Abenteuer im Sibirien-Express. Lisa Honroth Löwe

Abenteuer im Sibirien-Express - Lisa Honroth Löwe


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      Lisa Honroth-Loewe

      Abenteuer im Sibirien-Express

      Saga

      Abenteuer im Sibirien-ExpressCopyright © 2019 Lisa Honroth-Loewe and und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711593295

      1. Ebook-Auflage, 2019

       Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

       Absprache mit SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Erstes Kapitel

      Grelles Hupen, lautes Rufen, Schreie der Verkäufer warf sich über die Wolke von Hitze und Dunst empor. Rodenhausen stand am Fenster. Unten wurden schon seine Koffer von ein paar herkulischen Kulis auf den Hotelwagen verladen. — Eine halbe Stunde noch, dann ging der Transsibirien-Express. Dann ging es heim.

      Rodenhausen nahm hastig den warmen Ulster, der schon auf dem Stuhl bereit lag, und eilte hinunter. In der ersten Etage klopfte er noch einmal schnell. Ein wütendes Schreibmaschinengeklapper übertönte es. Da öffnete er einfach die Tür. In dem Hotelzimmer sass ein kleiner, magerer Mensch mit einem lebhaften, gescheiten Vogelgesicht. Seine Hände flogen über die Tasten der Schreibmaschine, seine Augen liefen wie gejagt über einen Stapel Notizen, die in einer winzigen Krakelschrift neben ihm lagen.

      „Moment, Fürst“, rief er und winkte mit der Hand, um sie dann gleich wieder mit Vehemenz auf die Tasten der Maschine sausen zu lassen, „Sie kommen sich verabschieden? Gibt’s nicht! Sie dürfen nicht eher heraus, bis hier mein Bericht fertig ist. Den müssen Sie mir mitnehmen. Die Post ist in diesen Zeitläuften ein unsicheres Beförderungsmittel in unserem lieben Erdenwinkel geworden“, — er sprach alles abgerissen, ruckweise, während er in rasender Eile weiterschrieb.

      Rodenhausen musste lachen. Dieser kleine Hopman war immer wie ein überhitzter Motor. „Aber mein Sibirien-Express wird nicht warten, bis Sie mit Ihren Berichten für die Zeitungen fertig sind, lieber Hopman.“

      „Bin schon fertig“, der kleine Hopman fegte mit einer rücksichtslosen Bewegung die übriggebliebenen Manuskriptseiten auf den Erdboden, riss die Blätter aus der Maschine, kuvertierte sie — „so, Fürst, nun seien Sie so gut, verstauen Sie. Es ist nicht nötig, dass sich Russland, Japan und China über den Inhalt hermachen. Bei Ihnen wird die Passkontrolle ja gelinde gehandhabt, alter Asienfahrer, der Sie sind. Oder haben Sie Angst Die deutschen Zeitungen warten sehr auf authentische Berichte — und da Bergmann erkrankt ist und nicht berichten kann, bin ich im Augenblick der einzige. Denn ob Stiemer von der Berliner Telegraphenstation noch durchkommt, ist sehr die Frage. Bis dahin kann sich hier auch vieles geändert haben.“

      „Ich weiss zwar die Ehre zu schätzen, dass Sie gerade mich ausersehen haben, Hopman“, lachte der Fürst, „aber so ganz glücklich machen Sie mich nicht damit. Diese Kerls da an der Zollgrenze sollen jetzt wenig angenehm sein. Meine Vermessungsgeräte, Karten, Photoapparate werden ihnen schon höchst verdächtig erscheinen. Nun auch noch Geschriebenes! Na, geben Sie her, ist fürs Vaterland, da wollen wir nicht feige sein! — Machen Sie’s gut, Hopman“, Rodenhausen schüttelte dem kleinen Amerikaner kräftig die Hand, „fast beneide ich Sie doch um alles, was Sie hier noch erleben werden, — na, vielleicht gibt’s ein Wiedersehen.“

      „Heil und Sieg, Fürst, grüssen Sie Deutschland, das ich sehr liebe!“

      Hopman half noch rasch, einige Apparate und sonstige Dinge, die Rodenhausen nicht aus der Hand gab, in der Rikscha verstauen, dann rannte der barfüssige Kuli, der die Rikscha zog, gewandt und eilig durch das Menschengewimmel der übervölkerten Stadt.

      Rodenhausen sog noch einmal alle Eindrücke in sich hinein, — dort die reiche Chinesin, die, orientalisch gekleidet und schmuckbehangen, ihre Privatrikscha bestieg, wie ein Märchen aus 1001 Nacht! Orient, du bilder- und farbenreicher, wann wird man dich wiedersehen?

