Leichen bluten nicht - Roland Benito-Krimi 6. Inger Gammelgaard Madsen

Leichen bluten nicht - Roland Benito-Krimi 6 - Inger Gammelgaard Madsen


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Inger G. Madsen

      Kolofon

      Leichen bluten nicht

      Aus dem Dänischen von Kirsten Krause

      Originaltitel: Lig bløder ikke

      © 2013 Forlaget Farfalla

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711668580

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: Epub 3.0

      SAGA Egmont www.saga-books.com

      - a part of Egmont, www.egmont.com

      Leichen bluten nicht

      Rolando Benito wird eines warmen Sommermorgens zum Westfriedhof gerufen. Ihm bietet sich da ein schaurig bizarres Bild. Eines der Gräber wurde über Nacht geöffnet und der Grabräuber liegt tot auf dem Sarg. Dieser ist jedoch leer. Benito startet Nachforschungen über den jungen Mann, der bei einem Motorradunfall ums Leben kam und nun aus seinem Grab verschwunden ist.

      Zeitgleich macht ihm und seinem Team ein anderer Fall zu Schaffen. Jemand vergewaltigt und tötet junge Mädchen in Aarhus.

      „Leichen bluten nicht“ ist der 6. Band der Krimireihe um den italienischstämmigen Ermittler Rolando Benito und der Journalistin Anne Larsen.

      Inger Gammelgaard Madsen

      Inger Gammelgaard Madsen arbeitete lange Zeit als Grafikdesignerin in verschiedenen Werbeagenturen. 2008 debütierte sie mit ihrem Kriminalroman Dukkebarnet, der bei Osburg unter dem Titel »Der Schrei der Kröte« erschien. Sowohl der erste als auch der zweite Band ihrer Krimireihe um den Ermittler Roland Benito wurden von Kritik und Publikum begeistert aufgenommen. 2010 gründete Madsen ihren eigenen Verlag Farfalla und seit 2014 konzentriert sie sich ganz auf das Schreiben. Die Roland Benito-Reihe umfasst inzwischen neun Bände. Inger Madsen lebt in Aarhus.

      1

      Die Sonne ging über dem Horizont auf wie eine Kugel glühenden Lebens. Die Schwärze der Nacht war vertrieben. Ein neuer Tag brach an. Für einige jedenfalls, dachte er, als er auf dem Pfad zwischen den Gräbern zu der kleinen Versammlung ging, die er glücklicherweise sofort entdeckt hatte, als er den parkähnlichen Friedhof von immerhin über sechzehn Hektar Größe betreten hatte. Hier war Platz für alle, unabhängig vom Glauben; selbst Atheisten hatten ihre eigene Gräberfläche bekommen.

      Der Kies knirschte unter seinen Schuhen und störte die ehrfürchtige Stille, die Friedhöfe kennzeichnet, hier jedoch mit der Ausnahme, dass man zwischen Vogelgezwitscher schwach den Verkehr vom Viborgweg und der Westringstraße hörte. Seine krumme, südländische Nase nahm den würzigen Duft von Zypressen und Thujen und die Frische nächtlichen Taus auf.

      Zum Glück kam nicht länger Licht oder schwarzer Rauch aus dem viereckigen weißen Schornstein des Krematoriums. Er schielte dorthin und versuchte, nicht daran zu denken, warum er oben leicht geschwärzt war. Er hatte gehört, dass die übergewichtigen Menschen den schwarzen Rauch erzeugten. Aber diese Zeit war vorbei. Jetzt, in Kälteperioden, trat nur ein wenig Dampf aus. Zu viele Dioxine und Schwermetalle, unter anderem Quecksilber von Zahnplomben, hatten dem Krematorium vor einigen Jahren bei neuen verschärften Umweltschutzanforderungen schlechte Noten beschert. Die Technik, um dieses Problem zu beheben, hatte einen Anbau erfordert; jetzt konnte man den Rauch abkühlen und ihn mit einem Filter reinigen, bevor er in die Atmosphäre verschwand. Das Kühlwasser dieses Prozesses wurde verwendet, um die Kapellen und das Krematorium zu beheizen, der Überschuss ging in die Heizungen für die Fernwärmeverbraucher. So konnte man nach dem Tod wenigstens ein bisschen von Nutzen sein, ohne schwarzen Rauch zu verursachen, dachte er. Das war ein kleiner Trost. Roland zog die weiße Schutzkleidung an, die ihm ein Beamter reichte, ehe er sich dem Tatort näherte.

      Der Westfriedhof war früher schon Vandalismus ausgesetzt gewesen, teilweise von ganz unfassbaren Dimensionen. Einer der Fälle wurde von der Presse als ›größte Grabschändung aller Zeiten‹ bezeichnet. 179 umgeworfene und zerstörte Grabsteine und Monumente, einige von ihnen so groß, dass ein Kran sie danach wieder aufrichten musste. Nichts hatte auf Satanismus oder etwas anderes Okkultes hingedeutet, aber diese Art Verbrechen waren ohne Zeugen schwer aufzuklären, und die gab es selten, da sie oft nachts verübt wurden, zu einer Zeit, in der Friedhöfe in der Regel nicht so gut besucht waren.

