht ab, daß Andreuccio seine Antwort vollendete, sondern rief noch viel grimmiger als zuvor: „Ich weiß nicht, was mich abhält, hinunterzukommen und dich widerwärtigen, besoffenen Esel, der du sein mußt, weil du uns diese Nacht nicht schlafen läßt, so lange durchzuprügeln, als du noch ein Glied rühren kannst.“ Mit diesen Worten drehte er sich herum und schlug das Fenster zu. Ein paar Nachbarn, die über diesen Menschen besser Bescheid wußten, sagten nun ganz freundlich: „Um Himmels willen, guter Freund, geh mit Gott und laß dich hier nicht totschlagen; es ist zu deinem Besten, wenn du gehst.“

      War Andreuccio zuerst über die Stimme und den Anblick des Menschen erschrocken, so bewog ihn jetzt das Zureden dieser Leute, die nur aus Mitleid so zu sprechen schienen, noch mehr, und verdrießlich, wie nur ein Mensch sein kann, und außer sich über das verlorene Geld ging er nach der Richtung, von wo er, ohne zu wissen wohin, am Abend zuvor der Kleinen gefolgt war, um sein Wirtshaus wiederzufinden. Weil ihm aber selbst der Gestank, der von ihm ausging, unerträglich war, bog er in der Absicht, sich dem Meer zuzuwenden und dort zu baden, links in eine Straße ein, die Ruga Catalana genannt wird. Während er so dem unteren Teil der Stadt zustrebte, sah er in einiger Entfernung zwei Männer, die eine Laterne trugen und ihm entgegenkamen. In der Meinung, daß es Häscher oder Leute sein könnten, die Böses im Schilde führten, verbarg er sich vor ihnen in einem verfallenen Hause, das in der Nähe stand. Jene aber folgten ihm, als ob sie gerade in dieses Gebäude bestellt gewesen wären, auf dem Fuße. Hier legte der eine von ihnen, der allerhand eiserne Werkzeuge auf der Schulter getragen hatte, diese nieder und fing an, sie mit dem andern zu besehen und mancherlei darüber zu sprechen.

      Während sie noch so redeten, sagte der eine: „Weiß der Teufel, was das bedeutet. Ich rieche den abscheulichstenGestank, der mir in meinem Leben vorgekommen ist.“ Bei diesen Worten hob er die Laterne ein wenig in die Höhe, und da sahen sie denn beide den armen Andreuccio und riefen ganz erstaunt: „Wer da?“ Andreuccio schwieg, sie aber hielten ihm das Licht näher ans Gesicht und fragten, was er, so schmutzig wie er sei, da mache. Andreuccio erzählte ihnen nun alles, was ihm begegnet war, und sie errieten leicht, wo es ihm so gegangen sein mußte. „Das ist gewiß bei Scarabone Buttafuoco geschehen“, sagten sie zueinander. Darauf sagte der eine zu Andreuccio: „Guter Freund, wenn du auch dein Geld verloren hast, so kannst du Gott doch nicht genug dafür danken, daß du den Fall getan hast und nicht wieder in das Haus hineinkommen konntest; denn sei überzeugt: wenn du nicht gefallen wärest, hätte man dich umgebracht, sobald du eingeschlafen warst, und dann hättest du Geld und Leben zusammen eingebüßt. Was hilft es dir aber jetzt, darüber zu weinen? Ebenso leicht kannst du dir die Sterne vom Himmel herunterholen, wie einen Kreuzer von dem Geld zurückgewinnen. Totgeschlagen aber kannst du werden, wenn er hört, daß du jemand ein Wort davon sagst.“ Nach diesen Worten besprachen sie sich eine Weile miteinander und sagten dann zu ihm: „Weißt du was, du dauerst uns, und willst du uns bei einer Sache helfen, die wir eben vorhaben, so glauben wir bestimmt, daß dein Anteil größer sein wird als das, was du eben eingebüßt hast.“ Andreuccio antwortete in der Verzweiflung, er sei zu allem bereit.