      Nun, da er für eine lange Zeit Abschied nahm, wurde es ihm doch schwer. Eigentümlich, solange man hier als Europäer war, schimpfte man um die Wette mit den andern über die Hitze, den Staub, den Gestank, die ganze unmögliche Atmosphäre dieser Stadt, dieser russisch-chinesischen Stadt, die von allen Ländern das Schlechteste übernommen zu haben schien; von China die Uebervölkerung: wie ein Ameisenhaufen wimmelte es durcheinander — Rodenhausen musste daran denken, dass man seit Jahren vergeblich versuchte, mal eine Volkszählung vorzunehmen. Keiner der europäisch geschulten Beamten hatte dies Kunststück fertiggebracht, — von Russland die Bestechlichkeit, die sich hier in allen Währungen austoben konnte, von den Ostjuden die Armut, vom Orient die schrecklichen Gerüche. Und von Europa die Ueberzüchtung mit einem Reichtum, der sich in einigen wenigen Vierteln breit machte, und dessen protzende Decke doch das Elend, den Jammer der ausgenutzten Menschenkreaturen nicht zudecken konnte. —

      Es gab wohl nichts an Unglück, Elend, Laster, was man hier nicht erleben konnte. Und Rodenhausen hatte mitunter geglaubt, in dieser Atmosphäre nicht existieren zu können. Nur sein verbissener Wissensdrang hatte ihn immer wieder gehalten. Nun aber, da es ernst wurde mit dem Abschied, sah er, wie verwachsen er doch mit allem hier war. Es war das Abenteuerliche dieses Lebens, das ihn als Mann immer wieder anzog. — Mitten aus den Forschungen über die geologische Struktur des Landes hier, gerade vor dem Abschluss seiner Expedition musste er fort. Man sah die Europäer hier nicht mehr gern. Ein plötzliches Misstrauen aller gegen alle hatte die Eingeborenen ergriffen. Dieser latente Kriegszustand, der zwischen Japan und China herrschte, warf seine Schatten auch hierher. Man fürchtete von jedem Europäer, dass er Partei wäre. Vor allem Rodenhausen, in dessen Rasse auch das englische Blut unverkennbar war, mit seiner genauen Kenntnis des Landes, war schon lange Gegenstand aufmerksamer Beobachtungen der Chinesen wie der Japaner. Jetzt fingen auch noch die Russen an, misstrauisch zu werden. Und gute Freunde hatten ihm geraten, sobald wie möglich das Land zu verlassen. Selbst die deutschen Konsulatsbeamten waren unsicher geworden. Man konnte nicht wissen, was die nächste Zeit brachte. Jeder Deutsche, der hier im Lande nicht ansässig und dadurch voll legitimiert war, tat besser daran, heimzugehen, meinte man. Es gab genug Landsleute, die nicht fort konnten, und die den Schutz des deutschen Konsulats brauchten.

      Rodenhausen hatte sich zuerst energisch geweigert, das Feld zu räumen. Er hatte gerade eine Expeditionskarawane unter ziemlichen Mühen und Kosten zusammengestellt. Es war nicht leicht gewesen, die Chinesen dazu zu bekommen, in die unwirtlichen Gegenden des Gebirges vorzustossen. Glücklich hatte er nun auch ein paar Generalstabskarten von einem befreundeten russischen Offizier bekommen, sich mit erheblichen Kosten alle Vermessungsgeräte beschafft und was sonst noch zur Ausrüstund eines Geologen gehörte. Und nun sollte das alles vorbei sein? Jetzt, wo es zwar wissenschaftlich immer schwieriger, aber auch allgemein immer interessanter wurde! Nun sollte er heim in die Stille von Rodenhausen, der kleinen Residenz, über die er längst hinausgewachsen war, wie überhaupt über die Kreise seiner Standesgenossen. — Er hatte nie so recht hineingepasst in die begrenzten Anschauungen und Betätigungen eines kleinen Fürstenhauses. Zu sehr rumorten in seinem Blut die englischen Vorfahren mit ihrem Seeräuberblut. Diese Abenteuerlust hatte sich offenbar noch aus der Vorzeit der Norfolks, die in die deutsche Fürstenlinie hineingeheiratet hatten, bis in ihn erhalten. Noch sein Grossvater englischerseits war bei den Kämpfen in den englischen Kolonien gefallen, seine Brüder draussen in der Welt gestorben, er war der letzte — aber auch ihn trieb es immer wieder hinaus. Freilich, es war nicht die unstillbare Forschungs- und Abenteurerlust allein — Rodenhausen seufzte auf, eine harte Falte stand ihm plötzlich zwischen den sehr hellen Brauen, es war noch etwas anderes — Dorothee! Sie verstand es nicht mit ihm. Sie verstand nicht, ihn in der Heimat und ihrem Heim zu halten, sie verstand nicht, was er brauchte. Sie war heute genau so herb und verschlossen wie vor zwanzig Jahren. — An dem jungen Mädchen war es ein Reiz gewesen, der ihn anzog — obwohl mehr Standesrücksichten als Neigung ihn zu dieser Ehe geführt. Aber diese Herbheit war nicht gewichen. Es war oft wie eine Stummheit, wie etwas Drückendes zwischen Dorothee und ihm. Und aus dieser Stummheit floh er öfter und öfter in die Welt. Einmal hatte er gehofft, Viky, die kleine Tochter, würde ihn


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