      Den bizarren Anblick, der sich ihm bot, als die Anwesenden mit heiseren, aber höflichen Morgengrüßen vor ihm zurückwichen, damit er sehen konnte, was der Kriminaltechniker gerade auf seiner Kamera digital verewigte, hatte er jedoch nicht erwartet. Einige Erdklumpen rollten ins Grab, als er sich vorbeugte und hinuntersah. Ein Hauch von Kühle und der Geruch muffiger Erde schlugen ihm entgegen. Es war der Tod, der auf die Morgenluft traf, die von der Sonne bereits ein bisschen aufgewärmt worden war.

      »Ja, man denkt fast an die Rache der Zombies oder sowas«, sagte der Rechtsmediziner Henry Leander, ohne dass es witzig klang, was es sicher auch nicht sein sollte. Dass Leander auch erschienen war, zeigte, für wie ernst Vizepolizeidirektor Kurt Olsen die Lage hielt. Oder vielleicht war es nur, um der Gemeinde, besonders dem Bürgermeister gegenüber Entgegenkommen zu zeigen, da es sich hier nun einmal um eine kommunale Einrichtung handelte. Vielleicht als Kompensation für die mangelnde Aufklärungsquote bei den vielen Grabschändungen. Henry Leander hatte im Übrigen angefangen, sich mit kleinen Schritten seiner Pension zu nähern. Es war lange her, dass Roland seinen alten Freund zuletzt gesehen hatte, aber nicht einmal als er sich neben ihn stellte, wandte Leander den Blick von dem offenen Grab ab. Er war gebräunter als sonst, was seinen elegant geschwungenen Schnurrbart kreideweiß wirken und zu dem Schutzanzug passen ließ. Der Mundschutz hing unter seinem Kinn. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und schien gar nicht er selbst zu sein. Oder war es bloß so, dass sich alte Kollegen und Mitarbeiter veränderten, wenn sie aus dem Arbeitsalltag verschwanden und man sie nicht mehr jeden Tag sah? Dass sie auf irgendeine Weise aufblühten, jünger wirkten, entspannter, lebendiger. Sie hatten jetzt Zeit, auszuspannen, länger zu schlafen und ihren Hobbies nachzugehen. Leander verbrachte jetzt sicher viel Zeit in seinem Keller mit seinen Insekten. Soweit Roland wusste, würde er seine Forschung dieser kleinen Viecher und ihrer wichtigen Bedeutung für die Polizeiarbeit fortsetzen. Er gab sporadisch Seminare über Entomologie an der Universität. Seine Stellvertreterin, die sehr junge Natalie Davidsen, machte sich bereit, die Leichenschau vorzunehmen, und zog ebenfalls die weiße Schutzkleidung und Latexhandschuhe an, bevor sie mit dem Kriminaltechniker die Plätze tauschte. Leander reichte ihr helfend die Hand; das Loch war fast zwei Meter tief. Sobald der Techniker aus dem Grab gestiegen war, bürstete er sich hektisch die Erde vom Anzug, als wäre es giftiger Staub. Dann kontrollierte er die Qualität der Beweisfotos.

      »Willst du sie dir auch anschauen, Herr Kommissar?«, fragte er, als wären es Urlaubsbilder aus den Katakomben.

      Roland schaute ihm über die Schulter. Der Tote lag in einer krampfartig verrenkten Stellung. Normaler Körperbau. Er hatte einen dreckigen, aber schicken, hellen Trenchcoat an, eine Rasur nötiger als Roland und markante Pigmentstörungen im Gesicht. Mit der rechten Hand umklammerte er einen Spaten. Roland hörte, dass hinter ihm etwas vorging und drehte sich um. Gerade legten sie die Leiche auf eine weiße Plastikunterlage. Natalie kramte in den Taschen des toten Mannes. Der Kriminaltechniker machte wieder Bilder, als sie ein braunes Lederportemonnaie aus einer Hosentasche zog und es öffnete.

      »Harald Lund Iversen«, las sie von einem abgenutzten, geknickten Führerschein ab. »56 Jahre alt.«

      »Was zum Teufel hat er da unten in dem Grab gemacht?«, fragte der Techniker, während er immer wieder auf den Auslöser der Kamera drückte, während Natalie in das Diktiergerät sprach und die Beweise dokumentierte. Ein paar Geldscheine, Münzen, ein Einkaufszettel, ein Bon von 7-Eleven, ein Schlüsselbund mit vier Schlüsseln, ein Foto von ihm und sicher seiner Ehefrau, ein zerknülltes Bild eines jungen Mannes, vielleicht sein Sohn. Gott sei Dank hatte der Verstorbene selbst gerade die wichtigsten Informationen geliefert, das ersparte ihnen eine zeitraubende Identifizierung. Seltsamerweise hatte er kein Handy bei sich.

      »Wie ist er gestorben?«

      »Das


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