      Nun war an eben jenem Tage der Erzbischof von Neapel, der Filippo Minutolo geheißen hatte, mit kostbaren Kleinodien geschmückt und mit einem Rubin am Finger, der über fünfhundert Goldgulden wert war, begraben worden. Diese Leiche wollten jene berauben und teilten jetzt ihre Absicht dem Andreuccio mit. Andreuccio machte sich, mehr der Gewinnsucht als der Vernunft gehorchend, mit auf den Weg. Während sie aber die Richtung nach dem Dom einschlugen, sagte der eine, dem der Gestank zu arg wurde, welchen Andreuccio verbreitete: „Können wir denn nicht Rat schaffen, daß er sich irgendwo ein wenig wäscht und nicht mehr so schrecklich stinkt?“ Darauf sagte der andre: „Wir sind hier dicht bei einem Brunnen, an dem gewöhnlich eine Rolle und ein großer Eimer zu hängen pflegen. Da können wir hingehen und ihn waschen.“ Als sie zu dem Brunnen kamen, fanden sie zwar den Strick, aber der Eimer war weggenommen. Da beschlossen sie denn, ihn an den Strick zu binden und in den Brunnen hinunterzulassen. Unten sollte er sich waschen und, wenn er fertig wäre, den Strick schütteln, damit sie ihn wieder heraufzögen. So taten sie auch wirklich. Als sie ihn aber kaum in den Brunnen hinuntergelassen hatten, kamen von ungefähr ein paar Häscher an jenen Brunnen. Sie waren jemand bei der großen Hitze nachgelaufen, hatten Durst bekommen und wollten trinken. Sobald Andreuccios neue Gesellen diese erblickten, liefen sie sogleich davon, ohne daß die Häscher sie gesehen hätten. Inzwischen hatte sich Andreuccio gewaschen und zog an dem Strick. Jene aber legten ihre Schilde, Waffen und Röcke ab und begannen den Strick emporzuwinden, in der Meinung, daß der volle Eimer daran befestigt sei. Als Andreuccio dem Brunnenrande nahe war, ließ er den Strick los und faßte jenen mit beiden Händen. Die Häscher aber erschraken darüber so sehr, daß sie, ohne ein Wort zu sagen, den Strick fahren ließen und davonliefen, so schnell sie nur konnten. Andreuccio wußte sich das nicht zu erklären, und hätte er sich nicht so festgehalten, so wäre er gewiß hinuntergestürzt und hätte sich vermutlich stark beschädigt, wenn er überhaupt mit dem Leben davongekommen wäre. So aber kletterte er heraus und erstaunte noch mehr, als er die Waffen sah, die, wie er genau wußte, nicht seinen Gefährten gehörten.

      Voller Zweifel und Ungewißheit schalt er auf sein Schicksal und beschloß, ohne daß er von den Sachen etwas angerührt hätte, den Ort zu verlassen, obgleich er nicht wußte, wohin er gehen sollte. Unterwegs begegneten ihm indes die beiden Gesellen, die eben zurückkamen, um ihn aus dem Brunnen zu ziehen, und ihn nun, als sie seiner ansichtig wurden, verwundert fragten, wie er herausgekommen sei. Andreuccio sagte, er wisse es selbst nicht, und erzählte ihnen der Reihe nach, was sich zugetragen und was er außerhalb des Brunnens gefunden hatte. Dadurch errieten jene lachend den Zusammenhang der Sache und sagten ihm, warum sie geflohen wären, und wer ihn heraufgezogen hätte.

      Da die Mitternacht inzwischen herangekommen war, gingen sie, ohne sich mit weiteren Reden aufzuhalten, geradewegs zum Dom, öffneten mit geringer Mühe die Türen und gingen zu dem großen marmornen Denkmal. Dort angelangt, hoben sie den Deckel desselben, so schwer er war, mit ihren Brecheisen weit genug in die Höhe, daß ein Mann hineinkriechen konnte, und stützten ihn sodann auf einen eisernen Pflock. Darauf sagte der eine: „Wer soll denn nun aber hineinsteigen?“ „Ich nicht“, entgegnete der andre. „Ich mag auch nicht“, sagte der erste, „Andreuccio kann ja hineinkriechen.“ „Das werde ich wohl bleiben lassen“, bemerkte dieser. „Wie“, antworteten die beiden, „du hast keine Lust hineinzugehen? Wahrhaftig, du sollst hinein, oder wir werden dir mit einer von diesen Eisenstangen so viel auf den Kopf geben, daß du tot liegen bleibst.“ Andreuccio mußte nun aus lauter Furcht wohl oder übel hineinkriechen. Als er aber drinnen war, dachte er bei sich selbst: die haben mich hineingeschickt, um mich zu betrügen. Sobald ich ihnen alles hinausgegeben habe, werden sie hingehen, wohin sie Lust haben, während ich mühsam wieder aus dem Sarge krieche. So beschloß er denn, im voraus für sich selbst zu sorgen, und dachte dabei an den kostbaren Ring, von dem er reden gehört hatte. Diesen also zog er der Leiche des Erzbischofs, sowie er sie erreicht hatte, vom Finger und steckte ihn sich selbst an. Dann gab er jenen Bischofsstab, Mütze und Handschuhe, entkleidete die Leiche bis aufs Hemd, reichte ihnen alles hinaus und sagte, weiter sei nichts da. Die andern versicherten, der Ring müsse da sein, und hießen ihn überall suchen, er aber gab vor, ihn nicht zu finden, stellte sich, als suche er ihn, und hielt sie eine Weile hin. Jene aber, die draußen geblieben, waren ebenso schlau wie er, ermunterten ihn ferner zu suchen und zogen zu gelegener Zeit den Pflock weg, der den Deckel emporhielt. Dann entflohen sie, während Andreuccio im Grabmal eingeschlossen blieb.

      Wie ihm dabei zumute wurde, kann sich jeder denken. Zwar versuchte er wiederholt, den Deckel mit Kopf und Schultern emporzuheben, doch war alle Mühe umsonst, und er fiel endlich, vom Schmerze übermannt, ohnmächtig auf den toten Körper des Erzbischofs nieder. Es wäre in diesem Augenblick schwer zu entscheiden gewesen, wer mehr tot war, der Erzbischof oder er. Als er aber wieder zu sich kam, begann er bitterlich zu weinen. Es leuchtete ihm ein, daß es für ihn nur zwei Aussichten gab: entweder kam niemand, um das Grabmal zu öffnen, und dann mußte er vor Hunger und Gestank mitten unter den Würmern jener Leiche sterben, oder es kam jemand, und dann wurde er als Dieb gehangen.


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